Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schwester über ermordete Journalistin: „Daphne könnte heute noc…
> Corinne Vella, Schwester der 2017 ermordeten Journalistin Daphne Caruana
> Galizia, erhebt schwere Vorwürfe gegen die maltesische Regierung.
Bild: Proteste in Malta: Die Eltern der getöteten Journalistin Daphne Galizia …
taz: Frau Vella, Maltas Premier Joseph Muscat hat wegen der Ermittlungen im
Fall des Mordes an Ihrer Schwester seinen Rücktritt angekündigt. Ihrer
Familie reicht das nicht. Weshalb?
Corinne Vella: [1][Muscat seinen Rücktritt als Premierminister zwar
angekündigt], aber gleich wieder verschoben. Er hat dies getan, um sich
selbst und seinen Kabinettschef Keith Schembri weiterhin vor den
Mordermittlungen zu schützen. Es gibt keine andere Erklärung dafür.
Deshalb ist es unerträglich, dass er weiter im Amt bleibt. Seine Rolle bei
der Untersuchung der Ermordung meiner Schwester war vollkommen
rechtswidrig. Bis zu seinem Rücktritt wird Daphnes Familie alle
Rechtsmittel ausschöpfen, um sicherzustellen, dass Muscat als möglicher
Verdächtiger nicht weiter an den Ermittlungs- und Strafverfahren beteiligt
ist – außer als möglicher Verdächtiger.
Seit Langem gab es Indizien, dass Kabinettschef Keith Schembri in den Mord
an ihrer Schwester verwickelt ist. Doch der Premier Muscat hält bis jetzt
an ihm fest. Was glauben Sie, warum?
Muscat hat nicht nur an Schembri festgehalten, sondern offensichtlich auch
alles getan, um ihn zu schützen. Die Ermittlungen haben sich sehr lange
hingezogen, die Vermutung liegt nahe, dass es da direkte Einflussnahme gab.
Wie soll der Regierungschef Einfluss auf die Ermittlungen genommen haben?
Als es Briefings zu den Mordermittlungen gab, hat Muscat Schembri daran
teilnehmen lassen, obwohl dieser ein Verdächtiger ist. Medien haben
berichtet, dass Schembri Zugang zu internen Informationen über die
Ermittlungen hatte. Und es gibt Berichte, dass Schembri versucht hat, einen
inhaftierten Zeugen zu beeinflussen, indem er ihm über ihren gemeinsamen
Arzt Nachrichten zukommen ließ.
Muscat wusste das. Es ist eine absolut verrückte Situation, dass der
Premier Macht über das Verfahren hat und gleichzeitig mit einem der
Hauptverdächtigen verbunden ist. Als Daphne 2015 Schembris und Mizzis
Briefkastenfirmen in Panama aufdeckte, hätte Muscat die beiden zum
Rücktritt zwingen müssen. Doch er ließ sie in ihren Ämtern und verteidigte
Schembri sogar mit den Worten, dieser sei „ein Mann von Integrität“. Er
schützte ihn vor und nach dem Mord an meiner Schwester.
Ihre Schwester Daphne hat Indizien für einen Korruptionsskandal gesammelt,
in den Schembri, der Energieminister Konrad Mizzi und Muscat verwickelt
sein sollen und der im Zentrum der Ermittlungen steht. Was ist dabei
geschehen?
Schon vor der Wahl 2013 haben sich Schembri, Mizzi und Muscat für den Bau
eines Gaskraftwerks auf Malta eingesetzt, an dem übrigens Siemens als
Konstrukteur und Miteigentümer beteiligt ist. Muscat wurde damals mit zwei
Versprechen gewählt: billigere Stromrechnungen und saubere Luft. Er wollte,
dass das Gaskraftwerk gebaut wird – und davon wohl nicht nur in Form von
Wählerstimmen profitieren.
In der Nacht auf Montag, als Muscat eine Rede hielt, bezog er sich auf das
damalige Wahlversprechen. Er sagte: „Wir haben euch billigere
Stromrechnungen verschafft.“ Damit hat er sich ohne jede Scham auf das
Unternehmen bezogen, das an dem Mord an Daphne beteiligt war.
Denn wie aus [2][Recherchen von Daphne] und einem Netzwerk weiterer
Journalisten hervorgeht, flossen an Mizzis und Schembris Briefkastenfirmen
offensichtlich Millionenzahlungen von dem Miteigentümer an dem Kraftwerk –
dem Mann, der nun wegen Mordes an Daphne angeklagt ist.
Dabei handelt es sich um den maltesischen Unternehmer Yorgan Fenech. Der
wurde vor zehn Tagen verhaftet und hat daraufhin Keith Schembri schwer
belastet. Was genau hat er ausgesagt?
Es gab offenbar eine eidesstattliche Erklärung. Aber über den Inhalt wissen
wir nichts Genaues, weil es keinen offiziellen Kanal gibt, über den der
Staat seine Bürger über den Stand der Ermittlungen informiert. Gibt es
Beweise? Wir wissen es nicht. Muscat sitzt in seinem Büro und spricht nur,
wenn es ihm passt. Wir sind auf das angewiesen, was die Medien
herausfinden.
