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# taz.de -- Linken-Politikerin über Stress: „Dann mache ich keine gute Arbei…
> Weil zwei Abgeordnete Schwächeanfälle erlitten, klagt Anke Domscheit-Berg
> über Überlastung im Parlament. Eine Verkleinerung des Bundestags sei
> fatal.
Bild: Anke Domscheit-Berg während einer Rede im Bundestag.
taz: Frau Domscheit-Berg, am Donnerstag haben zwei Abgeordnete im Plenum
Schwächeanfälle erlitten, darunter ihre Fraktionskollegin Simone
Barrientos. Wie geht es ihr?
Anke Domscheit-Berg: Es soll ihr den Umständen entsprechend besser gehen,
es scheint nichts gravierendes zu sein.
Sie haben daraufhin [1][auf Twitter] über die Arbeitsbelastung im Bundestag
geklagt. War das bisher ein Tabuthema?
Absolut. Ich bin gewarnt worden, überhaupt darüber zu reden und auch schon
von einigen Abgeordneten dafür geschimpft worden, weil es doch nur einen
Shitstorm ergebe. Aber ich bin auch von vielen Abgeordneten der
demokratischen Parteien angesprochen worden: Endlich hat es mal eine
gesagt.
Auf Twitter haben Sie geschrieben, die Arbeitsbedingungen im Bundestag
seien menschenfeindlich. Was müsste geschehen, damit sich das ändert?
So ein Kreislaufkollaps hat möglicherweise mit Dehydrierung zu tun. Das
Verbot, im Bundestag Wasser zu trinken, könnte man einfach aufheben.
Schwierig wird es mit dem Arbeitsvolumen. Im Bundestag sitzen sechs
Fraktionen, die alle ihre Duftmarken setzen wollen, mit eigenen
Gesetzesinitiativen, eigenen Entschließungsanträgen. Da kommt mehr Output
raus und der will besprochen werden. Da könnte jede Fraktion mehr
Selbstdisziplin wahren lassen, sich etwas zurücknehmen und weniger Anträge
stellen.
Es wäre eine Lösung, wenn sich die politischen Kräfte selbst einschränken?
Gerade für die Opposition ist das natürlich schwierig, weil sie weniger
Möglichkeiten hat, politisch wirksam zu sein.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) [2][hat in dieser Woche
vorgeschlagen], den Bundestag zu verkleinern und die Zahl der Minister und
Staatssekretäre zu reduzieren. Müssten dann nicht weniger Abgeordnete und
Regierungs-Mitarbeiter noch mehr Arbeit stemmen?
Aus Sicht einer Groko-Partei kann man das so fordern, weil sie ein paar
hundert Abgeordnete haben und womöglich ein paar Hinterbänkler, auf die sie
verzichten können. Aber Fraktionen von unserer Größe oder der Grünen: Wie
man da mit noch weniger Leuten noch mehr Arbeit schaffen soll, ist mir
völlig schleierhaft. Ich bin Mitglied in drei Ausschüssen. Soll ich dann
Mitglied in noch mehr Ausschüssen sein? Dann mache ich keine gute Arbeit
mehr.
[3][Auf Twitter] haben Sie geschrieben: „Wenn man gute Politik haben
möchte, muss man gute Arbeitsbedingungen dafür schaffen.“ Was heißt für S…
„gute Politik“?
Als Fachpolitikerin brauche ich Zeit für Recherche, muss mich informieren
über mein Fachgebiet, damit ich mir überhaupt kluge Gedanken machen kann,
wie man die besten Lösungen findet. Das geht nicht, wenn ich keine Zeit
habe.
Wie könnten die Abgeordneten zumindest bei der Arbeit im Bundestag mehr
Zeit bekommen?
Man sollte die Präsenzzeit im Plenum begrenzen: Ab Mitternacht geht
wirklich alles nur zu Protokoll.
Würden dann wichtige Entscheidungen womöglich später zustande kommen?
Wenn es einen gemeinschaftlichen Konsens gibt, dass ab einer bestimmten
Uhrzeit die Reden zu Protokoll gegeben werden, ist immer noch eine
Entscheidung möglich. Niemand verfolgt nachts um drei Uhr eine Debatte. Und
wenn es mehrere Lesungen zu einem Gesetz gibt, kann man ja nur eine
öffentlich machen, dann gab es eine Livedebatte. Alle sechs Fraktionen
müssen disziplinierter werden.
Sollten die Debattenzeiten verkürzt werden?
Man müsste die Balance verändern. Im Moment entspricht der Redeanteil einer
Partei dem Anteil im Parlament. Bei einer typischen 38-Minuten-Debatte
haben wir und die Grünen etwa vier Minuten, die großen Parteien haben sehr
viel mehr Zeit. Es muss ja nicht sein, dass jede Partei die gleiche
Redezeit hat, aber es muss nicht eine Partei dreimal so viel haben wie die
andere, weil sie erzählen ja meist dreimal das Gleiche.
Inwiefern arbeiten ausgeschlafene Politiker besser?
Die Gesetze sind dann nicht schlampig und fehlerhaft, die sind oft mit
heißer Nadel gestrickt. Zum Beispiel beim Klimapaket, oder bei den
Koalitionsverhandlungen: Mir kann doch keiner erzählen, dass man nach 20
Stunden am Stück miteinander intelligent reden kann. Am Ende kommen
schlechte Kompromisse zustanden.
8 Nov 2019
## LINKS
[1] https://twitter.com/anked/status/1192386937858011136
[2] /Nach-den-Landtagswahlen-im-Osten/!5639395
[3] https://twitter.com/anked/status/1192394299633274882
## AUTOREN
Simon Schramm
## TAGS
Bundestag
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Anke Domscheit-Berg
Schwerpunkt Coronavirus
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Rechtsradikalismus
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