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# taz.de -- Unerlaubtes „Weltwoche“-Porträt: Undercover beim Rendezvous
> Ein „Weltwoche“-Autor trifft die Escort-Dame Salomé Balthus und schreibt
> darüber einen Artikel. Einem Interview hatte sie nie zugestimmt.
Bild: Dieses Bild von Salomé Balthus hat die „Weltwoche“ ohne Erlaubnis ve…
Berlin taz | Für Salomé Balthus war es ein normales Date, das ein Kunde wie
jeder andere bei ihr gebucht hatte, sagt sie gegenüber der taz. Die
Escort-Dame hatte sich in der Paris Bar in Berlin-Charlottenburg mit dem
Schweizer Journalisten Roman Zeller verabredet. Seit Monaten hatte die
Schweizer Wochenzeitung Weltwoche, Zeller ist dort Autor, sie regelrecht
aggressiv umworben, sagt Balthus. Immer wieder habe Zeller für ein
Interview angefragt, später dann auch offiziell über ein Kontaktformular
ihrer Escort-Website. Das war am 19. November. Doch Balthus hat sich nie
für ein Interview bereit erklärt.
Balthus war in der Schweiz bekannt geworden, nachdem sie Anfang April
dieses Jahres [1][in der SRF-Talksendung] des Schweizer Journalisten Roger
Schawinski zu Gast gewesen war. Balthus, damals noch [2][Kolumnistin bei
der Welt], wurde von Schawinski zum Thema Missbrauch befragt. Nach einem
Einspieler, in dem Alice Schwarzer behauptete, eine „überwältigende
Mehrheit“ der Prostituierten habe „in der Kindheit sexuellen Missbrauch
erfahren“, fragte Schawinski: „Ist das auch bei Ihnen der Fall gewesen?“
Als Balthus später, verärgert über diesen Vorfall, in ihrer Welt-Kolumne
schrieb und wohl nicht richtig zitierte, [3][feuerte man sie beim
Springer-Verlag]. Kurz darauf bot ihr die Weltwoche eine Kolumne in ihrem
Blatt an. Balthus lehnte ab, reagierte auf keine weiteren journalistischen
Anfragen der Zeitung, auch weil sie „negative Erfahrungen mit einer
bürgerlich-rechten Zeitung“ gemacht hatte, sagt sie.
In der aktuellen Ausgabe der Weltwoche, die am Mittwoch erschien, findet
sich nun doch ein Porträt von Balthus. Es trägt den [4][Titel „Rendezvous
mit Salomé Balthus“], geschrieben hat es der Autor Roman Zeller, der
Balthus auch zum Date in Berlin traf. Eine Rendezvous also, das so auch
stattgefunden hat, sagt Balthus. Nur: Was währenddessen gesagt wurde,
sollte nie veröffentlicht werden.
## Völlig privates Treffen
Der Text wird als ein „Gespräch über Kunst, Philosophie und Sex“
angekündigt. Darum geht es dann auch. Balthus erzählt von ihren Kunden, von
ihrer Schulzeit und ihrer Kündigung als Kolumnistin bei der Welt. Zeller
beschreibt den Abend, Balthus Auftreten und Aussehen sehr ausführlich,
lässt sie viel zu Wort kommen. Die verwendeten Zitate habe Balthus
allerdings weder autorisieren, noch ihr Einverständnis zur Veröffentlichung
geben dürfen.
Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel sagte auf Anfrage der taz, ihr Autor
Roman Zeller habe sich „korrekt als Weltwoche-Journalist zu erkennen
gegeben und einen geradezu euphorischen Artikel über eine sehr intelligente
Frau geschrieben.“ Unsauber gearbeitet zu haben räumt man also nicht ein.
Roman Zeller äußerte sich auf Anfrage der taz bisher nicht zu den
Vorwürfen.
Dass Zeller Journalist ist, wusste Balthus. Nur dass es sich bei dem
Treffen um ein Interview handelte, davon war nie die Rede, sagt sie. „Die
Voraussetzung war völlig klar: Dass es ein völlig privates Treffen ist und
kein Interview und auch kein Porträt. Ich hatte das ja alles abgesagt und
eingangs auch nochmal gesagt.“ Für das Date, hat Zeller, wie verabredet,
auch gezahlt.
## Unzulässig recherchiert
Eigenartig ist, dass Zeller in seinem Porträt selbst schreibt, Balthus habe
zu verstehen gegeben, damals, ihm Frühling, keinerlei Interesse an einem
Gespräch mit der Weltwoche zu haben. „Heute noch immer nicht, wie sie über
ihre Sekretärin mitteilen ließ“, schreibt Zeller weiter. Und dass man aber
als Kunde jederzeit willkommen sei. Diesen Teil der Geschichte bestätigt
auch Balthus. Zeller begibt sich also auf ein Date mit einer Protagonistin,
die mehrfach verkündet hatte, dass sie keine sein möchte. „Also packte ich
genügend Kleingeld ein“, schreibt der Autor noch und trifft die Escort-Dame
Balthus.
Handelt es sich hierbei also um eine unzulässige Recherche? „Vor einer
medienethischen Einschätzung muss zuerst im Detail abgeklärt werden, was
zwischen dem Weltwoche-Autor und Frau Balthus abgemacht wurde und wie offen
der Journalist auftrat“, sagt der Schweizer Jurist und Journalist Dominique
Strebel. Und weiter: „Der Journalist muss Name, Medium, Rechercheabsicht
transparent machen und kann Aussagen nur mit Einwilligung zitieren, außer
es gebe ein hohes öffentliches Interesse.“
Sollte Zeller das Porträt also ohne das Einverständnis von Balthus
veröffentlicht haben, hätte er mindestens gegen den Pressekodex verstoßen
und Balthus Persönlichkeitsrechte verletzt. Illustriert wurde das Porträt
von Salomé Balthus dann auch noch mit einem Foto von ihr, für das die
Weltwoche keine Bildrechte besitzt. Der Fotograf werde sicher nicht erfreut
sein, sagt Balthus.
6 Dec 2019
## LINKS
[1] https://www.srf.ch/play/tv/schawinski/video/roger-schawinski-im-gespraech-m…
[2] https://www.welt.de/kultur/das-kanarienvoegelchen/
[3] /Welt-Autorin-gefeuert/!5584921
[4] https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2019-49/kultur-gesellschaft/rendezvous-mi…
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
Medienrecht
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Schweiz
Sexarbeit
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