Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Umgang mit Vorurteilen: Regeln für harmonisches Einkaufen
> Misstrauische Blicke an der Supermarktkasse und Tumulte am Einkaufswagen:
> Das könnte man alles ganz leicht vermeiden.
Bild: So ist's richtig: viel Calcium, wenig Geldbeutel
Samstag ist mein Einkaufstag. Ich verlasse morgens früh das Haus und gehe
in die Drogerie und in zwei Einkaufszentren, wo ich Essen, Getränke,
[1][Obst und Gemüse] einkaufe. Ob ich will oder nicht, beobachte ich dabei
stets mein Umfeld auf der Straße und in den Läden, in die ich gehe – nennen
Sie es Berufskrankheit.
Mir ist aufgefallen, dass manche Menschen in den Einkaufzentren ihre
Taschen, in denen sie ihr Geld, ihre Kreditkarte, ihr Telefon und ihren
Ausweis aufbewahren, in den Einkaufswagen legen. Wenn sie sich die
Lebensmittel in den Regalen näher anschauen, lassen sie ihren Einkaufswagen
irgendwo stehen. Ich laufe beim Einkaufen durch die Gänge und komme
entweder an ihrem Einkaufswagen vorbei oder schaue mir etwas in dem Regal
an, vor dem ihr Einkaufswagen steht.
Und in dem Moment ist der Teufel los. Der Typ kommt auf einmal in aller
Eile zu seinem Einkaufswagen gerannt, die Aufregung müssen Sie gesehen
haben! Der Grund für diesen Tumult ist, dass der Typ mich für eine
potenzielle Diebin hält.
Je älter man wird, desto mehr durchschaut man die Menschen. Ich habe in
meinem Leben so viel erlebt, dass ich die Menschen inzwischen auf einen
Blick durchschaue. Diejenigen, die mich für eine Diebin halten, verraten
sich ohnehin sofort durch ihre Körpersprache, ihre Blicke, ihre negative
Energie und ihr Verhalten.
## Liegt es daran, dass ich Ausländerin und trans bin?
Manchmal passiert mir das auch in der Supermarktschlange. Wenn ich an der
Kasse warte, steht manchmal jemand mit einem Rucksack vor mir. Wenn sich
die Person vor mir umdreht und mich sieht, wird sie unruhig. Eilig nimmt
sie ihren Rucksack nach vorne, schaut nach, ob ihr Geldbeutel noch da ist
und so weiter.
Als ich gerade in Deutschland [2][angekommen war], habe ich über solche
Situationen gelacht und mir gesagt: „Spinnt der, Alter, hält der mich für
eine Diebin?!“ Jetzt frage ich mich immer, wenn mir so was passiert: Liegt
es daran, dass ich Ausländerin und trans bin?
Werter Mitbürger, ich bin keine Diebin, du bist ein Idiot. Wenn du schon
wichtige Sachen in deiner Tasche hast, dann lass sie halt nicht im
Einkaufswagen liegen. Und wenn du die Tasche schon im Einkaufswagen lässt,
dann lass ihn nicht irgendwo stehen. Ich muss mir wegen deiner Dummheit
keinen Stress machen. Außerdem muss ich nicht die komischen Blicke spüren,
die die Umstehenden mir wegen diesem Unsinn zuwerfen.
## Idioten sind schlecht für den Blutdruck
Beim Einkaufen gibt es ein paar einfache Regeln, die du beachten musst.
Beachte diese Regeln, mehr verlange ich gar nicht von dir. Ich gehe mit
positiver Energie aus dem Haus, und dein blödes Verhalten verdirbt mir
meine Laune.
Außerdem habe ich Bluthochdruck, deine idiotische Reaktion treibt meinen
Blutdruck in die Höhe und ich muss ein zusätzliches Medikament dagegen
nehmen. Denjenigen, der mich für eine Diebin hält, checke ich ab und sage
dann: „Wer bist du, ayol.“ Ich kann Menschen jeder Art aushalten, aber
irgendwo reicht es auch, idiotische Menschen kann ich nicht ertragen.
24 Oct 2019
## LINKS
[1] /Studie-der-Royal-Agricultural-University/!5633025
[2] /Kolumne-Lost-in-Translation/!5579517
## AUTOREN
Michelle Demishevich
## TAGS
Lost in Trans*lation
Trans
Vorurteile
Lost in Trans*lation
Lost in Trans*lation
Lost in Trans*lation
taz.gazete
Lost in Trans*lation
Opposition in der Türkei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Endlich als Flüchtling anerkannt: Ich bin eine Linde mitten in Berlin
Nach zwanzig Jahre politischem Kampf gegen das System des politischen
Islams bin ich angekommen: Als Geflüchtete, aber zu Hause.
Coming-out und Journalismus: Danke für nichts, Kolleg*innen
In Istanbul im Jahr 2000 sollte mein neues Leben beginnen. Journalistin war
ich schon, nun auch trans Frau. Geholfen hat mir niemand.
Nachtleben in Istanbul: Das goldene Zeitalter
Das legendäre Istanbuler Nachtleben gehört der Vergangenheit an. Schuld
daran sind Drogengangs – und der politische Islam.
Kolumne Lost in Trans*lation: Berlin, du Unsichere
Die LGBTI-Community feiert gerade 50 Jahre Widerstand gegen die homophobe
Staatsgewalt. Ausgerechnet jetzt müssen wir Angst haben.
Kolumne Lost in Trans*lation: Mein Triumph der Sichtbarkeit
Für mich als türkische trans Journalistin war Eurovision in den letzten
Jahren in der Hintergrund getreten. Jetzt habe ich ihn wiederentdeckt.
Kolumne Lost in Trans*lation: Schreiben und überleben
In Deutschland gibt es nicht nur geflüchtete Akademiker*innen. Es gibt auch
trans Journalist*innen, die ums Überleben im Exil kämpfen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.