| # taz.de -- Das Vermögen der Millionäre: Versteckter Reichtum | |
| > Die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wird in Deutschland angeblich | |
| > kleiner, besagt eine Studie. Dabei kann man das kaum erheben. | |
| Bild: Hinter fiskalischen Hecken versteckt: der deutsche Reichtum | |
| Jede Meinungsumfrage kommt zum gleichen Ergebnis: Die meisten Deutschen | |
| sind sich sicher, dass Arm und Reich auseinander driften und die | |
| [1][Schere beim Vermögen] größer wird. Doch diese gefühlte Ungerechtigkeit | |
| scheint gar nicht zu stimmen – behauptet zumindest das arbeitgebernahe | |
| Institut der deutschen Wirtschaft (IW) [2][in einer neuen Studie]. Es sei | |
| reine Einbildung zu glauben, dass nur die Reichen reicher würden. In | |
| Wahrheit sei die Vermögensungleichheit in den vergangenen zwanzig Jahren | |
| konstant geblieben – und sogar leicht gesunken. | |
| Die IW-Ergebnisse müssen überraschen, denn sie scheinen nicht zur realen | |
| Welt zu passen, in der die Immobilienpreise stark anziehen und die Börsen | |
| boomen. Aktionäre müssten doch eigentlich reicher werden, wenn ihre Aktien | |
| teurer werden. Wie lässt sich dieser Kontrast zwischen Wirklichkeit und | |
| Statistik erklären? | |
| Die IW-Studie zeigt einmal wieder, wie wenig Zahlen zu trauen ist. Es wird | |
| zwar bis auf die zweite Stelle nach dem Komma ausgerechnet, wie die | |
| Vermögen in Deutschland genau verteilt sind – doch diese Kalkulationen | |
| bewegen sich im luftleeren Raum. Man weiß nämlich fast nichts über den | |
| Reichtum in Deutschland. Es gibt nur Schätzungen, was die Reichen besitzen | |
| könnten. Die Vermögensstatistiken sind so lückenhaft, dass Billionen Euro | |
| im Nirwana verschwinden. | |
| Ein Beispiel: Eine der wichtigsten Erhebungen in Deutschland ist die | |
| „Einkommens- und Verbrauchsstichprobe“ des Statistischen Bundesamts. | |
| Haushalte mit einem Nettoeinkommen von monatlich mehr als 18.000 Euro | |
| werden nicht befragt. Die Statistiker mussten die unerfreuliche Erfahrung | |
| machen, dass Vermögende dazu neigen über ihr Vermögen zu lügen. Es ist also | |
| leider keine statistische Petitesse, dass alle Haushalte fehlen, die auf | |
| ein Nettoeinkommen von mehr als 18.000 im Monat kommen. Sie machen zwar nur | |
| maximal ein Prozent der Bevölkerung aus – aber dort sammelt sich das | |
| Vermögen. | |
| ## Mehr als Schätzungen gibt es nicht | |
| Da die Daten so lückenhaft sind, haben Forscher vom Deutschen Institut für | |
| Wirtschaftsforschung (DIW) kürzlich einen Umweg genutzt: Sie haben die | |
| Reichen-Listen im Manager-Magazin und bei Forbes studiert, um das Vermögen | |
| der deutschen Millionäre und Milliardäre zu erforschen. Heraus kam, dass | |
| das reichste eine Prozent etwa ein Drittel des Volksvermögens besitzen | |
| dürfte. Die reichsten zehn Prozent der Deutschen kommen auf 63 bis 74 | |
| Prozent des Besitzes. Für den großen Rest der Bevölkerung, die unteren 90 | |
| Prozent, bleibt fast nichts mehr übrig. | |
| Die Listen von Forbes und des Manager-Magazins haben zwar enorme | |
| methodische Mängel, weil sie nur auf Schätzungen basieren – und zudem | |
| geheim bleibt, wie die publizierten Milliarden ermittelt werden. Aber | |
| bessere Statistiken gibt es nicht. | |
| Das ist kein Zufall. Die Vermögenden haben stets ihre gesamte Lobbymacht | |
| eingesetzt, um sinnvolle Erhebungen zu verhindern. Schon vor Jahrzehnten | |
| witzelte der Spiegel, das Statistische Bundesamt dürfe nur „ausgewählte | |
| Obstkulturen, abgemagerte Schlachttiere und die Freunde des deutschen | |
| Männergesangs akribisch aufzählen“. An diesem Datenmangel hat sich bis | |
| heute nichts geändert. | |
| Abhilfe wäre einfach: Würde man eine [3][Vermögenssteuer] einführen, wäre | |
| sofort bekannt, wie reich die Reichen sind. Genau deswegen wird die | |
| Vermögenssteuer mit aller Macht verhindert – und stets behauptet, dass sich | |
| „der Verwaltungsaufwand nicht lohnen“ würde. | |
| Auch das Institut der deutschen Wirtschaft befindet sich in dieser | |
| Schleife: Mit seiner Studie will es belegen, dass eine Vermögenssteuer | |
| unnötig sei, weil die Ungerechtigkeit angeblich nicht steigt. Doch wie sich | |
| das Vermögen verteilt, würde man eben nur wissen, wenn es eine | |
| Vermögenssteuer gebe. | |
| 18 Dec 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Einkommensunterschiede-in-Deutschland/!5631472 | |
| [2] https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/beitrag/maximilian-stockha… | |
| [3] /Gewerkschaftstagung-des-DGB/!5634542 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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