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# taz.de -- Streit um zwei Theater in Berlin: „Und wenn sie nicht gestorben s…
> …, dann spielen sie noch heute: Im Monbijoupark streiten zwei
> Märchentheater mit dem Bezirk Mitte und gegeneinander. Jetzt beginnt die
> Wintersaison.
Bild: Auch im Märchen geht es bisweilen heiß her…
Manche Märchen sind zu verrückt, um wahr zu sein – umso schlimmer, wenn sie
es dann werden. Etwa in Mitte. Hier kämpfen verfeindete Theatermacher
bereits zu Lebzeiten um ihr Erbe. Wer der Gute ist und wer der Böse, lässt
sich nicht so leicht erkennen.
Im Zentrum stehen das Monbijou-Theater und dessen Mogul Christian Schulz.
Es geht um Geld, Eigentum und undurchsichtige Organisation. Eigentlich
sollte am Donnerstagabend die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) darüber
abstimmen, ob Schulz mit seinem Betrieb im Monbijoupark weiterspielen darf.
Doch die Abstimmung wurde verschoben. Und damit kann die Saison für das
Theater an diesem Wochenende wohl beginnen.
Seit zwölf Jahren spielen Schulz und Ensemble im Zentrum Berlins gegenüber
dem Bodemuseum Theater zum Anfassen für Kinder ab vier Jahren, Familien und
Erwachsene. In den Sommermonaten wurden in den fliegenden Bauten einer
Amphitheaterkonstruktion Shakespeares Dramen aufgeführt.
Ein niedrigschwelliges, eher kunsthandwerkliches und beliebtes Angebot in
der Umgebung des Weltkulturerbes. Viele Märchenaufführungen in der
beginnenden Saison sind mit rund 100 Zuschauer*innen bereits ausgebucht,
die Tickets dafür kosten 5 bis 14 Euro. In der dazugehörigen Strandbar
tummeln sich Busladungen von Tourist*innen; sie finanziert den
Kulturbetrieb.
„Die Ideen von Christian Schulz sind einfach gut“, erklärt Anne-Sophie
Schäfer, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit und selbst
Theatermacherin, den wirtschaftlichen Erfolg dieser Kombination aus Theater
und gastronomischem Großbetrieb auf Flächen des Bezirks und der
Humboldt-Universität (HU). Laut Schäfer hängen 40 Mitarbeiter*innen an
der Wintersaison. Viele Wochen lang war indes unklar, ob sie auch beginnen
würde.
Denn die märchenhafte Erfolgsgeschichte erzeugte Konflikte. Der ehemalige
Freund und Mitstreiter von Schulz, David Regehr, hatte sich aus dem
Wirtschaftskomplex gelöst und mit dem künstlerischen Leiter Maurici Farré
sowie dem Schauspieler Matthias Horn in Form der „Märchenscheune“ zu
Jahresbeginn eine eigene Spielstätte durchgesetzt. Regehr monierte die
undurchsichtigen Finanzströme im Monbijou-Konglomerat und wollte selbst
mehr Geld, wie mehrere ehemalige Monbijou-Mitarbeiter*innen der taz
berichten.
Regehr forderte zudem die Umwandlung des Märchenbetriebs in eine
gemeinnützige gGmbH, was er bei der HU und der Bezirkspolitik auch
durchsetzte. Die BVV fasste am 20. Dezember 2018 einen Beschluss, wonach
der Betrieb umgestellt werden muss oder zu weichen hat. Bis dahin hatte das
Monbijou-Theater eine jährlich erneuerte Duldung bekommen.
Regehr gründete mit Horn und Farré eine gemeinnützige gGmbH, bewarb sich
bei der HU, bekam den Zuschlag und eröffnete die neue „Theater im
Monbijou-Park gGmbH“. Statt in einem Amphitheater spielte man auf einer
offenen Bühne. Regehr wollte auch die Märchensparte weiterführen: Die
„Märchenscheune“ wird daher in diesem Winter mit einem ganz ähnlichen
Programm am gleichen Standort mit den beiden Märchenhütten konkurrieren.
