# taz.de -- Jüdisches Leben am Persischen Golf: Die geheime Synagoge | |
> In Dubai ein jüdisches Gotteshaus entstanden – mit Zustimmung der | |
> Regierung. Die Gläubigen hoffen auf eine Rückkehr jüdischen Lebens in der | |
> Region. | |
Bild: Aus Sicherheitsgründen darf die Synagoge nicht fotografiert werden, desw… | |
Dubai ap | In einer unscheinbaren Villa inmitten von Häusern in einem | |
Nobelviertel von Dubai beten jüdische Gläubige. Sie haben sich in der | |
ersten voll funktionsfähigen Synagoge auf der arabischen Halbinsel seit | |
Jahrzehnten versammelt. | |
Die Mitglieder halten den genauen Ort ihres Gotteshauses zwar geheim. Doch | |
die bloße Existenz der Synagoge und die stillschweigende Zustimmung, die | |
sie von dem islamischen Scheichtum erfahren hat, spiegeln die langsame | |
Rückkehr jüdischen Lebens am Persischen Golf wieder. Die Gemeinde hier war | |
nach der Gründung des Staates [1][Israel] über Jahrzehnte entwurzelt | |
worden. | |
Der Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate bemühen sich um eine | |
Förderung der Gemeinde unter anderem durch überkonfessionelle | |
Veranstaltungen. Sie versprechen zudem den Bau eines milliardenschweren | |
[2][konfessionsübergreifenden Komplexes in Abu Dhabi] mit einer Moschee, | |
einer Kirche und einer Synagoge. Dahinter steht der Versuch, das Image der | |
Emirate im Westen aufzupolieren. | |
Zugleich nähern sich – geeint durch den gemeinsamen Feind Iran – die | |
arabischen Golfstaaten und Israel langsam an. Die Frage der Zukunft | |
Palästinas bleibt aber ein Keil. | |
## Platz zum Wachsen | |
Trotz der Herausforderungen sehen leitende Mitglieder der jüdischen | |
Gemeinde in Dubai in der Tatsache, dass sie hier nun geduldet werden, einen | |
Hoffnungsschimmer für die Zukunft. „Wir haben langsam unseren Platz im | |
Ökosystem der Vereinigten Arabischen Emirate gefunden“, sagt Ross Kriel, | |
Präsident der neuen Jüdischen Gemeinde der Emirate der Nachrichtenagentur | |
AP. „Das spiegelt unseren Optimismus über die Zukunft der Vereinigten | |
Arabischen Emirate wider als Platz für uns, um zu kommunizieren, uns | |
einzubringen und zu wachsen.“ | |
In der Region gab es einst etliche prosperierende jüdische Gemeinden. Sie | |
erstreckten sich von Bagdad und Teheran bis nach Bahrain, von der Ostküste | |
des Omans bis in den Süden des Jemens. Doch angesichts des Palästinakriegs, | |
der israelischen Staatsgründung 1948 und Hunderttausender palästinensischer | |
Flüchtlinge wandten sich die arabischen Staaten gegen ihre jüdischen | |
Nachbarn. Zudem flohen nach der Islamischen Revolution im Iran Zehntausende | |
Juden aus dem Land, dessen schiitische Führung Israel als Feind sieht. | |
Heute lebt im Iran noch eine kleine jüdische Gemeinde und in Bahrain gibt | |
es einige wenige Familien. Ihre und andere Synagogen sind zumeist | |
vereinzelte Relikte der Vergangenheit. | |
Doch die Vereinigten Arabischen Emirate, eine Konföderation aus sieben | |
Scheichtümern, wurden erst 1971 gegründet und hatten keine bedeutsame | |
historische Verbindung zu den Juden. Zwar erkennen sie Israel diplomatisch | |
noch nicht an. Regierungsvertreter haben israelischen Kollegen aber Besuche | |
erlaubt, und bei einer Sportveranstaltung wurde die israelische | |
