# taz.de -- Rechtsterroristische Umtriebe in Hessen: Viele Fragen, wenige Antwo… | |
> Die Opposition wirft Hessens Innenminister Beuth (CDU) eine „desaströse | |
> Informationspolitik“ zum Lübcke-Mörder vor. Kommt ein U-Ausschuss? | |
Bild: Zeigt sich wenig auskunftsfreudig: Hessens christdemokratischer Innenmini… | |
WIESBADEN taz | Wie konnte der hessische Verfassungsschutz den | |
[1][einschlägig vorbestraften Neonazi Stephan Ernst], den mutmaßlichen | |
Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, in den Jahren nach | |
2009 offenbar völlig aus den Augen verlieren? Diese Frage setzte die | |
SPD-Opposition am Mittwoch auf die Tagesordnung des Wiesbadener Landtags. | |
Am Wochenende hatte es dazu neue Irritationen gegeben, nachdem die | |
Landtagsfraktion der Linkspartei bislang geheime Erkenntnisse aus ihrer | |
Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss öffentlich machen durfte. Im Januar | |
2009 hatte danach der damalige Präsident des hessischen | |
Verfassungsschutzes, Alexander Eisvogel, am Rand eines internen Berichts zu | |
den rechtsextremistischen Umtrieben in Hessen handschriftlich zum Namen | |
„Stephan Ernst“ das Wort „brandgefährlich“ notiert. | |
Könnte Walter Lübcke noch leben, wenn die hessischen Behörden den Hinweis | |
des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten ernst genommen hätten? Das | |
wollte der Linksfraktionsgeschäftsführer Hermann Schaus wissen. | |
Zu dieser Frage sagte CDU-Innenminister Peter Beuth in der Landtagsdebatte | |
am Mittwoch – nichts. Und ebensowenig dazu, wie der Neonazi Ernst trotz des | |
Vermerks des seinerzeitigen Verfassungsschutzchefs vom Radar der | |
Sicherheitsbehörden verschwinden konnte. Warum die Personalakte von Ernst | |
2015 gesperrt worden war? Auch das wollte Beuth nicht beantworten. | |
Stattdessen appellierte er an die Oppositionsparteien, die Mordermittlungen | |
nicht zu gefährden und konstruktiv an der Aufklärung mitzuwirken. | |
Immerhin versicherte der Minister, dass der hessische Verfassungsschutz | |
weder mit dem Tatverdächtigen Ernst, noch mit seinem mutmaßlichen Komplizen | |
Markus H. je zusammengearbeitet habe. Beide Personalakten seien im Juli dem | |
Generalbundesanwalt übergeben worden, so Beuth. Aber welche Rolle spielte | |
der seinerzeitige Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme, [2][im | |
Zusammenhang mit dem NSU-Mord an Halit Yozgat] ist und [3][mit Stephan | |
Ernst „dienstlich befasst“ gewesen war]. Was ist mit dem ehemaligen V-Mann | |
Benjamin G., der mit Stephan Ernst über Temme gesprochen haben soll? Fragen | |
über Fragen. | |
## Parallelen zum NSU? | |
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Günter Rudolph warf dem Innenminister eine | |
„desaströse Informationspolitik“ vor. „Es gibt Parallelen zum NSU, es gab | |
und gibt eine vernetzte rechtsextremistische Szene in Nordhessen – und das | |
muss aufgeklärt werden“, sagte Rudolph. Er warf Beuth vor, immer nur so | |
viel zu verraten, wie bereits in den Zeitungen zu lesen war oder gezielt | |
von der Landtagsopposition erfragt werde. | |
Den Vorwurf, brisante Informationen zurückzuhalten, wies Beuth zurück. „Von | |
Blockade kann hier wirklich keine Rede sein.“ Er sage das, was er sagen | |
könnte, ohne das Ermittlungsverfahren im Mordfall Lübcke gefährden. Der | |
CDU-Innenpolitiker Holger Bellino sprang seinem Parteifreund bei und warf | |
der Opposition vor, ihr gehe es „nur um Skandalisierung und die persönliche | |
Diffamierung des Innenministers“. | |
„Wenn Aufklärung beabsichtigt ist, dann muss man sie auch offensiv | |
betreiben“, hielt der FDP-Abgeordnete Stefan Müller dagegen. Es sei eine | |
dringende Aufgabe des Landtags, mögliche Versäumnisse der hessischen | |
Behörden aufzuklären. | |
## Linksfraktion fordert Untersuchungsausschuss | |
Nur scheibchenweise und nur auf Druck gebe er Informationen preis, warf | |
auch der Linke Schaus dem christdemokratischen Innenminister vor. Das | |
Landesamt habe offenbar Informationen zur rechtsextremistischen Szene „im | |
hintersten Kellerraum weggeschlossen“, das Versagen der Behörden sei | |
offenkundig. | |
Bei möglicherweise islamistisch motivierten Taten gebe Beuth selbst bei | |
ungesicherter Faktenlage öffentliche Erklärungen ab, beim Rechtsextremismus | |
tauche er ab, empörte sich Schaus. Seine Forderung: ein neuer, zweiter | |
NSU-Untersuchungsausschuss. | |
Für einen erfolgreichen Antrag zur Einsetzung eines solchen | |
Untersuchungsauschusses braucht die Linksfraktion allerdings die | |
Unterstützung anderer Fraktionen. Ein Fünftel der Abgeordneten – also 28 – | |
müssen zustimmen. Ob die zusammenkommen, ist derzeit noch unklar. Aber | |
nicht unwahrscheinlich. | |
Denn klar ist: Mit den 29 Stimmen der SPD würde es dicke für einen neuen | |
U-Ausschuss zur Aufklärung rechtsterroristischer Umtriebe in Hessen | |
reichen. „Wir geben dem Minister noch eine letzte Chance, die Fragen von | |
sich aus zu beantworten“, sagte dazu SPD-Landtagsfraktionschefin Nancy | |
Faeser auf taz-Nachfrage. „Tut er das wieder nicht, bleibt uns gar nichts | |
anderes übrig“, so Faeser. | |
31 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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