In der vergangenen Woche ist über diese Medien viel Neues über den Mord
bekannt geworden. Was sind für Sie die wichtigsten offenen Fragen?
Was braucht es noch, damit Muscat geht und ein Ermittlungsverfahren gegen
ihn eingeleitet wird? Wann wird Schembri wegen Korruption angeklagt?
[3][Seine Panama-Geschäfte] haben Maltas Finanzermittler schon vor Jahren
dokumentiert. Wäre Schembri damals angeklagt worden, würde Daphne heute
noch leben.
Und was ist das Wichtigste, was die Ermittler herausfinden müssen?
Es ist sehr wichtig, dass sie die Ermittlungen bis zum Ende führen, egal
gegen wen es dabei geht, und dass es dann echte Konsequenzen gibt. Die
Ermittlungen deuten auf eine Beteiligung des Premierministers hin und das
ist sehr verstörend.
Wie ist es möglich gewesen, die Ermittlungen so lange zu blockieren?
Das weiß ich nicht. Aber es ist klar, dass es diese Behinderungen gab. Ich
kann nur spekulieren, auf welche Weise das geschah, man kann sicher Beweise
verstecken, Ermittler absetzen oder sie mit anderen Aufgaben lahmlegen.
Der Polizeichef etwa ist der fünfte seit dem Amtsantritt von Muscat 2014,
der ist nicht unabhängig, er ist vielmehr als großer Bewunderer Muscats
bekannt. Sein Vorgänger war angeblich „aus persönlichen Gründen“
zurückgetreten, und zwar just, als die Finanzermittlungsbehörde FIAT der
Polizei ihre Ermittlungsergebnisse zu Schembri an die Polizei geschickt
hatte.
Nach Recherchen von Daphne Galizia hat auch Muscats Frau Michelle eine
Briefkastenfirma. Welche Rolle spielt das?
Daphne hatte beschrieben, dass Muscat über ein Konto bei der Pilatus-Bank
auf Malta Bestechungsgeld in Höhe von gut einer Million Dollar an die
Briefkastenfirma seiner Frau Michelle in Panama überwiesen hatte. Das Geld
kam von der [4][aserbaidschanischen Herrscherfamilie] – als Gegenleistung
für Regierungsaufträge. Muscat hat dies als „größte Lüge der Geschichte�…
zurückgewiesen …
… der maltesische Untersuchungsrichter Aaron Bugeja hat diese Vorwürfe
untersucht und konnte keine Belege finden.
Ich kann zu dem Bericht nichts sagen, weil ich keinen Zugang dazu habe.
Die Söhne von Daphne Galizia haben am Dienstag bei Gericht beantragt, die
Ermittlungen auf Muscat auszuweiten. Warum?
Solange Muscat im Amt ist, kann die Polizei nicht wirksam gegen Schembri
vorgehen. Diese Situation ist völlig inakzeptabel. Wir sind die Familie des
Opfers. Warum sollten die Söhne und der Ehemann von Daphne zum Schutz ihrer
Rechte vor Gericht gehen müssen? Das ist die Pflicht des maltesischen
Staates.
Aber Muscat besteht darauf, als Chef der Exekutive des Staates zu bleiben.
Alles, was er gesagt hat, ist, dass er „in den Tagen nach“ der Wahl eines
neuen Parteivorsitzenden am 12. Januar als Premierminister zurücktreten
wird. Er sagt nicht, an welchem Tag. Er geht keine feste Verpflichtung ein.
Ich fürchte, dass er im Amt bleiben wird, wenn sein Nachfolger als
Parteichef jemand ist, mit dem er keinen Deal abschließen kann, um sich zu
schützen. Er sollte aus dem Amt entlassen werden.
Hat Sie das, was in den letzten Tagen bekannt geworden ist, überrascht?
Nein. Wir wussten alle, dass der Mord an Daphne mit ihrer Arbeit zu tun
hat.
Wie hat sich ihr Alltag verändert, seit Fenech verhaftet wurde?
Wir gehen jeden Abend zu den Demonstrationen, die ganze Familie. Meine
Eltern sind 81 Jahre alt und sie sind auch da. Bei der großen Demonstration
am Sonntag führten sie den Marsch mit an. Und seit Daphne getötet wurde,
müssen wir uns gegen die Propaganda aus dem Büro des Premierministers und
seiner Anhänger verteidigen.
Das EU-Parlament hat eine Mission nach Malta entsandt, um die
[5][Rechtsstaatlichkeit zu prüfen]. Diese will am Mittwoch auch die Familie
treffen. Ist das eine angemessene Reaktion der EU?
