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# taz.de -- Algerien nach der Wahl: Neuer Präsident, neue Gangart
> Nach der Wahl von Abdelmadjid Tebboune zum neuen Staatschef geht Algerien
> mit zunehmender Härte gegen die Protestbewegung vor.
Bild: „Nein“ zum neuen Präsidenten: Demonstrantinnen am Freitag in Algier
Tunis taz | Algerien hat einen neuen Staatschef – und die hartnäckig
aufbegehrende Protestbewegung neue Munition für beißenden Sarkasmus, womit
sie Algeriens neuem Präsidenten Abdelmadjid Tebboune den Amtsantritt nicht
versüßen dürfte. Nach der [1][umstrittenen Präsidentschaftswahl] waren am
Freitag landesweit abermals Hunderttausende Menschen gegen die immer
autoritärer agierende Staatsführung auf die Straßen gezogen, um ihrem Ärger
über den von Manipulationsvorwürfen überschatteten Urnengang Luft zu
machen.
Neuester Trend auf den Demonstrationen: Mehltüten aufreißen, um deren
Inhalt über den Köpfen der Protestierenden zu verteilen – eine Anspielung
auf die angebliche Verwicklung von Tebbounes Sohn Khaled in die sogenannte
Kokain-Affäre. Im Mai 2018 hatten algerische Zollbehörden im Hafen der
westalgerischen Stadt Oran 701 Kilo Kokain beschlagnahmt. Auf die
Internierung Kamel Chikhis, dem die Einfuhr des Kokains zur Last gelegt
wird, folgte eine beispiellose Verhaftungswelle gegen Politiker*innen und
Kinder hochrangiger Offizieller.
Auch Khaled Tebboune sitzt seit Juni 2018 in Haft. Er wird beschuldigt, den
Einfluss seines Vaters genutzt zu haben, um Chikhi eine Baugenehmigung zu
verschaffen. Auch Geldwäschevorwürfe stehen im Raum. Anfang Dezember musste
er zuletzt vor Gericht erscheinen – während sein Vater auf Wahlkampftour
war.
Algerische Karikaturist*innen dürften in den kommenden Wochen daher noch so
einige Anspielungen auf die Kokain-Affäre zum Besten geben. Dabei hat die
Protestbewegung derzeit wenig zu lachen. Denn der Wind im Land dreht sich.
Bereits seit Wochen zieht der Sicherheitsapparat die Daumenschrauben an,
doch in der vergangenen Woche gingen die Polizei und die vom Militär
kontrollierte Gendarmerie mit einer Aggressivität vor, die die Bewegung
seit Beginn der Proteste so noch nicht erlebt hat.
Nachdem es am Wahlabend vor allem in der Hauptstadt Algier und der
Berberregion Kabylei zu teils offener Gewaltanwendung von
Sicherheitskräften gekommen war, gingen am Freitag Einsatzkräfte der
Polizei mit Knüppeln und Tränengas gegen Protestierende in Oran vor.
Videoaufnahmen zeigen, wie Beamte auf am Boden liegende Menschen einprügeln
und Mengen an Tränengas versprühen.
Die Staatsführung scheint dem Spuk endgültig den Garaus machen zu wollen;
dabei beginnt sie in jenem Landesteil, in dem die Proteste den geringsten
Zulauf erhalten haben: in Westalgerien. Allein in Oran sollen 400 Menschen
verhaftet worden sein. Weitere rund 100 Menschen wurden in den Provinzen
Mostaganem, Aïn Témouchent und Tlemcen inhaftiert.
## Armeechef bremst Protestbewegung aus
Ausgelöst wurden die Proteste im Februar durch die [2][umstrittene
Präsidentschaftskandidatur] des altersschwachen Ex-Präsidenten Abdelaziz
Bouteflika. Nachdem sich dieser im April dem Druck der Massenproteste
beugte und [3][zurücktrat], übernahm Armeechef Ahmed Gaïd Salah das Ruder.
Seither versucht dieser, die friedliche Protestbewegung auszubremsen, die
Woche für Woche auf die Straße geht.
Bei der Wahl am Donnerstag war der als Vertrauter Gaïd Salahs geltende
Ex-Regierungschef Tebboune mit 58,1 Prozent zum Staatschef gewählt worden.
Legitimität hat er jedoch kaum, wurde der Wahlgang doch von Protestbewegung
und Opposition boykottiert. Die Wahlbehörde spricht zwar von einer
Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent, doch viele Wahllokale waren weitgehend
leer geblieben.
15 Dec 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Sofian Philip Naceur
## TAGS
Algerien
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Algerien
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Algerien
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