# taz.de -- Neue Landtagspräsidentin in Thüringen: Gesellschaftliche Brücken… | |
> In Erfurt wurde am Dienstag zum bundesweit ersten Mal eine | |
> Linken-Politikerin zur Landtagspräsidentin gewählt. Wer ist Birgit | |
> Keller? | |
Bild: Die neue Präsidentin des Thüringer Landtags, Birgit Keller | |
DRESDEN taz | In Thüringen übernimmt die Linke einen weiteren Erbhof der | |
CDU. [1][Auf der konstituierenden Sitzung] des am 27. Oktober neu gewählten | |
Landtages hat die bisherige Infrastruktur- und Landwirtschaftsministerin | |
Birgit Keller das Amt der Landtagspräsidentin von Birgit Diezel (CDU) | |
übernommen. Das Vorschlagsrecht steht nach der bisherigen Geschäftsordnung | |
des Thüringer Landtags der stärksten Fraktion zu, und das ist seit [2][der | |
Wahl] mit deutlichem Vorsprung die Linke. Keller wurde nun am Dienstag mit | |
52 Ja-Stimmen gewählt. Das sind sechs mehr als nötig gewesen wären. | |
Die 60-Jährige ist die erste von der Linken gestellte Landtagspräsidentin | |
in Deutschland. Das passt Politikern wie dem Thüringer FDP-Chef Thomas | |
Kemmerich nicht, der an alten Feindbildern festhält und die Entwicklung der | |
gewendeten PDS seit 1989 ignoriert. Er hatte angekündigt, seine kleine | |
FDP-Fraktion werde sich bei der Wahl der Stimme enthalten. | |
Denn die gelernte Elektromonteurin Birgit Keller trat bereits 1977 als | |
18-Jährige der SED bei und stieg über die Jugendorganisation FDJ bis zur | |
Mitarbeiterin der SED-Kreisleitung in Nordhausen auf. Zu allem Überfluss | |
erwarb sie über ein Fernstudium 1988 noch ein Diplom als | |
Gesellschaftswissenschaftlerin. | |
Eine beträchtliche Altlast in den Augen der Kommunistenhasser also, wäre da | |
nicht ihre zweite Laufbahn nach 1990. Bis 2012 betrieb sie nämlich als | |
selbständige Unternehmerin einen Tankanlagenservice in Sangerhausen. | |
Parallel dazu trainierte sie – wenn man so will – zehn Jahre lang als | |
Kreistagspräsidentin in Nordhausen schon für ihr neues, formal höchstes | |
Thüringer Amt als Landtagspräsidentin. | |
Das Direktmandat für den Erfurter Landtag schnappte ihr bis 2019 regelmäßig | |
Egon Primas weg, bis sie dieses Jahr mit 32,3 Prozent erstmals vor dem | |
CDUler lag. Eine solche Niederlage gegen Keller hatte Primas schon einmal | |
wegstecken müssen. 2012 hatte sie sich in der Landratswahl im Kreis | |
Nordhausen gegen ihn durchgesetzt. | |
## Den Einwohnerverlust konnte sie nicht stoppen | |
Landrätin blieb sie damals indes nur zwei Jahre, weil Ministerpräsident | |
Bodo Ramelow sie 2014 als Infrastruktur- und Landwirtschaftsministerin in | |
sein Kabinett holte. Eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, nicht nur wegen | |
der im waldreichen Thüringen ausgeprägten Schäden durch Sturm, Dürre oder | |
Borkenkäfer. Als Interessenvertreterin der Landwirtschaft lag Keller | |
manchmal quer mit dem von der Grünen Anja Siegesmund geführten Umwelt- und | |
Energieministerium. | |
Auch bei der besonders von ihren Linksparteifreunden in der Fraktion | |
forcierten Gebietsreform hatte sie es nicht so eilig. Indes hat auch die | |
Ministerin Keller trotz vorbildlicher Mobilitätsprojekte besonders in | |
ländlichen Räumen den Einwohnerverlust Thüringens nicht stoppen können. | |
Dennoch: Linken-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow hat gewiss recht, | |
wenn sie Birgit Keller als „über Parteigrenzen hinweg anerkannt und | |
geachtet“ bezeichnet. Sie gelte als verbindlich und fachlich kompetent, als | |
„gesellschaftspolitische Brückenbauerin“. Fähigkeiten, die für ein | |
moderierendes Präsidentinnenamt prädestinieren. | |
26 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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