# taz.de -- Abbuchungen von Drittanbietern: Unser Jahr in der Warteschleife | |
> An Weihnachten erklären Kinder den Eltern traditionell ihre Smartphones. | |
> Wenn dann noch Sony und die Telekom dazukommen, wird es gemütlich. | |
Bild: „Die Sache beginnt unauffällig, an Weihnachten nämlich“ | |
Die Sache beginnt unauffällig, an Weihnachten nämlich. Ich habe schon | |
einige Tage Familienfest hinter mir und werde nicht hellhörig, als mein | |
Vater erzählt, die Telekom habe einfach so 145 Euro von seinem Konto | |
abgebucht, für nichts, sieh mal. [1][Er wedelt mit einer | |
Mobilfunkrechnung,] darauf vier Einmalzahlungen, getätigt am 12. 11. 2018 | |
zwischen 9.54 und 10.06 Uhr. Er habe sich das Geld aber bei der Bank | |
zurückgeholt. | |
Außerdem sei er bei der Verbraucherzentrale gewesen, die hätten ihm gesagt, | |
er sei im Recht: Die Telekom, hieß es, hätte nur dann Leistungen eines | |
Drittanbieters berechnen dürfen, wenn dieser vorher über Kosten, das | |
Abbuchungsintervall und die Kündigungsmöglichkeiten informiert habe. Er | |
solle dringend SMS- und Sonderdienste von fremden Anbietern sperren lassen. | |
Ich verstehe nur Bahnhof. Mein Vater und sein Smartphone, eine | |
unglückselige Geschichte, ich sage aha und esse ein Plätzchen. | |
Ein paar Wochen später höre ich genauer zu. Da erzählt mein Vater, 80, er | |
habe einen Brief an Sony Entertainment in London geschrieben. Er fragt die | |
Firma, was er angeblich bei ihr gekauft habe. Auch der Telekom schreibt er | |
Briefe, in denen er begründet, warum es sich bei der Rechnung um einen | |
Irrtum handeln muss. Sony Entertainment antwortet nicht, die Telekom | |
schickt Mahnungen. | |
Ich versuche zu helfen und rufe im Callcenter der Telekom an. Der | |
freundliche Mitarbeiter teilt mit, die Telekom sei nur der Rechnungsleger. | |
Wir müssten uns mit Beschwerden an Sony wenden. Im Callcenter von Sony | |
Entertainment tippt eine Mitarbeiterin darauf, jemand habe das Handy meines | |
Vaters gekapert. Was genau an diesem Novembermorgen gekauft worden sei, | |
könne sie nicht nachverfolgen, aber es sei sicher etwas im Zusammenhang mit | |
seiner Playstation. | |
## „Jetzt wird es leider ernst“ | |
„Was ist das denn?“, fragt mein Vater. „Egal“, sagt der Enkel, „hast … | |
nicht.“ Im April erstattet mein Vater schließlich Strafanzeige bei der | |
Polizei. Er hat nämlich einen Verdacht: In einem Telekom-Laden hat er einem | |
Verkäufer – „der war sehr nett“ – mal sein Handy gegeben, weil „das … | |
wieder nicht funktionierte“. Zeitlich, meint er, könne das hinkommen. | |
Ende Mai schickt die Telekom eine weitere Mahnung und schreibt: „Jetzt wird | |
es leider ernst: Wir bitten Sie ein letztes Mal, unsere Gesamtforderung | |
auszugleichen.“ Es könne doch nicht sein, meint meine Mutter, dass niemand | |
darüber Auskunft geben könne, was für die 145 Euro an wen geliefert worden | |
sei. | |
Ich finde, da hat sie recht. | |
Ich rufe noch mal im Sony-Callcenter an. Ein netter junger Mann fragt mich | |
nach der hinterlegten E-Mail-Adresse des Playstation-Accounts und notiert | |
unsere Handynummern. Nachdem ich ihm den Fall länglich erklärt habe, | |
schlägt er vor, am besten werde mich wohl mal die Buchhaltung von Sony | |
Entertainment direkt anrufen. Er gibt mir eine 12-stellige | |
Bearbeitungsnummer, damit das Callcenter meinen Fall bei einem erneuten | |
Anruf sofort aufrufen kann, und ich nicht immer die ganze Geschichte | |
erzählen muss. Das klingt gut. | |
Am 11. Juni hat mich die Buchhaltung noch immer nicht angerufen. Also rufe | |
ich wieder im Callcenter an (ich habe zum Glück nur eine Halbtagsstelle). | |
Frohgemut nenne ich die Bearbeitungsnummer. Wie denn die hinterlegte | |
E-Mail-Adresse des Playstation-Accounts laute, fragt die smarte junge Frau | |
am Telefon. Ich erzähle ihr die ganze Geschichte. Ich frage sie, warum mich | |
die Buchhaltung nicht angerufen hat. „Darüber haben wir Sie per Mail | |
informiert“, sagt sie. An welche Adresse sie die Mail geschickt habe, frage | |
ich. An die hinterlegte Mailadresse Ihres Playstationaccounts. Ich schreie, | |