Nationalhymne gespielt. Im kommenden Jahr nimmt Israel an der | |
Weltausstellung Expo in Dubai teil. | |
Das jüdische Leben in den Emiraten dreht sich jetzt um die Villa in Dubai. | |
Dort versammelt sich eine Gruppe aus Gläubigen jede Woche zu Gebeten, | |
koscheren Mahlzeiten und Feiertagen. Das Wohnzimmer des Hauses dient als | |
Hauptheiligtum, wo aus der Tora gelesen und gebetet wird. Im Wohnbereich im | |
ersten Stock können Gläubige übernachten, die am Sabbat nicht reisen. | |
## Kein Stress mit den Nachbarn | |
In der neuen Synagoge wurden bereits Bar-Mitzwa-Zeremonien und | |
Beschneidungsrituale für neugeborene Jungen gefeiert. Beschwerden von | |
Nachbarn gab es bislang nicht – auch nicht nach einem teils lautstarken | |
jüdischen Neujahrsfest kürzlich. | |
Die Gottesdienste werden nach orthodoxer Tradition mit getrennten | |
Sitzplätzen für Männer und Frauen gefeiert, allerdings ist jeder | |
willkommen. Zum einwöchigen Sukkot-Fest errichtete die Gemeinde in der | |
vergangenen Woche im Hinterhof eine provisorische Hütte, die sogenannte | |
Sukka. Das Fest erinnert an die Wüstenwanderung der Juden nach dem Auszug | |
aus Ägypten. | |
Insgesamt aber bleibt die Gemeinde vorsichtig und viele Mitglieder wollen | |
nicht namentlich genannt werden. Kriel selbst lobt die Offenheit der | |
Emirate und erklärte, er fühle sich in Dubai sehr sicher. Dennoch verzichte | |
er darauf, auf der Straße die jüdische Kopfbedeckung Kippa zu tragen. | |
„Obwohl unsere Gemeinde in der jüdischen Welt sehr einzigartig ist, wollen | |
wir nicht zu viel Aufhebens machen um unsere Präsenz hier“, sagt er. | |
„Unsere Zukunftsvision ist eine jüdische Gemeinschaft, die nicht nur als | |
normaler Bestandteil des Lebens in den Vereinigten Arabischen Emiraten | |
angesehen wird, sondern als Ort, wo Juden sich entfalten.“ | |
## Toleranz mit Superlativ | |
Die Emirate haben ein „Jahr der Toleranz“ ausgerufen. Dieses umfasste unter | |
anderem einen Besuch von Papst Franz Franziskus, eine | |
konfessionsübergreifende Konferenz mit amerikanischen Rabbinern und | |
evangelikalen Christen sowie die Schaffung eines Ministeriums für Toleranz. | |
Auch das geplante Drei-Religionen-Haus gehört dazu. Passend zu einem Land, | |
das bereits über das höchste Gebäude der Welt, gigantische Shopping Malls | |
und den Flughafen mit dem größten Passagieraufkommen im internationalen | |
Reiseverkehr verfügt: Die Synagoge in dem Komplex soll die teuerste aller | |
Zeiten werden. Die Kosten werden auf mehrere Hundert Millionen Dollar | |
geschätzt. | |
Religiöse Intoleranz habe sich als Hauptquelle von Konflikten und | |
Extremismus erwiesen, sagt Omar Ghobash, Staatsminister für kulturelle und | |
öffentliche Diplomatie. „Die Vereinigten Arabischen Emirate stehen an | |
vorderster Front im Kampf gegen diese Kräfte durch den Aufbau einer | |
vielfältigen, modernen, progressiven und stabilen Gesellschaft, die | |
Integration fördert. Wir sehen darin sowohl eine Gelegenheit als auch eine | |
Verantwortung.“ | |
27 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Israel/!t5007708 | |
[2] https://www.vaticannews.va/de/welt/news/2019-09/vatikan-new-york-abrahamic-… | |
## AUTOREN | |
Aron Heller | |
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