# taz.de -- Mafia und Clans: Eine Frage der Konjunktur | |
> Dreißig Morde seit 1990 gehen nach Behördenangaben auf das Konto | |
> italienischer Mafiagruppen in Deutschland. Wie viel Aufmerksamkeit ist | |
> das wert? | |
Bild: Derzeit eher als Folklore gefragt: die italienische Mafia | |
Die Polizei, sagte der Journalist Olaf Sundermeyer vor zwei Jahren im | |
taz-Interview, mache nur das, was die Politik wolle, „und die Politik | |
macht, was in der öffentlichen Debatte steht“. | |
So gesehen ist es erfreulich, dass die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic | |
beim Bundesinnenministerium nachgefragt hat, was eigentlich die | |
italienische Mafia so treibt, die es etwas schwer hat mit der | |
Aufmerksamkeit, [1][seit die „Araber-Clans“ in den Focus der „öffentlich… | |
Debatte“ gerückt sind.] | |
Mitglieder italienischer Mafiaorganisationen haben aber eben nach | |
Erkenntnissen der Polizei seit 1990 in Deutschland 30 Menschen getötet. | |
Nun kann man eine solche Zahl in alle möglichen skandalisierenden oder | |
relativierenden Verhältnisse setzen, zum Beispiel in dieses: [2][2013 | |
wurden im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim von zwölf Mordfällen elf | |
schnell gelöst.] Der zwölfte – der „rätselhafte Mord an einem Italiener … | |
seiner Partnerin“, wie es weiland in der Presse hieß – ist bis heute | |
unaufgeklärt. | |
## Da war das abgehakt | |
[3][Als die taz den Fall damals recherchierte,] kam ein sinnvolles Gespräch | |
über die Hintergründe der Hinrichtung mit der Mannheimer Staatsanwaltschaft | |
nur deswegen zustande, weil die Lektüre italienischer Medien ergeben hatte, | |
dass die deutschen Ermittler bereits nach Palermo gefahren waren, um sich | |
mit ihren italienischen Kollegen zu beraten. Alle Beteiligten ordneten | |
demnach den Fall klar dem seit den 1990er Jahren laufenden Verkehr von | |
Waren und Killern auf der berüchtigten „Route des Todes“ zwischen Mannheim | |
und der sizilianischen Provinz Agrigent zu. | |
Dass „trotz umfangreicher Nachforschungen bislang kein Tatverdächtiger zu | |
ermitteln war“, wie die Staatsanwaltschaft der taz mitteilte, kann man | |
durchaus auch als Zufall werten beziehungsweise als den speziellen | |
Schwierigkeiten bei Mafia-Delikten geschuldet. | |
Die „öffentliche Debatte“ zum Fall hatte der Mannheimer Morgen ein Jahr | |
nach den Morden unter den Anwohnern allerdings schon so zusammengefasst: | |
„Direkt danach hatten wir Angst. Wir dachten, da geht einer um und nietet | |
wahllos alles um. Aber als es dann hieß, dass die Tat einen | |
Mafia-Hintergrund hat, da war das für uns abgehakt.“ | |
Mit manchen Toten kann die Öffentlichkeit eben offensichtlich sehr viel | |
ruhiger leben als mit lebendigen „Araber-Clans“ – alles ein Frage der | |
Aufmerksamkeitskonjunktur. Und [4][Duisburg ist halt auch schon wieder | |
verdammt lange her.] | |
5 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.focus.de/politik/deutschland/clankriminalitaet-linke-kampf-gege… | |
[2] /Kolumne-Blicke/!5044558/ | |
[3] /Ausstellung-ueber-Mafiaorganisationen/!5040861/ | |
[4] /10-Jahre-Mafia-Morde-von-Duisburg/!5433928/ | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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