Ein skurriles Bild.
Aber es wird noch irrer. Regehr kehrte bereits nach dem ersten
Theatersommer der neuen gGmbH als Gesellschafter in den Schulz-Komplex
zurück. Die Sommerbespielung war in der neuen Konstellation offenbar
weniger erfolgreich verlaufen. Die in der neuen gGmbH verbliebenen Farré
und Horn bestehen indes auf dem Beschluss der BVV und ihren alleinigen
Nutzungsrechten des Geländes. Ihr kaufmännischer Leiter Frank Weber
schildert der taz: „Es scheint nicht vorstellbar, dass nun ein zumindest
nicht ganz legaler Vorgang legitimiert wird!“
Die Märchenhütten von Christian Schulz hätten laut Weber gar nicht
wiedereröffnet werden dürfen. Der BVV-Mehrheitsentscheid von Dezember 2018
sei verbindlich. Doch die alten Märchenhütten machen einfach weiter. Das
bestätigt Anne-Sophie Schäfer von der Gegenseite: „Über 10.000 Karten sind
verkauft.“
Die taz hat mit mehreren ehemaligen Mitarbeiter*innen aus dem
Monbijou-Theater gesprochen, die nicht namentlich genannt werden wollen.
Einhellig berichten sie davon, dass die anhaltenden Zwistigkeiten im
Wesentlichen ums Geld gingen. Noch zu Jahresbeginn 2019 hätten Schulz und
Regehr vor Clärchens Ballhaus, dem Tanzlokal im Firmenkomplex, öffentlich
einander aufs Derbste angeschrien. Die neuerliche Versöhnung sei erkauft.
Mehrere Ehemalige berichteten der taz, dass in der Gastronomie
regelmäßig Mitarbeiter*innen die Flucht ergreifen würden, und auch in
der Administration hielten wenige länger als ein halbes Jahr durch, die
Belastung sei hoch. Schulz wird von den befragten Ehemaligen zwar als
einigermaßen geradlinig und loyal beurteilt, aber als wenig sympathisch.
Doch es scheint, dass auch in diesem schwarzen Märchen eine alte
Volksweisheit gilt: „Es gibt viele zwischenmenschliche Probleme, und die
meisten davon können mit Geld gelöst werden.“ Insofern ist es Zeit, die
Liberalen zu fragen. Bastian Roet von der FDP-Fraktion in der BVV Mitte hat
die Spielstätten besucht und sich in die Materie eingearbeitet. Er sieht
die Gefahr, dass der Bezirk, sollte an dem letztjährigen Beschluss
festgehalten werden, um einen lebendigen Ort ärmer werden könnte. Auf
taz-Nachfrage schlussfolgert er: „Es scheint mir einfacher, jetzt die
menschlichen Hürden zu überwinden, als ein solch faszinierendes Umfeld noch
mal aufzubauen.“ Er meint, dass eine Koexistenz der beiden Streitparteien
möglich sein müsse.
Zur neuen Beschlussfassung der BVV äußert Roet, der auch Vorsitzender des
Ausschusses für Umwelt, Verkehr und Grünflächen ist, dass die Absichten des
Bezirks umgesetzt worden seien. Eine „erhöhte Transparenz bei den
Geldströmen“ sei mittlerweile gegeben.
Der Betrieb in der Wintersaison dürfte nun in einer rechtlichen Grauzone
stattfinden – wenn der Bezirk nicht doch interveniert. Gut möglich, dass
letztlich aber Gerichte die entscheidende Wende in diesem Märchen bringen.
Die Märchenhütten spielen seit Freitag unter anderem „Der Arme und der
Reiche“ nach den Brüdern Grimm. Die benachbarte neue Märchenscheune
eröffnet eine Woche später und bringt u. a. die Märchen „Rotkäppchen“ u…
„Der Tannenbaum“.
22 Nov 2019
## AUTOREN
Anselm Lenz
## TAGS
Berlin-Mitte
Junges Theater
Märchen
BSR
Goldmünze
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