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# taz.de -- Wahljahr in der Elfenbeinküste: Afrikas neuer, alter Krisenherd
> In der Elfenbeinküste verschärft sich die Konfrontation zwischen
> Präsident Ouattara und seinen Gegnern. Droht ein neuer Bürgerkrieg?
Bild: Abidjan, 21. Dezember: Ouattara erklärt einem weniger erfahrenen Kollege…
Berlin taz | Während weltweit die Angst vor islamistischem Terror in
Westafrikas Sahelzone wächst, bahnt sich direkt nebenan in der
Elfenbeinküste eine Krise mit Bürgerkriegspotenzial an. 2020 ist Wahljahr
in der Elfenbeinküste, und die 25 Millionen Ivorer warten auf die
Gelegenheit, endlich aus dem Schatten jener Politiker herauszutreten, die
das ökonomisch wichtigste Land des frankophonen Westafrika schon einmal in
einen jahrelangen Krieg mit Zehntausenden Todesopfern gestürzt haben. Doch
die Altpolitiker wehren sich mit allen Mitteln dagegen, einer neuen
Generation Platz zu machen.
„Jeder politische Übergang in der Landesgeschichte hat zu Gewalt gegen
Zivilisten geführt“, warnte das Völkermordpräventionszentrum des
Holocaust-Museums in den USA: „Politiker und ihre Unterstützer sehen in den
Wahlen 2020 eine Gelegenheit, die ausschließliche Kontrolle des Landes zu
erlangen. In der Vergangenheit hat diese Haltung politische Führer dazu
verleitet, ethnische Identitäten und ökonomischen Unmut zu manipulieren,
Gemeinschaften zu spalten und Gewalt anzustacheln, um Loyalitäten zu
festigen und Unterstützung zu erwirken. Heute besteht das Risiko, dass
[1][eine solche Ideologie] wieder auflebt.“
Seit einem Vierteljahrhundert dominiert ein Triumvirat die ivorische
Politik. Da ist zunächst Henri Konan Bédié, der 1993 Staatschef wurde und
die Herrschaft der einstigen Einheitspartei fortführte. Gegen ihn
verbündeten sich damals Laurent Gbagbo, einstiger sozialistischer
Untergrundpolitiker, und Alassane Ouattara, der als vermeintlicher
Ausländer aus Burkina Faso von Präsidentschaftswahlen ausgeschlossene
Ex-Premierminister.
Bédié wurde 1999 vom Militär gestürzt, aus Wahlen ging 2000 Gbagbo als
Sieger hervor. Er setzte die Diskriminierung mutmaßlicher Nachfahren
westafrikanischer Migranten wie Ouattara fort und trieb damit die
Nordhälfte des Landes in die Rebellion. Ab 2002 spaltete ein blutiger
Bürgerkrieg das Land. Wahlen gab es erst wieder 2010. Ouattara und Bédié
verbündeten sich gegen Gbagbo – und Ouattara gewann. Er musste aber seinen
Wahlsieg mit militärischen Mitteln durchsetzen, unterstützt von Frankreich
und den nordivorischen Rebellen, die Gbagbo schließlich i[2][m Bunker
seiner Residenz] festsetzten. [3][Gbagbo landete in Den Haag] vor dem
Internationalen Strafgerichtshof. Ouattara wurde 2015 [4][als Präsident mit
83 Prozent der Stimmen wiedergewählt] – für seine zweite und letzte
fünfjährige Amtszeit. Die Elfenbeinküste schien endlich die Zeit der Wirren
hinter sich gelassen zu haben.
## Die „drei Alten“ wollen nicht gehen
Aber dann ging alles schief. Erst kündigte 2018 Bédié sein Bündnis mit
Ouattara auf, weil dessen Partei sich nicht mehr an eine Absprache gebunden
fühlte, 2020 nach zwei Ouattara-Amtszeiten Bédié den Vortritt zu lassen.
