# taz.de -- Rezo-Remakes in Österreich: Sie wollen die ÖVP zerstören | |
> Zwei Youtuber in Österreich greifen kurz vor den Wahlen die | |
> Österreichische Volkspartei an. Sie wollen einen Machtwechsel | |
> herbeimonologisieren. | |
Bild: Sebastian Kurz lacht. Aber wie lang noch? Österreichs Youtuber haben sei… | |
„Viele von Ihnen haben das [1][Video von Rezo] gesehen“, beginnt Konstantin | |
Kladivko seine Philippika, die fünf Tage vor den österreichischen | |
Nationalratswahlen vom kommenden Sonntag online ging. Auch in Österreich | |
wurde der wortgewandte Destruktionsakt der CDU heftig diskutiert. Der | |
25-jährige Jurastudent hat den Wahlkampf zum Anlass genommen, in seinem | |
ersten Video die österreichische Schwesterpartei der CDU, die ÖVP, genauer | |
unter die Lupe zu nehmen. | |
Das Ergebnis schockierte ihn: „Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es so | |
arg ist.“ In einem [2][35-minütigen Dauermonolog] unternimmt der junge Mann | |
mit der Harry-Potter-Brille „Die echte Zerstörung der ÖVP“. „Die Zerst�… | |
der ÖVP“ hat nämlich auch ein „[3][Working Class Hero]“, dessen Klarname | |
nicht bekannt ist, ins Netz gestellt. Er nimmt sich 55 Minuten Zeit, ÖVP | |
und FPÖ an ihren Taten zu messen, und blendet dafür immer wieder | |
Originalaussagen der Spitzenpolitiker ein. | |
Beide kommen zu dem gleichen Ergebnis: Bitte am Sonntag keine dieser beiden | |
Parteien wählen! Kladivko will „mit diesem Video niemanden anpatzen, wie | |
die ÖVP immer sagt“, sondern den Beweis antreten, dass „die ÖVP Politik | |
gegen die Meinung von zig Experten macht, dass ÖVP-Politiker lügen und dass | |
die ÖVP bewusst ein Gesetz bricht, um Wahlen zu gewinnen“. | |
Das konsequente Ignorieren von Expertenmeinungen illustriert er zuerst an | |
der [4][Bildungspolitik]. Anders als die beim PISA-Test besonders | |
erfolgreichen Staaten hält Österreich nämlich daran fest, die Kinder | |
bereits mit zehn Jahren in Hauptschüler und Gymnasiasten zu trennen. Das | |
führe dazu, dass Bildung vererbt werde. Jahrzehntelang hat die ÖVP alle | |
Versuche der SPÖ, eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen | |
einzuführen abgeblockt. In Koalition mit der FPÖ habe sie sogar die | |
verpflichtenden Ziffernnoten in der Volksschule wieder eingeführt, obwohl | |
selbst Bildungsminister Fassmann damals zugeben musste, die Maßnahme sei | |
nicht dem Kenntnisstand der Wissenschaft, sondern der Ideologie geschuldet. | |
Kein gutes Haar lässt der Youtuber an der Klimapolitik der ÖVP, die 32 | |
Jahren für die Umweltschutzagenden in der Regierung verantwortlich ist. Er | |
rechnet vor, dass das Versagen der ÖVP auf diesem Gebiet das Land bis 2030 | |
bis zu 40 Milliarden Euro kosten könne, nämlich in Form von Strafzahlungen, | |
Ankauf von zusätzlichen CO2-Zertifikaten und Folgeschäden durch | |
Wetterphänomene wie Hagel, Muren oder Hochwasser. | |
„Kein anderes Land in der EU hat weniger Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt“, | |
wirft Kladivko der ÖVP vor, die vollmundig den Rückgang von | |
Treibhausgasausstoß im vergangenen Jahr ihrer erfolgreichen Politik | |
zuzuschreiben versuchte. Erwiesen sei hingegen, dass dieser Erfolg dem | |
milden Winter und den Wartungsarbeiten an einem Hochofen des Stahlkonzerns | |
Voeest – dem größten einzelnen Verschmutzer – zuzuschreiben sei. | |
Unter Berufung auf wissenschaftliche Studien prophezeit der Mahner, dass | |
2050 um die 200 Millionen Menschen durch Wasserknappheit zu | |
Klimaflüchtlingen werden. 760 Millionen würden ihren Lebensraum verlieren, | |
weil der Meeresspiegel ansteigt. Auf dem Klimaschutzindex, der 57 Länder | |
beurteilt, nehme Österreich den blamablen 36. Platz ein. 2006 war es noch | |
Rang 28. | |
## Gestörtes Verhältnis zur Wahrheit | |
Dass die ÖVP ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit hat, zeigt Kladivko | |
nicht zuletzt am Beispiel der [5][Wahlkampfkosten]. Die ÖVP hatte im | |
letzten Wahlkampf immer beteuert, sich an die gesetzlichen Regeln halten zu | |
wollen – sogar noch zwei Wochen vor der Wahl. Tatsächlich hat sie aber fast | |
doppelt so viel ausgegeben wie gesetzlich erlaubt. | |
„Ich bin kein Parteimitglied. Keine Partei hat Geld oder sonstige | |
Ressourcen für dieses Video zur Verfügung gestellt“, heißt es in einem | |
Disclaimer am Ende des Videos. Gleichwohl hat es die SPÖ auf ihren | |
Plattformen prominent verlinkt. | |
„Working Class Hero“ bekennt sich zu den Grünen, versichert aber, von der | |
Partei weder bezahlt noch angestiftet worden zu sein. „Im Unterschied zu | |
Rezo handelt es sich bei den beiden Video-Machern nicht um erfahrene | |
YouTuber. Dementsprechend sind die Videos zwar durchaus aufwändig | |
recherchiert und vorbereitet, können in technischer Hinsicht aber nicht mit | |
ihrem Vorbild mithalten“, schreibt die Plattform [6][netzpolitik.org], und | |
bezweifelt, dass die beiden Videos angesichts der vergleichsweise geringen | |
Abrufzahlen „einen relevanten Einfluss auf das Wahlergebnis am Sonntag | |
haben werden“. | |
26 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=hM6oGkgQJss | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=3emL3UH4oCs | |
[4] /Bildungspolitik-in-Oesterreich/!5624963 | |
[5] /Wahlkampf-in-Oesterreich/!5623093 | |
[6] https://netzpolitik.org/2019/rezo-style-als-neues-youtube-genre-zerstoerung… | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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