# taz.de -- Türkischer Truppeneinsatz in Libyen: Einmarsch als Drohkulisse | |
> Das türkische Parlament gibt grünes Licht für eine Intervention in | |
> Libyen. Dabei geht es Ankara auch um Gasvorkommen im Mittelmeer. | |
Bild: Kämpfer der international anerkannten Regierung an der Frontlinie in Tri… | |
TUNIS taz | Das türkische Parlament hat am Donnerstag grünes Licht gegeben | |
für eine mögliche Entsendung von Truppen nach Libyen, um die | |
Einheitsregierung des libyschen Regierungschefs Fajes al-Serradsch zu | |
unterstützen. Serradsch hatte Ankara vor drei Wochen offiziell um | |
militärische Hilfe im Kampf gegen die ostlibysche Armee seines Kontrahenten | |
Chalifa Haftar gebeten. Dessen Libysche Nationalarmee (LNA) versucht seit | |
Anfang April, Milizen aus Tripolis zu vertreiben, die auf der Seite von | |
Serradsch stehen. | |
Beobachter rechnen damit, dass Ankara vorerst von der offiziellen | |
Stationierung von Einheiten absehen könnte, dafür aber syrische Rebellen | |
nach Tripolis schickt. Die türkische Armee kooperiert in Nordwestsyrien mit | |
der ehemaligen „Freien Syrischen Armee“ (FSA); in Rekrutierungsbüros werden | |
laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte Freiwillige für | |
den Kampf gegen die LNA angeworben. | |
Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay sagte der Nachrichtenagentur Anadolu | |
am Dienstag, die Kooperation mit Tripolis solle eine Verschwörung anderer | |
Mittelmeeranrainer gegen die Türkei verhindern. „Mit dem libysch-türkischen | |
Kooperationsabkommen ist jeder Plan chancenlos, der sich gegen die Türkei | |
wendet. Der Einladung der Libyer zu folgen, wird hoffentlich nicht nötig | |
und hat schon jetzt genügend abschreckende Wirkung.“ Neben der Einigung auf | |
ein gemeinsames Wirtschaftsgebiet auf dem Mittelmeer hatten Serradsch und | |
Erdogan Ende November eine enge Militärkooperation vereinbart. | |
## Unterstützung kommt von Algerien | |
In Griechenland, Ägypten und auf Zypern Libyens stößt das türkische | |
„Memorandum of Understanding“ mit der weitgehend machtlosen Regierung in | |
Tripolis auf Widerstand. Kairo und Athen wollen offenbar die Umsetzung und | |
mögliche Förderung der vermuteten Gasvorkommen durch türkische Firmen | |
verhindern. Der griechische Außenminister Nikos Dendias besuchte am 22. | |
Dezember Haftar in Bengasi, kurz darauf setzte dessen Marine ein türkisches | |
Frachtschiff vor Bengasi fest. | |
Unterstützung erhält die Türkei durch Algeriens Regierung. Der Sprecher des | |
algerischen Außenministeriums sagte am Dienstag, dass das Abkommen zwischen | |
Libyen und der Türkei eine Angelegenheit beider Länder sei. Nach Angaben | |
der italienischen Webseite „ItalMilRadar“ waren in der letzten | |
Dezember-Woche mindestens drei Boeing-Transportflugzeuge über Algier in die | |
libysche Hafenstadt Misrata geflogen. Nach Angaben von dortigen | |
Kommandeuren gegenüber der taz hatten sie türkische Waffen an Bord. | |
Bewaffnete Gruppen aus Misrata stellen einen Großteil der | |
Verteidigungseinheiten gegen Haftars LNA in Tripolis. Haftars Truppen | |
werden von Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Waffen und | |
russischen Söldnern unterstützt. | |
Im Kern geht es der Türkei wohl auch nicht um die Unterstützung der | |
Einheitsregierung, sondern um eine starke Position im Streit um die | |
Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Mit der libyschen Einheitsregierung | |
hat die Türkei sich einen Verbündeten im Gasstreit mit Griechenland, Zypern | |
und Israel geschaffen. | |
Eine mögliche Stationierung der türkischen Armee in Libyen würde auch die | |
Bundesregierung verprellen, die im Frühjahr in Berlin eine Konferenz zur | |
Beendigung des Krieges um Tripolis abhalten will. Doch schon bald könnten | |
sich russische Söldner und syrische Freiheitskämpfer im Süden von Tripolis | |
gegenüberstehen. | |
## Syrische Rebellen statt Flüchtlinge | |
Anwohner berichteten der taz, dass libysche Kriegsflüchtlinge am Sonntag | |
aufgefordert wurden, eine Ferienhaussiedlung im Vorort Dschansur aufgrund | |
von geplanten Renovierungsarbeiten zu verlassen. Sie vermuten, dass aus | |
Syrien eingeflogene syrische Rebellen dort untergebracht werden sollen. | |
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle befinden sich bereits 300 | |
ehemalige FSA-Kämpfer an der Front in Ain Zara bei Tripolis, 1.000 sollen | |
angeblich folgen. | |
Das 2011 beschlossene UN-Embargo verbietet Waffenlieferungen nach Libyen. | |
Ein von uniformierten syrischen Kämpfern mit Aleppo-Akzent gefilmtes Video | |
lokalisierte die Deutsche Presse Agentur jedoch im Süden von Tripolis. | |
Sollten die Syrer tatsächlich dort im Einsatz sein, stehen sie in Salah | |
Eddine Haftars LNA gegenüber, die nur noch acht Kilometer vom Zentrum von | |
Tripolis entfernt ist. | |
2 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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