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# taz.de -- 60 Jahre Sandmännchen: Es ist so weit
> 60 Jahre alt wird das Männchen mit der Zipfelmütze. Auch heute noch
> bringt es die Kleinsten ins Bett – inzwischen sogar per App.
Bild: Der Sandmann schickt seit 60 Jahren die Kinder ins Bett
Belehrung und Erbauung in zehn schnellen Minuten am Abend. Am Anfang und am
Ende der glockenhelle Kinderchor mit dem disparaten Universal-Plädoyer
jeden Kindes jemals: „Es ist noch nicht so weit“. Doch! Es ist so weit, ab
ins Bett! Wenn das Sandmännchen vorbei ist: Küsschen, Licht aus, schlafen.
DDR-Sozialisierte mögen sich erinnern an den ersten großen Schritt in die
Erwachsenenwelt: die Erlaubnis, bis zur zweiten Ausstrahlung wach bleiben
zu dürfen. Diese Verlängerung des Tages um eine Stunde war im Zweifelsfalle
hart erkämpfte und verdiente Freiheit. War nicht alles schlecht, wie der
Ostalgiker so sagt.
60 Jahre alt wird das Männchen mit der Zipfelmütze und dem Säckchen Sand im
Anschlag also. In Stop-Motion-Technik zeigten die kurzen Vorspänne der
Sendung mal mehr, mal weniger pädagogisch wertvolle Gutenachtgeschichten
des Ostfernsehens eine kindgerechte Aufbereitung sozialistischer Gegenwart
und Zukunft. Voller Hoffnung und Sonne, spannende Technologie und
Völkerfreundschaft inklusive. Das war ja wirklich nicht alles schlecht.
## In Deutschland wird um sieben geschlafen
Und so überlebte das Sandmännchen [1][sogar noch das Ende der DDR] und
bringt bis heute die Kleinsten ins Bett. Neben der Fernsehausstrahlung beim
MDR, dem RBB und dem Kinderkanal gibt es ihn inzwischen sogar als App. Das
Merchandising der trotz der Kürze der Sendungen recht teuren Serie
finanziert einen Teil der Produktionskosten. Versuche, das Format zu
exportieren, scheiterten regelmäßig. So deutsch, dass jeden Abend
gewissenhaft um sieben geschlafen wird, ist man anscheinend nur in, nun ja,
Deutschland.
Hier schaut man ja auch immer zur selben Zeit den „Tatort“, oder den
„Polizeiruf“, den anderen Klassiker des DDR-Fernsehens, der die Zeitenwende
nach dem Ende der Mauer überlebt hat. So schauen wir also in altersgerechte
Zielgruppen ausdifferenziert immer wieder Mord und Totschlag oder den
„lieben Sandmann“.
Blöd nur, dass die Vorfreude auf die allabendliche Wiederkehr des
Sandmännchens eben gleich wieder gebrochen wird durch das Wissen um den
unmittelbar folgenden Bettbefehl. Auch das ist selbstverständlich nicht
ohne erzieherischen Wert. Man kann schließlich nicht früh genug damit
beginnen, bei Kindern kognitive Dissonanzen zu erzeugen, sonst lernen die
ja nie mit der Tatsache umzugehen, dass das Leben nun mal eine miese
Kanaille ist, die sich einen Kehricht um deine Bedürfnisse schert.
22 Nov 2019
## LINKS
[1] /Checkpoint-Charlie-in-Berlin/!5637290
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Sandmännchen
DDR
Kinderfernsehen
Lesestück Recherche und Reportage
Punks
Kinderfernsehen
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