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# taz.de -- Staatsanwalt vertickt Protest-Boote: Normaler Vorgang oder Rache?
> Die Kieler Anklagebehörde will Gummiboote versteigern. Mit ihnen
> blockierten Klima-Aktivist*innen im Juni die Ausfahrt eines
> Touristendampfers.
Bild: „Erhebliche Lagerkosten“: Die Staatsanwaltschaft will Schlauchboote d…
Neumünster taz | 285 Meter lang, Platz für 1.970 Passagier*innen und
814 Crewmitglieder: Die „MS Zuiderdam“ ist zwar nicht das größte
Kreuzfahrtschiff, das 2019 Kiel ansteuerte, zählt aber zur Spitzengruppe.
Am Pfingstsonntag sollte das Schiff unter holländischer Flagge wieder
auslaufen – lag dann aber stundenlang fest, weil rund 50 Mitglieder der
Gruppe „smash cruiseshit“ $(LB3487366:die Ausfahrt blockierten|_blank)$.
Unter anderem waren zwei Personen auf einen Kran gestiegen und wurden von
„Höhenrettern“ heruntergeholt.
Die Aktivist*innen wollten mit der Aktion auf den hohen
Energieverbrauch und damit die Schäden für das Weltklima durch den
Kreuzfahrttourismus hinweisen. Außerdem wollten sie dagegen protestieren,
dass Kiel zwar den Klimanotstand ausgerufen hat, aber dennoch die Zahl der
Kreuzfahrtschiffe im innerstädtischen Hafen ständig steigt. Die „Zuiderdam�…
bot sich als symbolisches Ziel besonders an, denn „das Thema dieses
Schiffes ist Venedig“, wie die Homepage des Eigners verrät. In Venedig
protestieren Menschen seit Jahren gegen die Kreuzfahrtriesen.
In Kiel endete die Blockade-Aktion in der Nacht zum Pfingstmontag. Die
Polizei nahm 46 Menschen fest und konfiszierte Boote, Paddel und weitere
Gegenstände. Einige der damals beschlagnahmten Schlauchboote und Paddel
sollen nun versteigert werden, teilte die Kieler Staatsanwaltschaft den
Besitzer*innen mit. Die Aktivist*innen protestieren: Da sie bereits
die Herausgabe gefordert hätten, sei die angedrohte Maßnahme „organisierter
Rechtsbruch oder Unterschlagung“, heißt es in einer schriftlichen
Stellungnahme der Gruppe. „Polizei und Staatsanwaltschaft brechen
herrschende Gesetze.“ Erst seien Beschlagnahmeprotokolle verweigert worden,
nun würden die Eigentumsrechte nicht anerkannt: Anstatt die Gegenstände
zurückzugeben, „reißt sich der Staat hier selbst das Zeug unter den Nagel�…
wird eine Aktivistin in der schriftlichen Stellungnahme zitiert.
Julia, eines der Mitglieder der Gruppe, sagte der taz: „Man stelle sich
vor, wir würden in die Asservatenkammer gehen und Sachen mitnehmen – das
wäre Diebstahl, man würde uns verklagen.“ Ärgerlich und unnötig sei, dass
Paddel verkauft werden: „Da sind durchaus höherwertige dabei, die die Leute
gern wieder haben würden.“ Offenkundig werde mit zweierlei Maß gemessen.
Nein, teilt der für den Fall zuständige Staatsanwalt Henning Hadeler auf
taz-Anfrage mit: „Die Aufbewahrung der Boote erfolgt bei einem
Privatunternehmen und verursacht nicht unerhebliche monatliche Kosten, die
im Falle einer Verurteilung möglicherweise von den Beschuldigten zu tragen
wären.“ Damit sei die „Notveräußerung auch in ihrem Interesse“. Der Er…
würde – jedenfalls wenn ein Gericht die Boote nicht dauerhaft einzieht – an
die Eigentümer*innen ausgezahlt. Entsprechend sei es sinnvoll, die
hochwertigen Paddel gemeinsam mit den Booten zu versteigern: Das erscheine
erfolgversprechender und bringe einen höheren Erlös.
Tatsächlich verkauft die Staatsanwaltschaft konfiszierte Gegenstände
routinemäßig – sogar, wenn es um Lebewesen geht, wie ein Prozess in Kiel
gegen eine Staatsanwältin zeigt. Die Frau, die im Ressort Tierschutz tätig
war, hatte die von ihr beschlagnahmten Pferde, Hunde oder Rinder verkauft,
ohne die Besitzer*innen zu informieren $(LB3722850:(taz
berichtete)|_blank)$. Da es keine Chance auf Rechtsmittel gab, wird ihr
Amtsmissbrauch vorgeworfen.
Im Fall der beschlagnahmten Boote und Paddel gab es eine rechtzeitige
Nachricht, dass der Verkauf geplant sei. Der Staatsanwalt weist die
Vorwürfe der Gruppe zurück: „Soweit die Voraussetzungen einer Herausgabe
von Gegenständen vorliegen, werden die Gegenstände auch herausgegeben
werden“, so Hadeler zur taz. Bisher habe aber nur eine Person einen Antrag
auf gerichtliche Entscheidung gestellt.
Aktivistin Julia erklärt: „Die Versteigerung hat noch nicht begonnen. Wir
überlegen, ob wir Rechtsmittel einlegen.“ Die Gruppe hofft parallel auf
Aktionen von Unterstützer*innen, die zum Beispiel Gebote auf die
Boote abgeben, Gegenstände an die Staatsanwaltschaft schicken oder „einfach
mal anrufen“ könnten.
Unklar ist laut der Staatsanwaltschaft noch, „ob und gegebenenfalls wann“
es zu einem Prozess gegen die Blockierer*innen kommt. Ihnen werden
Nötigung und Hausfriedensbruch vorgeworfen, damit drohen Geld- oder
Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. Dass besonders scharf gegen „smash
cruiseshit“ vorgegangen wird, um künftig ähnliche Aktionen zu verhindern,
verneint Hadeler: „Das wäre eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, für die die
Staatsanwaltschaft nicht zuständig ist.“
Die Gruppenmitglieder empfinden es anders. Der geplante Verkauf der Boote
„scheint eine Art Rache zu sein“, so die Aktivistin Julia. „Nach dem Mott…
Wir können eure Aktion nicht verhindern, aber jetzt nehmen wir euch die
Sachen weg.“
19 Dec 2019
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Blockade
Kiel
Kreuzfahrt
Schwerpunkt Klimaproteste
Protest
Schwerpunkt Klimaproteste
Kreuzfahrt
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