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# taz.de -- Parlamentsvotum zum Brexit: EU steuert Aufschub an
> Die Abgeordneten im Unterhaus haben den Brexit-Zeitplan der Regierung
> gekippt. Nun deutet alles auf Verschiebung hin – und eventuell auf
> Neuwahlen.
Bild: Ratlos: Premierminister Boris Johnson im britischen Parlament
Berlin taz | Eine erneute – und voraussichtlich letzte – Verschiebung des
britischen EU-Austritts steht an, nachdem das britische Unterhaus am späten
Dienstagabend das beschleunigte Gesetzgebungsverfahren zur Ratifizierung
des neuen Brexit-Deals abgelehnt hat und die Regierung das
Gesetzgebungsverfahren danach auf Eis legte. [1][Der Brexit] mit einem
ratifizierten Deal ist damit nicht mehr pünktlich zum 31. Oktober möglich.
EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte am Mittwochmorgen, er werde den
EU-Mitgliedstaaten nun eine Annahme des vorliegenden britischen
Verschiebungsantrags auf Ende Januar 2020 empfehlen und im Laufe des Tages
ein Verfahren dazu vorschlagen. Gerechnet wird mit einer Zustimmung im
Umlaufverfahren ohne einen Sondergipfel. Dieser könnte allerdings doch
nötig werden, sollten Meinungsverschiedenheiten in der EU über Dauer und
Bedingungen einer Verschiebung auftauchen.
Tusk reagierte damit auf die Ankündigung der britischen Regierung, das
Brexit-Gesetzgebungsverfahren zu „pausieren“. Mit 322 zu 308 Stimmen hatte
das Unterhaus nämlich am Dienstagabend gegen die „Programme Motion“ der
Regierung gestimmt, die einen Zeitplan zur Behandlung der
Brexit-Gesetzgebung festlegte. Nach Wunsch der Regierung hätten die
Abgeordneten beider Kammern den 110 Seiten langen Gesetzestext bis zum
Wochenende durchbringen sollen. Das erschien nicht nur Brexit-Kritikern im
Parlament als viel zu kurz für eine so komplexe Materie von solcher
Tragweite. Frühere EU-Verträge waren in Großbritannien immer mehrere Wochen
lang zwischen den beiden Parlamentskammern und Ausschüssen hin- und
hergegangen.
Der Brexit-Deal an sich ist dabei offenbar nicht mehr das Problem. In
zweiter Lesung des Gesetzes zu seiner Umsetzung stimmten die Abgeordneten
nämlich kurz vor dem Votum über den Zeitplan für den Deal – mit einer
deutlichen Mehrheit von 329 zu 299 Stimmen, und das, obwohl die
nordirischen DUP-Unionisten dagegen stimmten. Die regierenden
Konservativen, die nur 288 Mandate haben, sicherten sich die Stimmen eines
Großteils der im September aus ihrer Fraktion ausgeschlossenen Rebellen
sowie von 19 Labour-Abgeordneten.
## Reine Symbolik
Es war das erste Mal, dass Großbritanniens Parlament ausdrücklich einen
Brexit-Deal gebilligt hat. Das Votum war also eigentlich ein Triumph für
Boris Johnson, der ansonsten fast jede Abstimmung im Unterhaus verliert und
jetzt ausgerechnet bei seinem wichtigsten Projekt eine Mehrheit findet.
Es hatte aber nur symbolische Bedeutung, denn in Kraft tritt der Deal erst
mit seiner Ratifizierung – und dafür ist die begleitende Gesetzgebung
nötig, die den Deal in britisches Recht umsetzt. Die geht nun erst mal
nicht weiter, aber davon hängt alles ab: Am vergangenen Samstag hatte das
Parlament eine Zustimmung zum Deal blockiert, indem es stattdessen
beschloss, erst die begleitende Gesetzgebung zu behandeln. Premierminister
Johnson war damit gezwungen, einen förmlichen [2][Antrag bei der EU auf
Brexit-Aufschub um drei Monate] zu stellen.
Wie es jetzt in London weitergeht, blieb am Mittwochfrüh unklar. Vor seiner
Niederlage beim Zeitplan hatte Johnson erneut vorgezogene Neuwahlen für den
Fall eines Brexit-Aufschubs ins Spiel gebracht. Vor den Abgeordneten sagte
er: „Wenn das Parlament einen Aufschub bis Januar oder vielleicht noch
länger beschließt, kann die Regierung unter keinen Umständen damit
weitermachen. Der Gesetzentwurf wird zurückgezogen werden müssen und wir
werden Neuwahlen ansetzen müssen.“
## Kommen jetzt Neuwahlen?
Nach der Abstimmungsniederlage zog die Regierung den Gesetzenturf aber
nicht zurück – sie könnte ihn dann nämlich gar nicht mehr erneut einbringen
–, sondern setzte lediglich den Zeitplan zu seiner Behandlung aus. Das
Gesetz sei „pausiert“, hieß es. Berichten zufolge ist noch nicht
entschieden, ob auf eine Brexit-Verlängerung durch die EU Neuwahlen folgen
sollen oder ob man einfach die Zeit nutzt, das Gesetzgebungsverfahren mit
der gegebenen Ruhe weiterzuführen.
Letztere Option erscheint logisch, und auch ein auf Ende Januar 2010
verschobener Brexit würde vorzeitig in Kraft treten können, sollte die
Ratifizierung des Deals vorher abgeschlossen sein. Aber nach bisherigen
Erfahrungen in Westminster könnten die Abgeordneten bei langwierigen
Beratungen sich entweder hoffnungslos verheddern oder den Deal mit
Zusatzanträgen so weit von dem Verhandlungsergebnis mit der EU weg
verändern, dass am Ende doch wieder alles auf null gesetzt werden muss.
Eine schnelle Neuwahl könnte Johnson zu einer Parlamentsmehrheit verhelfen,
die den Deal dann durchwinkt, aber eine Garantie hierfür gibt es nicht.
Möglicherweise wäre es den Wählern nicht vermittelbar, jetzt auf Wahlen zu
setzen, statt erst mal einfach die letzte Brexit-Hürde zu nehmen, nachdem
der Deal an sich nun eigentlich beschlossene Sacht ist.
Die Labour-Opposition signalisierte am Mittwoch Zustimmung zu vorgezogenen
Neuwahlen. Sie hatte frühere Versuche Johnsons, Neuwahlen einzuleiten,
immer mit dem Argument abgeblockt, erst müsse ein No-Deal-Brexit verhindert
werden. Dies ist nun geglückt.
Viel Zeit für eine Entscheidung bleibt nicht. Vorgezogene Neuwahlen können
frühestens fünf Wochen nach der Auflösung des Parlaments stattfinden.
Wahlen im Januar 2020 gelten als ausgeschlossen, da der fünfwöchige
Wahlkampf dann die Weihnachtszeit einschließen würde. Als letztmöglicher
Wahltermin vor Weihnachten 2019 gilt Donnerstag, der 12. Dezember. Dazu
müsste das Parlament spätestens am 7. November aufgelöst werden – also in
zwei Wochen.
23 Oct 2019
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Brexit/!t5313864
[2] /Reaktion-der-EU-auf-Johnsons-Brief/!5634686
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
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