dass es diese Adresse nicht gibt, weil es keinen Account und keine | |
Playstation gibt. „Ach so“, sagt die Dame pikiert, „dann ist das das | |
Problem. Das wusste der Kollege ja nicht, der die Mail abgeschickt hat.“ | |
## Ruhig bleiben! | |
[2][Wieder geht mein Vater zur Verbraucherzentrale, die ihm rät, ruhig zu | |
bleiben.] Macht er aber nicht, er regt sich furchtbar auf, vor allem, weil | |
im Juli ein Schreiben des Deutschen Inkasso-Dienstes aus Hamburg eintrifft. | |
„Sie haben Ihre Rechnung/en bei der Firma Telekom Deutschland GmbH nicht | |
pünktlich bezahlt. Das kann passieren!“ Um weitere Kosten zu vermeiden, | |
„zahlen Sie einfach den Betrag von 221,79 Euro“. | |
Eine Nachfrage bei der Polizei, die Sachbearbeiterin ist im Urlaub. Weitere | |
Briefe, Anrufe, Callcenter-Warteschleifen. Der Herbst kommt, und mit ihm | |
ein neues Schreiben des Deutschen Inkasso-Dienstes. „Guten Tag, in Kürze | |
wird Sie ein Außendienstmitarbeiter unseres Hauses vor Ort besuchen.“ | |
Großes Entsetzen bei den Betroffenen. Jetzt reicht es. | |
Ich rufe in den Pressestellen an, von Sony, der Telekom. Das ist | |
Betroffenheitsjournalismus, das macht man nicht. Ich aber jetzt doch. Die | |
Auskünfte per Telefon sind länglich, uninformativ und „selbstverständlich | |
nicht zur Veröffentlichung bestimmt“. Um es zusammenzufassen: Der | |
zuständige Sprecher von Sony Interactive Entertainment teilt mit, nur die | |
Telekom verfüge über die nötigen Informationen. | |
Der Telekom-Sprecher informiert, man erhalte die Daten von Sony. Ich setze | |
die beiden über ihre Aussagen in Kenntnis und dass es sich bei dem | |
betroffenen Kunden um meinen Vater handelt. Aha, ach so, müssen wir | |
recherchieren, danach sind beide nur noch sporadisch erreichbar. Ende | |
Oktober liegt ein Brief der Telekom im elterlichen Briefkasten: Aus | |
Kulanzgründen werde man auf die Forderungen verzichten. | |
Danach ist mein Ansprechpartner nicht mehr erreichbar, weder telefonisch | |
noch per Mail. Ich schicke einen Fragenkatalog an die Sammeladresse der | |
Telekom-Pressestelle. Welche Leistungen oder Produkte wurden vom Handy | |
meines Vaters bestellt? An wen wurden sie geliefert? Warum hat die Telekom | |
auf ihre Forderungen verzichtet? Prüft die Telekom, bevor sie | |
Inkassodienste einschaltet, die Rechtmäßigkeit von Forderungen von | |
Drittanbietern? Wie oft hat die Telekom 2018 und 2017 Inkassodienste | |
eingeschaltet, um Forderungen von Drittanbietern durchzusetzen? | |
## Kulanz, schon klar | |
Nach ein paar Tagen die Antwort: „Wenn unsere Kunden Leistungen eines | |
Drittanbieters nutzen, erhalten wir darüber einen Nachweis, anhand dessen | |
die Rechnungstellung an den Kunden erfolgt. Die Datenspeicherung dazu | |
erfolgt jeweils für 6 Monate. Informationen zu den Leistungen sind danach | |
nicht mehr zugänglich. Nach unseren Unterlagen wurden von unserem Kunden | |
über einen Drittanbieter Leistungen in Anspruch genommen. Der | |
Leistungsnachweis des Drittanbieters liegt dem Kunden vor. Der Kunde | |
erkennt diesen nicht an. Aus Kulanz hat unser Service-Mitarbeiter dem | |
Kunden eine Gutschrift erteilt. Die Forderung wurde aus dem | |
Inkassoverfahren zurückgezogen. Ich hoffe, diese Informationen helfen Ihnen | |
weiter.“ | |
Die abschließende Mail von Sony Interactive Entertainment Europe Limited | |
lautet: „Leider konnten wir aufgrund des Alters der Transaktionen keine | |
Einkäufe in unserem System finden, die über die Mobiltelefonnummer getätigt | |
wurden.“ | |
Die Polizei hat die Anzeige nach einem halben Jahr an die zuständige | |
Staatsanwaltschaft übergeben. Dort „dauern die Ermittlungen an. Weitere | |
Angaben können aus ermittlungstaktischen Gründen bis auf Weiteres nicht | |
erteilt werden.“ | |
Klingt spannend. | |
23 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Verbraucherschuetzerin-ueber-5G-Netze/!5581084/ | |
[2] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/digitale-welt/mobilfunk-und-festn… | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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