# taz.de -- Klimanotstandkongress in Berlin: Fremdeln mit dem „Notstand“ | |
> Wie wirkt Klima-Aktivismus im Lokalen – darum ging es beim 1. | |
> Klimanotstandkongress in Berlin. Uneinigkeit herrschte nur bei den | |
> Begrifflichkeiten. | |
Bild: AktivistInnen protestierten im August im Berliner Abgeordnetenhaus | |
BERLIN | Manchmal liegt die Tücke einfach nur in einem Wort – oder im | |
Wording, wie man jetzt so sagt: Im Zusammenhang mit der Klimakrise von | |
einem „Notstand“ zu sprechen, wie es mittlerweile Dutzende Initiativen auf | |
Bundesebene tun, löst bei manchen ungute historische Reminiszenzen aus. | |
Auch beim „Ersten Klimanotstandkongress“, an dem am Samstag rund 120 Aktive | |
in der Kreuzberger Forum Factory teilnahmen, kam dieses Fremdeln mehrfach | |
zur Sprache. | |
Weil es sich jedoch längst um einen eingeführten Begriff handelt, | |
beschränkte man sich am Ende auf eine Fußnote: „*Klimanotstand im Sinne des | |
engl. Begriffs Climate emergency“ heißt es unter der Resolution aller | |
Teilnehmenden, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, sich der | |
Bewegung in Kommunen und Ländern anzuschließen. Deren Kernforderung ist die | |
nach einem Klima-Vorbehalt in den Haushalten: Geld soll nur noch für | |
Maßnahmen ausgegeben werden, die dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens | |
nicht zuwiderlaufen. | |
Marko Dörre, der im Frühjahr die Volksinitiative Klimanotstand angeschoben | |
und nun den Kongress mitorganisiert hatte, zeigte sich „hochzufrieden“ mit | |
der Veranstaltung, bei der sich trotz kurzem zeitlichen Vorlauf | |
VertreterInnen von 34 Kommunen trafen. Nicht nur deutscher, sondern auch | |
deutschsprachiger, namentlich Basel, das im Februar den Klimanotstands- | |
Aufschlag gemacht hatte. Der Basler Aktivist Philippe Kramer berichtete den | |
Teilnehmenden von der erfolgreichen Petition, mit der die BürgerInnen die | |
Stadtverwaltung in Zugzwang gebracht hatten. | |
## Der Druck wirkt schon jetzt | |
„Wir wollen präsent bleiben, wir wollen aber auch lernen“, erläuterte Mar… | |
Dörre gegenüber der taz die Beweggründe für den Kongress. Der Vortrag von | |
Klimaforscher Christoph Schneider, Professor an der Humboldt-Universität, | |
diente dabei vor allem der Selbstvergewisserung – den von ihm referierten | |
Stand der Forschung haben die meisten AktivistInnen längst verinnerlicht. | |
Konkreter wurde es im launigen Beitrag des Charité-Lungenarztes Christian | |
Witt, der unter anderem über den fatalen Zusammenhang von Hitzewellen und | |
Krankheitsverläufen berichten konnte: „Bei einem Grad wärmer wird hier | |
schon richtig gestorben.“ | |
Die Volksinitiative war mit ihrer Unterschriftensammlung bekanntlich | |
erfolgreich, am 5. Dezember wird im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses | |
über ihre Forderungen diskutiert. Wegen des erwarteten öffentlichen | |
Interesses soll die Sitzung sogar per Video in einen zweiten Saal | |
übertragen werden. Der Druck wirkt aber schon jetzt: Klimaschutzsenatorin | |
Regine Günther (Grüne) will Ende November eine Beschlussvorlage | |
präsentieren – ob die tatsächlich das Label „Klimanotstand“ trägt, wel… | |
konkreten Maßnahmen sie beinhaltet und ob auch die Linke und vor allem die | |
SPD sie mittragen, darauf ist man in der Szene sehr gespannt. | |
Der Linkenabgeordnete Michael Efler ließ auf dem Podium durchblicken, dass | |
aus der SPD größere Widerstände zu erwarten seien – auch wenn in deren | |
Reihen, das war Efler wichtig zu betonen, keine Klimawandel-Leugner säßen. | |
Er forderte die Bewegung auf, weiter Druck zu machen und vor allem konkrete | |
Forderungen zu stellen. Von Vertretern der Volksinitiative im Saal wurde | |
das zum Teil abgelehnt – das sei schließlich Job der Politik. | |
Wie Klima-Aktivismus im Lokalen wirken kann, skizzierte Martin Burth, der | |
für die SPD in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf sitzt. Er war maßgeblich | |
am Zustandekommen eines BVV-Beschlusses beteiligt, der – gegen die Stimmen | |
von CDU, FDP und AfD – den Klimanotstand auch für den Bezirk erklärte. Für | |
konkrete Klimaschutzmaßnahmen müssten dann aber erst einmal Ressourcen | |
bereitgestellt werden: „Gerade Fördermittel vom Bund sehen fast immer eine | |
Kofinanzierung voraus“, so Burth, „aber dafür hatte der Bezirk keinen müd… | |
Euro.“ Das hat sich jetzt geändert: In den kommenden zwei Jahren stehen dem | |
grünen Umweltstadtrat Oliver Schruoffeneger je 200.000 Euro sowie zwei | |
Stellen zur Verfügung. | |
3 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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