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# taz.de -- Ökonom zur Welthandelsorganisation: „Reform ist überfällig“
> Die Blockadehaltung der USA stürzt die WTO in ihre tiefste Krise. Dabei
> ist sie nur Ausdruck von jahrelangen Versäumnissen, sagt Ökonom
> Felbermayr.
Bild: Stillstand: rote Ampel vor dem Hauptquartier der Welthandelsorganisation …
taz: Herr Felbermayer, die USA blockieren den wichtigsten Hebel der WTO,
indem sie die Ernennung von neuen Berufungsrichtern verhindern. Nun ist das
Gremium handelsunfähig. Ist das das Ende der WTO?
Gabriel Felbermayer: Nein, das Ende der WTO bedeutet das nicht. Die zweite
Instanz im Streitbeilegungsverfahren ist nun blockiert. Andere
Streitschlichtungsinstrumente sind aber noch intakt. Die Streitbeilegung
wird sich nun eben in andere Formate der WTO verlagern.
Die Streitschlichter waren aber der wichtigste Hebel, Handelskonflikte zu
lösen.
Ja, die WTO steckt in einer existenziellen Krise. Sie hat aber schon lange
vorher begonnen. Dieser Streit ist nur einmal mehr Ausdruck dafür, dass es
die WTO nicht geschafft hat, sich 25 Jahre nach ihrer Gründung ein
zeitgemäßes Regelwerk zu verpassen.
Die US-Blockade ist also nicht allein auf [1][Trumps Politik]
zurückzuführen?
Nein, überhaupt nicht. Die Blockadehaltung der Amerikaner begann schon
unter Obama. Die Amerikaner sind auch überhaupt nicht allein mit ihrer
Kritik. Das denken jetzt nur viele, weil Trump am lautesten schreit und die
furchtbarsten Vokabeln verwendet. Das Berufungsgericht der WTO ist ein sehr
juristisches Gremium, es geht wenig um ökonomische Fragen. Auch die
Verfahrensregeln sind alt. Keine Frage, Trump geht mit seiner Kritik sehr
viel weiter. Er möchte bilaterale Deals schließen und nutzt jede
Gelegenheit, der WTO zu schaden. Dass es aber so weit kommen konnte, hat
auch damit zu tun, dass es die WTO schon vorher versäumt hat, sich zu
modernisieren. Das rächt sich nun.
Auch beim aktuellen Handelsstreit scheinen die beiden Streithähne China und
USA die WTO nicht wirklich ernst zu nehmen.
Das ist nur logisch. Selbst wenn die WTO die amerikanischen Zölle auf Stahl
und Alu für rechtswidrig erklären würde – sie hätte gar nichts in der Han…
Sanktionen durchzusetzen. Und wenn auch noch geostrategische Rivalitäten
jenseits von handelsrechtlichen Finessen im Vordergrund stehen, haben
Schiedssprüche erst recht keine Wirkung. Als die WTO 1995 gegründet wurde,
hatte keiner daran gedacht, dass geostrategische Rivalitäten im Welthandel
mal so dominieren würden. Damals überwog der Glaube, die Prinzipien des
Liberalismus in Form von Demokratie und freier Marktwirtschaft würden sich
endgültig und überall durchsetzen – eine Fehleinschätzung.
WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo hofft auf einen Ruck durch den Schock.
Glauben Sie, dass durch die Blockadehaltung der USA die geforderte Reform
jetzt an Fahrt gewinnt?
Es ist zu hoffen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so kommt.
Denn die zentrale Frage ist, wie eine Reform aussehen könnte, die sowohl
die Amerikaner als auch die Chinesen an den Tisch bringt. Die Amerikaner
wollen keine übergeordnete Organisation mehr, sondern sehnen sich zurück in
eine Welt vor 1995, als Welthandelsregeln viel weniger verbindlich waren.
In ihrer Anfangszeit stand die WTO vor allem unter Beschuss von linken
Kräften, den Globalisierungskritikern. Ihre Kritik damals: Die WTO würde
die ohnehin schon wohlhabenden Industriestaaten noch mehr stärken auf
Kosten der schwachen Länder. Das Gegenteil scheint nun der Fall zu sein.
Genauso ist es. Das starke Anwachsen einer Mittelschicht nicht nur in
China, sondern auch in Südostasien, teilweise auch Südamerika, hat ja sehr
viel zu tun mit vertiefter Arbeitsteilung. Und das wiederum hing zusammen
mit mehr Rechtssicherheit durch die WTO. In den USA und Teilen Westeuropas
hat die Globalisierung zu einigen Verwerfungen in der Mittelschicht
geführt, nicht aber in den Entwicklungsländern. Dort ist die Mittelschicht
gewachsen. Die WTO entwickelte sich zugleich zu einer verhältnismäßig
demokratisch organisierten Institution. Jedes Land hat ein Vetorecht. Wenn
wir jetzt wieder eine Rückkehr der Machtpolitik haben, wird das auf Kosten
der kleinen Länder gehen.
12 Dec 2019
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## AUTOREN
Felix Lee
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