Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um minderjährige Geflüchtete: Kinderlein kommet
> Kurz vor Weihnachten zeigt die Bundesregierung nochmal, was sie draufhat:
> Keine Menschlichkeit für die in Griechenland leidenden geflüchteten
> Kinder.
Bild: Manche Kinder suchen einen Weihnachtsbaum – andere einfach nur Schutz u…
In einem Wald in Brandenburg hat am Tag vor Heiligabend meine Enkeltochter
einen Baum gefällt. Sie ist in ihren Kindersitz geklettert, hat sich von
ihrem Vater anschnallen lassen. Und dann ging es hinaus in den rauschenden
Forst: nach dem perfekten Baum suchen, ihn absägen und in ein TÜV-geprüftes
Auto hieven. Den Baum daheim auspacken und sich wundern, dass das ganze
Haus plötzlich nach Kiefer riecht.
Dann die Lichterketten auseinanderfummeln und den schon vor zwanzig Jahren
von ihrer Mutter im Schulhort gebastelten Baumschmuck rauskramen und
aufhängen. Danach noch einen Märchenfilm gucken – das ist Weihnachten in
einem friedlichen Land für ein Kind, das einfach nur Kind sein darf. Am
selben Tag meldet die Nachrichtenagentur KNA, dass Unions-Politiker [1][die
Forderung des Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck] nach Aufnahme von
Flüchtlingskindern aus griechischen Lagern „strikt ablehnen“.
Habeck hatte in einem Interview mit [2][der Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung] angesichts der mit 40.000 Menschen heillos überfüllten
Lager auf den griechischen Inseln und den schlimmen Verhältnissen dort
gefordert: „Holt als Erstes die Kinder raus.“ Schnelle Hilfe sei für die
viertausend Mädchen und Jungen ein „Gebot der Humanität“. Habeck betonte,
Deutschland müsse handeln, auch wenn andere in der Europäischen Union nicht
mitmachten. Es gehe um „viele Mädchen, viele zerbrechliche kleine
Menschen“.
„Auch wenn es Zehntausende sind?“, lautete die bange Nachfrage des
FAS-Journalisten. Es war nun an Habeck, die Pflichten der Bundesrepublik
Deutschland zu erklären. 2016 nämlich hatte diese im Europäischen Rat
zugesagt, mehr als 27.000 Menschen aus den Lagern in Griechenland und
Italien aufzunehmen. Diese Zusagen, sagte Habeck, „sind nach meinem
Kenntnisstand nicht erfüllt“. Zudem gebe es aus mehreren Bundesländern
Angebote, die Kinder aufzunehmen.
Es ist mehr als problematisch, wenn deutsche (!) PolitikerInnen mal
erklären sollen, warum in Lagern (!) wartende Kinder eben nicht gerettet
werden sollten vor den Zumutungen und Anfechtungen eines solchen – nun ja:
Lebens? Sprechen wir es doch einmal aus: Es geht um Kinder, die schon ein
Darmkeim, eine nicht behandelte Wunde das Leben kosten kann, während
deutsche Politiker lieber vor übereilten Entscheidungen warnen, um sich
anschließend in den Weihnachtsurlaub zu begeben.
Vorne dran mit den schlechtesten Ausreden sind Politiker der Parteien mit
dem C im Namen. Der Parlamentarische Staatssekretär im
Bundesinnenministerium Stephan Mayer (CSU) erklärte denn auch, die
Bundesregierung lehne einen „Alleingang“ ab. Der CDU-Innenpolitiker und
Bundespolizist Armin Schuster warnte vor „unkalkulierbaren Folgen“. Selbst
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) findet: „Den Kindern kann und muss
am schnellsten und wirksamsten vor Ort geholfen werden.“
Es sind faustdicke Lügen und halbgare Ausreden, für die sich ihre
Verursacher noch lange sehr schämen werden. „Alleingang“, „unkalkulierba…
„vor Ort helfen“ – die Angst vor dem Wutbürger und seinen
fremdenfeindlichen Handlangern ist mittlerweile mächtiger geworden als
[3][die Stimme des Gewissens] zur Nächstenliebe.
Als auf meinem Handy ein Foto meiner Enkeltochter neben dem krummsten und
deshalb unbedingt nach Hause zu bringenden Weihnachtsbaum aufploppte, fand
in Berlin die Regierungspressekonferenz statt. Gefragt nach der Haltung zu
Habecks Appell, antwortete die Sprecherin, die Bundesregierung schließe
einen deutschen Alleingang aus. „Wir suchen für die Zukunft nach einer
europäischen Lösung.“ Und weiter: „Deutschland kann das nicht im
Alleingang.“ Es gibt viele Dinge, die wir später einmal unseren Kindern und
Enkeln erklären werden müssen. Die Schuld gegenüber den in Griechenland
leidenden Flüchtlingskindern am Ende des Jahres 2019 gehört jetzt schon
dazu.
23 Dec 2019
## LINKS
[1] /Wenige-Visa-fuer-Familiennachzug/!5647600
[2] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/menschenrechtsbeauftragte-schut…
[3] /Studierende-sammeln-Kleidung/!5644997
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Griechenland
Flüchtlingslager
Kinder
Bundesregierung
Robert Habeck
Flüchtlingslager
Migration
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Flucht
Familiennachzug
Schwerpunkt Türkei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Generalstreik auf griechischen Inseln: Protest gegen überfüllte Lager
Behörden und Geschäfte auf Lesbos, Chios und Samos haben am Mittwoch die
Arbeit niedergelegt, um sich gegen überfüllte Flüchtlingslager zu wehren.
Aufnahme von Geflüchteten in Hamburg: Ein bisschen Herz für Kinder
SPD und Grüne stimmen plötzlich zu, minderjährige Geflüchtete aufzunehmen.
Im Dezember lehnten sie einen Antrag der Linken noch ab.
Freundschaft über Generationengrenzen: In deinen Augen
Sich selbst finden, zwischen der Familie und neuer Autonomie? Eine
geflüchtete junge Frau macht sich auf die Suche. Eine ältere Freundin
hilft.
Spenden für Flüchtlinge in Griechenland: „Wir hören nicht auf“
Ein Unternehmer aus Bad Freienwalde will Flüchtlingen in Griechenland
helfen. Sein Facebook-Aufruf hat eine Welle der Hilfsbereitschaft
ausgelöst.
Wenige Visa für Familiennachzug: Regierung lässt Familien warten
Geflüchtete, die Kinder oder Partner zu sich nach Deutschland holen wollen,
brauchen Geduld. Nicht mal 1.000 Anträge pro Monat werden bearbeitet​.
Kämpfe in Libyen: Erdoğans neuer Kriegsschauplatz
Die Türkei will dem Vorrücken von General Haftar in Libyen nicht länger
zusehen. Erdoğan will nun auch Kampfpanzer in das Land schicken.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.