Ich bin zufrieden damit, dass es diese Mission gibt. Bemerkenswert aber
war, dass die Fraktion der Sozialdemokraten im EU-Parlament, zu denen auch
Muscats Partei gehört, erst einmal eine ausführliche Debatte in der Sache
haben wollte statt der Eilmission. Das ist in etwa so, als wenn das Haus
brennt und man sagt: „Moment, ich will erst mal den Boden fegen, bevor wir
die Feuerwehr rufen.“
Bräuchte es Neuwahlen oder gibt es jemand in der Regierungspartei PL, dem
sie zutrauen, Muscats Plaz einzunehmen und die Aufklärung zu Ende zu
bringen?
Muscat muss aus dem Amt und seine Partei sollte ihn daraus entfernen. Das
wird schwierig. Muscat hat seine Parteifreunde immer zur Gefolgschaft und
zu öffentlichen Solidaritätsbekundungen gezwungen. Wer auch immer ihm
nachfolgt, darf mit den ganzen Skandalen absolut nichts zu tun haben.
Gibt es denn so jemand?
Mir fällt keiner ein, aber es ist auch nicht meine Aufgabe, einen
Nachfolger zu suchen. Wir wollen Gerechtigkeit für Daphne, was immer dazu
nötig ist. Die Stabilität des Landes hängt daran. Solange es keine
Gerechtigkeit gibt, wird es keine Stabilität geben. Die Situation jetzt ist
jenseits von absurd. Sie ist ein Sicherheitsrisiko für ganz Europa.
Warum?
Malta ist ein EU-Staat. Wussten Sie, dass Muscat vorhatte, dem
Ratspräsidenten Donald Tusk im Amt nachzufolgen. Jemand mit einer solchen
Vergangenheit. Was wäre das für ein Signal an die Welt, ein Mann mit
kriminellen Verbindungen als Ratspräsident?
Wie, denken Sie, konnten die Mörder glauben, ein derartiges Komplott auf
einer so winzigen Insel dauerhaft geheim halten zu können?
Sie versuchen das rational zu erklären. Das ist nicht möglich. Nur die
Täter wissen, was sie sich dabei gedacht haben. Aber es ging sicher nicht
nur darum, Daphne zu töten. Die Autobombe war auch ein politisches Signal
an andere: „Wir stehen über dem Gesetz. Wenn du tust, was Daphne getan hat,
geht es dir genauso“, das war die Botschaft.
3 Dec 2019
## LINKS
[1] /Regierungskrise-in-Malta/!5642763
[2] /Journalistin-Daphne-Caruana-Galizia/!5456093
[3] https://www.icij.org/blog/2019/11/top-malta-resignations-linked-to-journali…
[4] https://www.occrp.org/en/thedaphneproject/maltese-taxpayers-losing-out-in-g…
[5] https://www.greens-efa.eu/de/artikel/press/malta-resolution/
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Daphne Caruana Galizia
Malta
getötete Journalisten
Schwerpunkt Korruption
Malta
Daphne Caruana Galizia
Malta
Daphne Caruana Galizia
Malta
Malta
Daphne Caruana Galizia
Daphne Caruana Galizia
## ARTIKEL ZUM THEMA
Korruption in Malta: Ex-Kabinettschef muss vor Gericht
Keith Schembri muss sich vor Gericht wegen Geldwäsche und Betrug
verantworten. Die Journalistin Galizia hatte ihn vor ihrer Ermordung der
Korruption beschuldigt.
Mordfall Daphne Caruana Galizia: Ermittlungen gegen Ex-Polizeichef
Der ehemalige Polizeichef Lawrence Cutajar soll Kontakt zu Verdächtigen
gehabt haben. Im Fall der ermordeten Journalistin wird nun gegen ihn
ermittelt.
Korruptionsbekämpfung in Malta: Eine zweifelhafte Karriere
Der Politiker Konrad Mizzi ist verwickelt in dubiose Geschäfte. Die
Entscheidung, ihn zum Vertreter Maltas in der OSZE zu ernennen, wurde nun
revidiert.
Neuer Regierungschef von Malta: Abela steht für das Establishment
Malta hat einen neuen Ministerpräsidenten: Robert Abela. Der hat Proteste
nach dem Mordfall Galizia einst „Provokation“ genannt.
Mordermittlungen auf Malta: Spirale in den Abgrund
Die Regierung soll in den Mord an der Journalistin Galizia verstrickt sein.
Korruption und Geldgier haben Maltas politische Kultur zerstört.
Regierungskrise in Malta: Muscat kündigt Rücktritt an
Mehrere Minister waren zurückgetreten, weil gegen sie im Mordfall Caruana
Galizia ermittelt wird. Auch Premier Joseph Muscat will nun sein Amt
niederlegen.
Mordfall Daphne Caruana Galizia: 450.000 Euro für die Tötung
Ein maltesischer Geschäftsmann hat für den Mord an der Journalistin Daphne
Caruana Galizia gezahlt. Das geht aus abgehörten Telefonaten hervor.
Rücktritt im Fall Daphne Caruana Galizia: Fingerzeigen im Kreis
Der Stabschef von Maltas Premier Muscat ist zurückgetreten. Er wurde mit
dem Tod der Journalistin Galizia in Verbindung gebracht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.