| # taz.de -- Start-up bietet Meerestiere vom Land: Fisch statt Steak vom Bauern | |
| > Wie sinnvoll kann es sein, Raubfische auf dem Land zu züchten und | |
| > fangfrisch zu verkaufen? Das Saarbrücker Start-up Seawater Cubes glaubt: | |
| > sehr. | |
| Bild: Noch Luft nach oben: Wolfsbarsch aus dem Aquarium. In freier Wildbahn err… | |
| Berlin taz | Der ganze Wolfsbarsch, ausgenommen rund 400 Gramm, kostet | |
| 11,40 Euro, die geräucherte Variante 16,90 Euro. Die ersten 500 Fische vom | |
| Land waren schon vor Weihnachten verkauft. Carolin Ackermann klingt ein | |
| wenig stolz, als sie über diese ersten Erfolge von Seawater Cubes | |
| berichtet. Mit dem Saarbrücker Start-up will sie Bauern das Fischen und | |
| Fischverkaufen beibringen. Das Besondere: Der Meeresfisch ist hier groß | |
| geworden, weit entfernt von der Küste. | |
| Gegründet hat Ackermann das Unternehmen zusammen mit einem | |
| Maschinenbauingenieur und einem Automatisierungstechniker. Sie selbst ist | |
| für Finanzen, Marketing und Vertrieb zuständig. | |
| Wissenschaftler suchen schon seit Langem nach einem guten, einem | |
| ökologischen Weg, Fische zu züchten. Der Reichtum der Meere geht zur Neige, | |
| um etliche wilde Bestände ist es schlecht bestellt. Die | |
| [1][EU-Fischereiminister haben beispielsweise die Fangquoten für Kabeljau | |
| in der Nordsee und dem Nordost-Atlantik für das kommende Jahr gerade erst | |
| halbiert]. Zugleich gilt Fisch aber weltweit als der wichtigste | |
| Proteinlieferant für die menschliche Ernährung. | |
| Philipp Kanstinger, Experte des Umweltverbandes WWF, erklärt: „Die | |
| Fischzucht ist im Vergleich zur Mast von Schweinen oder Rindern häufig die | |
| umweltverträglichere Variante.“ Denn Fische seien „bessere | |
| Futterverwerter“, bräuchten auch weniger Platz. Die Organisation für | |
| wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, schätzt, dass 2030 | |
| knapp zwei Drittel aller Fische auf dem Teller von Fischfarmen stammen | |
| werden. Derzeit ist es schon knapp jeder zweite. | |
| ## Fischfarmen an den Küsten oft kontraproduktiv | |
| Nur kommt dieser Fisch zumeist aus asiatischen Unterwasserfarmen – | |
| andernorts spielt die Aquakultur kaum eine Rolle. Von ihm rät Kanstinger | |
| allerdings ab. Trage er kein Biosiegel von Naturland oder von ASC, dem | |
| Aquaculture Stewardship Council, seien die Tiere meist „nicht nachhaltig | |
| gezüchtet“. Aus den offenen Netzkäfigen gelangten Chemikalien, | |
| Nahrungsreste, Fischkot und Antibiotika in Flüsse und Meere. Darum sei es | |
| im Grunde „eine gute Sache“, wenn der Wolfsbarsch in einem geschlossenen | |
| System groß werde. | |
| Das bieten die Container von Seawater Cubes. Mehr als sieben Jahre lang hat | |
| das Gründerteam – alle AbsolventInnen der Hochschule für Technik und | |
| Wirtschaft des Saarlandes – an Strömung, Filtern, Haltung getüftelt und | |
| zuletzt einen Prototypen entwickelt, optimiert für Wolfsbarsch und Dorade. | |
| Das Unternehmen verspricht, das Wasser immer wieder so aufzubereiten, dass | |
| es zu 99 Prozent im Kreislauf bleiben kann. Auch will es weniger Energie | |
| verbrauchen als Anlagen mit ähnlicher Technik. Das Resultat, so Ackermann, | |
| seien Fischprodukte, die „Sashimi-Qualität“ hätten. Sie können also roh | |
| verzehrt werden. Auf einer Fläche von etwas mehr als 100 Quadratmetern | |
| sollen jährlich bis zu 7 Tonnen Meeresfische produziert werden können. | |
| 250.000 Euro soll eine Anlage kosten. Rainer Froese, Fischexperte des | |
| Kieler Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung, aber rät „jedem Bauern | |
| dringend ab, sein Geld in intensive Aquakultur zu investieren“. Das könne | |
| man nicht nebenbei machen. „Die Gefahr von technischen Ausfällen und | |
| eingeschleppten Krankheiten ist groß.“ Fisch sei nicht pflegeleicht, der | |
| Betrieb einer hochkomplexen Kreislaufanlage „eine Wissenschaft für sich“. | |
| Auch der Druck auf die wilden Bestände werde damit eher größer. Schließlich | |
| sei der Wolfsbarsch ein Raubfisch, der kein Grünzeug fräße, sondern | |
| üblicherweise mit anderen Fischen in Form von Fischmehl und Fischöl | |
| gefüttert werden müsse. | |
| ## Vegetarische Fische die bessere Wahl | |
| „Der Futterkoeffizient liegt bei 1,2“, erklärt Ackermann. Heißt: Damit die | |
| Tiere 1 Kilo Fleisch ansetzen, brauchen sie 1,2 Kilo Futter, das sei eine | |
| spezielle Mischung für Wolfsbarsche, die auch Reste aus der | |
| Fischverarbeitung für die Lebensmittelbranche enthalte. Das ist schon | |
| besser als der Schnitt. Doch Froese bleibt dabei: „Man wirft mehr Fisch | |
| rein, als rauskommt.“ Wer überhaupt Fische züchten wolle, entscheide sich | |
| besser für Arten, die auch Vegetarisches fressen. Tilapia etwa – auch wenn | |
| sich damit nur geringere Verkaufspreise erzielen ließen. | |
| Ackermann lässt sich nicht beirren, sagt, deutschlandweit interessierten | |
| sich bereits Landwirte für die umgebauten Schiffscontainer. Ihr Ziel: | |
| Binnen den nächsten zehn Jahren sollen bundesweit 120 Cubes ausgeliefert | |
| werden und Lebensmittelhändler und Gastronomen den Fisch vom Land anbieten. | |
| 9 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2019/207-FangquotenOstsee… | |
| ## AUTOREN | |
| Hanna Gersmann | |
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