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# taz.de -- Experte über „Demokratie leben“: „Die Probleme sind gewachse…
> Der Bund plant erneut 115,5 Millionen Euro für demokratiefördernde
> Projekte. Das ist zu wenig, sagt Josef Blank von der Gesellschaft für
> Demokratiepädagogik.
Bild: Für Demokratie, gegen rechte Hetze: auf der Unteilbar-Demo im August in …
taz am wochenende: Herr Blank, der Etat der Bundesregierung für
demokratiefördernde Projekte bleibt unverändert. Im kommenden Jahr sind
115,5 Millionen Euro [1][für das Programm „Demokratie leben“ eingeplant].
Warum ist das immer noch zu wenig?
Josef Blank: Weil die Herausforderungen und Probleme, vor denen wir stehen,
im gleichen Zeitraum in ungleich größerem Maße angewachsen sind. Wir haben
ein gesellschaftliches Klima, in dem sich rechtes Gedankengut und
Alltagsrassismus bis in Schulen und Bildungseinrichtungen hinein massiv
verstärkt haben, dazu kommen neue Themen wie Onlinemobbing und Hate Speech.
Deswegen sind alle Organisationen viel mehr Anfragen konfrontiert, zum
Teil mit doppelt so vielen wie früher. Der Mittelzuwachs von „Demokratie
leben“ reicht einfach nicht aus.
Wirken sich Zäsuren wie der rechtsextremistische und antisemitische
Anschlag in Halle auf Förderstrukturen aus?
Zäsuren führen zwar dazu, dass es kurzfristig eine intensivere Debatte in
Politik und Gesellschaft zu der Frage gibt, was man langfristig gegen die
Veränderungen des gesellschaftlichen Klimas tun muss. Wenn die öffentliche
Aufmerksamkeit dann abebbt, verschwinden diese Debatten aber auch schnell
wieder.
Wie kann eine nachhaltigere Demokratieförderung aussehen?
Sie bräuchte vor allem langfristige Strukturen. Momentan werden Projekte
zeitlich begrenzt gefördert, eine Folgeförderung ist nur möglich, wenn die
Projekte deutlich umgestaltet werden. Das heißt: Wir haben eine
Förderstruktur, in der gute Projekte entwickelt und erprobt werden, und
wenn sie funktionieren und man auch weiß, dass sie funktionieren, muss man
sie wieder verändern.
Und auf struktureller Ebene?
Brauchen wir auch eine Förderung von Organisationen und Strukturen. Weil
die Mitarbeitenden bei der Projektförderung nur für dieses eine Projekt
arbeiten dürfen, haben alle Organisationen große Probleme, das Personal zu
finanzieren, das darüber hinaus notwendig ist, um neue Projekte zu
entwickeln und die bestehenden zu verwalten. Das ist eine dauerhafte
Mangelwirtschaft.
Eine der Neuerungen von [2][„Demokratie leben“] ist die Einführung
sogenannter Partnerschaften für Demokratie, bei denen das ehrenamtliche
Engagement von Bürgerinnen und Bürgern gefördert wird.
Das ist unglaublich wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft,
ersetzt aber nicht ein professionelles, hauptamtliches und dauerhaftes
Engagement von Expertinnen und Experten. Eigentlich könnten sich diese
beiden Förderbereiche wunderbar ergänzen, momentan führt es aber leider
dazu, dass zwar viele punktuelle Projekte gestärkt werden, aber der
hauptamtliche Einsatz für die Demokratieförderung geschwächt wird.
Viele Organisationen kritisieren auch die geplante Verteilung der Gelder.
Anstatt an Bund und Länder soll künftig mehr Geld an die Kommunen gehen.
Welche Folgen könnte das haben?
Über die Vergabe dieser Fördertöpfe entscheidet ein Begleitausschuss in der
Kommune. Gut an „Demokratie leben“ ist, dass dieser Ausschuss überwiegend
zivilgesellschaftlich besetzt ist. Aber nichtsdestotrotz sind dort auch
Kommunalpolitikerinnen und -politiker eingebunden. An vielen Orten sehen
wir schon jetzt, dass es eine Angst davor gibt, die AfD gegen sich
aufzubringen. Die große Gefahr ist: Wenn das gesellschaftliche Klima in
einer Kommune schon kaputtgegangen ist, werden auch Förderentscheidungen
ängstlich getroffen.
Rassismus und Antisemitismus haben sich modernisiert und verbreiten sich
nicht zuletzt durch die digitale Vernetzung. [3][Muss sich auch die
Demokratieförderung modernisieren]?
Auf jeden Fall. Was wir brauchen, ist eine Struktur, in der wir
ausprobieren, was funktioniert – und dann die Möglichkeit, diese
erfolgreichen Projekte in die Breite tragen zu können. In meinem
Hauptarbeitsfeld Schule haben wir sehr viele engagierte Lehrerinnen und
Lehrer, die gute Demokratiearbeit machen. Aber das sind eben nur die, die
sich selbst um Weiterbildungen kümmern. Ob ein Kind in der Schule
tatsächlich Demokratie lernen und leben kann, hängt also vom Zufall ab. Um
die Demokratie flächendeckend zu fördern, brauchen wir also eine staatlich
sichergestellte Demokratiearbeit.
Was braucht es noch?
Wir müssen unsere Methoden und Projektansätze modernisieren, stärker in den
digitalen Raum gehen und auf Dialogarbeit setzen. Und wir brauchen
Fortbildungsinitiativen, müssen neue Zielgruppen erschließen. Pädagoginnen
und Pädagogen müssen lernen, wie sie mit demokratiefeindlichen Äußerungen
und Handlungen umgehen. Eine Mathelehrerin kann heute nicht mehr sagen:
Mir ist es egal, wenn sich ein Schüler rassistisch äußert oder den
Hitlergruß zeigt. Das ist nicht mein Fachgebiet. Auch von diesen
Lehrerinnen und Lehrern ist Grundrechteklarheit und ein Eintreten für die
Grundwerte gefragt. Sie haben das aber in ihrer Ausbildung nie gelernt,
höchstens, wenn sie Politik unterrichten. Die Demokratieförderungen kann
nicht mehr nur Aufgabe von Spezialisten sein, sondern muss Daueraufgabe
von allen Pädagoginnen und Pädagogen in allen Bildungseinrichtungen werden.
Seit zwei Jahren kämpfen einige Politiker*innen für ein
Demokratiefördergesetz. Heiße Luft oder Hoffnungsschimmer?
Wenn mit dem Demokratiefördergesetz tatsächlich eine langfristige
Finanzierung von Projekten und Strukturen möglich wird und wir endlich aus
diesem Teufelskreis von zeitlich begrenzter Projektförderung ausbrechen
können, dann wäre das ein wichtiger Meilenstein für die Demokratiearbeit.
16 Nov 2019
## LINKS
[1] /Programm-Demokratie-leben/!5642359/
[2] https://www.demokratie-leben.de/
[3] /Demokratiefoerderung-des-Bundes/!5638500
## AUTOREN
Pia Stendera
## TAGS
Demokratieprojekte
Demokratie
Zivilgesellschaft
Förderprogramm
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Das Milliardenloch
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