Dann [5][sprach der Internationale Strafgerichtshof im Januar 2019 Gbagbo
frei] und machte ihn damit nach acht Jahren Pause wieder zum politischen
Akteur in der Heimat. Nachdem Bédié und Gbagbo beide durchblicken ließen,
sie könnten 2020 antreten, erklärte Ouattara, wenn die anderen Alten
weitermachten, werde er auch nicht von der Bühne abtreten.
Die meisten Ivorer finden aber, dass das Land erst dann wirklich ein neues
Kapitel aufschlagen kann, wenn die drei Alten nicht mehr alle anderen
verdrängen. Ouattara ist inzwischen 77 Jahre alt. Gbagbo – der in Belgien
lebt, weil noch die Berufung gegen seinen Freispruch ansteht – ist 74.
Bédié ist 84 Jahre alt.
Die prominentesten Vertreter einer jüngeren Generation verdanken jedoch
ihre Karriere dem Krieg der Alten und sind daher auch nicht wirklich
Vertreter einer neuen Politik. Guillaume Soro und Charles Blé Goudé, zwei
Studentenführer der 1990er Jahre, sind beide 47 Jahre alt. [6][Blé Goudé
war Gbabgos Chefhetzer] während des Bürgerkriegs: Als Führer
„patriotischer“ Jugendmilizen peitschte er die Jugend zum Kampf, mit einer
an Völkermordpropaganda grenzenden Rhetorik. Soro war damals der politische
Chef der nordivorischen Rebellen.
Nach dem Krieg landete Blé Goudé an Gbagbos Seite in Den Haag, Soro wurde
Parlamentspräsident. Blé Goudé wurde im Januar zusammen mit Gbagbo
freigesprochen, Soro legte sein Amt nieder und gründete mit Blick auf eine
Präsidentschaftskandidatur eine eigene Partei.
## Opposition glaubt nicht an friedliche Wahlen
Doch nun ist beiden der Weg versperrt, und die beiden ehemaligen Erzfeinde
sehen sich gemeinsam blockiert. Blé Goudé – der weiter in den Niederlanden
weilt, weil auch gegen ihn noch ein Berufungsverfahren in Den Haag ansteht
– wurde am 30. Dezember von einem Gericht in Abidjan in Abwesenheit zu 20
Jahren Haft und einer hohen Geldstrafe als Entschädigung für seine Opfer
verurteilt. Das Verfahren dauerte nur einen Tag, seine Anwälte sprachen von
einem „politischen Prozess“.
Gegen Soro erging kurz vor Weihnachten Haftbefehl wegen Vorbereitung eines
bewaffneten Aufstands. Soro wollte zu Weihnachten triumphal von einer
Europareise in die Elfenbeinküste zurückkehren, landete stattdessen am 23.
Dezember im benachbarten Ghana und flog wieder nach Paris zurück, ohne sein
Flugzeug verlassen zu haben, weil die Behörden ihm die Einreise verwehrten.
Soro weist die Vorwürfe als erfunden zurück und kritisiert die Festnahme
Dutzender seiner Anhänger.
[7][Ouattara wollte einst die Elfenbeinküste modernisieren]. Nun aber fällt
das Land in alte Bürgerkriegsreflexe zurück. Schon im Mai gab es bei
Auseinandersetzungen zwischen der Baoulé-Volksgruppe Bédiés und der
Dioula-Volksgruppe Ouattaras im Zentrum des Landes 16 Tote, darunter zwei
Frauen, die in ihrer Hütte verbrannten.
In seiner Neujahrsansprache versprach Präsident Ouattara ein „friedliches
Wahljahr“, während Soro sich gleichzeitig in einem Internetvideo zum
„Favoriten“ der Wahl erklärte und eine „Kabale, um mich auszuschließen�…
denunzierte. Eine Stunde früher hatte Bédié in einer eigenen
Neujahrsansprache Ouattara vorgeworfen, die Bedingungen für eine
„friedliche Wahl“ nicht zu erfüllen. Die Frontlinien sind gezogen.
2 Jan 2020
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## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
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