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# taz.de -- Humboldt-Ausstellung in Berlin: Nicht nur Helden
> Das Deutsche Historische Museum eröffnet eine Ausstellung über die
> Humboldt-Brüder. Diese werden historisch-kritisch in ihrer Zeit verortet.
Bild: Reisetagebücher von Alexander von Humboldt, zu sehen im DHM
Im öffentlichen Bewusstsein sind die Brüder Humboldt so etwas wie die
perfekten deutschen Helden. Wilhelm, der preußische Bildungsminister und
heute Namensgeber der Humboldt-Universität, steht für das Ideal von Bildung
als Programm der ständigen Vervollkommnung der Persönlichkeit, Alexander,
der Weltreisende und Naturforscher, für das vorurteilslose Streben nach
wissenschaftlicher Erkenntnis.
Frisch befeuert wurde die Heldengeschichte durch das Humboldt Forum, das
sich – aufgeschreckt durch die Diskussion über die Legitimität seiner
ethnologischen Objekte – mit der Idealisierung seiner Namensgeber ins
rechte Licht zu rücken suchte.
Diese schwärmerische Bild wird von der an diesem Donnerstag im Deutschen
Historischen Museum eröffnenden Ausstellung „Wilhelm und Alexander
Humboldt“ infrage gestellt. Zwar habe man bei der Recherche einige
„Reliquien“ entdeckt – etwa den Schreibtisch Alexanders, seine Brille,
seine Totenmaske – „und wir hätten damit auch eine weitere Heldengeschichte
schreiben können“, so Kuratorin Bénédicte Savoy, Kunsthistorikerin an der
TU und wohl bekannteste Kritikerin des Humboldt Forums.
Genau das habe man aber nicht gewollt: Ihr und ihrem Kollegen David
Blankenstein sei es um eine historisch-kritische Verankerung der Brüder in
ihrer Zeit gegangen – um den BesucherInnen ein Gefühl zu geben für die Zeit
um 1800, aber auch, um die Widersprüche in den Persönlichkeiten und
Lebenswegen der Humboldt-Brüder verständlich zu machen.
## Forscherdrang und Ausbeutung
Die Ausstellung geht daher in weiten Teilen nicht biografisch, sondern
anhand zentraler Themen vor. Im Kapitel „Offene Beziehungen“ etwa wird –
mit Zeichnungen, Briefen, Büsten und Gemälden – die Berliner Welt der
literarisch-philosophischen Salons dargestellt, in der die beiden jungen
Männer verkehrten und Wilhelm erste amouröse Erfahrungen machte (von
Alexander ist diesbezüglich nichts bekannt; heute nimmt man an, dass er
schwul war). „Es war uns auch wichtig, zu zeigen, dass die klugen, die
fortschrittlichsten Kreise in dieser Zeit die jüdischen waren“, erklärt
Savoy – was Wilhelm später nicht davon abgehalten habe, sich „von seinen
jüdischen Freunden zu distanzieren“ und sich antisemitisch zu äußern.
Im Themenblock „Ausweitung der Denkzone“ werden die Reisen der Brüder
behandelt – etwa anhand von Alexanders Reisetagebüchern. Für Wilhelms
weniger bekannte Europareise steht ein Bild seiner Familie, das Savoy und
ihr Co-Kurator in einem Museum im Baskenland gefunden haben, sowie ein
Cacolet, ein baskischer Sattel mit zwei Sitzen, ein Reiseutensil der
damaligen Zeit.
Dass diese Reisen – vor allem die Alexanders – nicht allein von
Forscherdrang angetrieben waren, wie heute vielfach dargestellt, belegen
viele Exponate: Proben von Sandgold etwa zeigten, so Savoy, dass „sammeln
nicht einfach sammeln ist“, sondern auch explorieren – um auszubeuten. Auch
eine von Alexander gemalte Weltkarte, die Metallströme illustriert,
demonstriert, warum er später – und damals durchaus positiv gemeint – als
„Vater des deutschen Kolonialismus“ bezeichnet wurde.
Das wohl berüchtigteste Sammelstück Alexanders ist übrigens nicht zu sehen:
der Atures-Schädel, den Alexander am Orinoco aus einer Grabhöhle raubte –
im vollen Bewusstsein des Unrechts, das er den „Indianern“ damit antat.
Stattdessen könnten die BesucherInnen einen Brief von Humboldt lesen an
seinen Lehrer Johann Friedrich Blumenbach, für dessen anthropologische
Studien er den Schädel mitnahm.* Diesen „geschändeten Kopf“ habe man nicht
ausstellen wollen, so Savoy. „Aber wir wollten trotzdem über die Geschichte
sprechen.“
* In einer ersten Fassung stand hier fälschlicherweise, es werde eine
Zeichnung des Schädels gezeigt.
21 Nov 2019
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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