# taz.de -- Volkswagen errichtet Werk in der Türkei: Das Geschäft mit dem Aut… | |
> Volkswagen baut eine Fabrik in der Türkei. Erdoğans Dank: Er weist seine | |
> Amtsträger an, als Dienstwagen einen VW-Passat zu nutzen. | |
Bild: Karosserien des Golf 7 werden in Zwickau montiert. Demnächst kommen VWs … | |
ISTANBUL taz | „Wir wissen, dass die Entscheidung für die Türkei auch auf | |
Kritik stoßen wird“, gibt Thomas Steg zu. Der Cheflobbyist von Volkswagen | |
rechtfertigt sich: Die Türkei sei doch „eine entwickelte Marktwirtschaft“. | |
Noch steht die offizielle Vertragsunterzeichnung mit der türkischen | |
Regierung zwar aus. Im Prinzip ist aber alles geregelt, betont | |
VW-Produktionsvorstand Andreas Tostmann. | |
Das neue Werk, das in der Westtürkei in der Nähe der Ägäismetropole Izmir | |
gebaut werden soll, wird die bisher in Emden angesiedelte Produktion des | |
VW-Passat übernehmen. In Emden sollen dafür Kapazitäten für den Bau von | |
Elektroautos freiwerden. VW plant an dem neuen türkischen Standort die | |
Produktion von rund 300.000 Fahrzeugen im Jahr. Sie sind für den Export | |
nach Osteuropa, Russland und den Nahen Osten vorgesehen. Baubeginn ist | |
bereits im kommenden Jahr, 2022 sollen die ersten Autos vom Band laufen. | |
Der Entscheidung für die Türkei war ein monatelanges Geschacher | |
vorangegangen, bei dem VW zuletzt vor allem Bulgarien und die Türkei | |
gegeneinander ausspielte. Den Ausschlag soll die von der türkischen | |
Regierung angebotene direkte Subvention des neuen Werkes gegeben haben. | |
VW-Chef Herbert Diess war mehrfach in Ankara und verhandelte persönlich mit | |
Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Kreisen der EU-Kommission zufolge hat | |
Erdoğan rund 400 Millionen Euro an direkten Subventionen angeboten, plus | |
die Zusage, die Regierung werde VW 40.000 Fahrzeuge abnehmen. | |
Während in der Bundespolitik niemand zu dem Türkei-Deal von Volkswagen | |
Stellung nehmen wollte und auch der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir sich | |
bedeckt hielt, ging der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikhofer in die | |
Offensive. „Die Entscheidung sorgt angesichts der Menschenrechtslage, der | |
Abschaffung der Pressefreiheit und der nicht mehr gegebenen | |
Rechtsstaatlichkeit für Bestürzung“, sagte er zur taz. | |
## Skrupellose Firmen aus dem Ausland | |
Bütikhofer ist zudem empört, dass die Türkei als EU-Beitrittskandidat ein | |
anderes EU Land, also Bulgarien, aus dem Rennen geworfen hat, indem die | |
türkische Regierung Subventionen zusagt, die in dieser Höhe in der EU | |
illegal wären. „Dabei ist die Türkei in der Zollunion mit der EU und müsste | |
sich eigentlich auch an die geltenden Subventionsregeln halten.“ Statt 400 | |
Millionen seien maximal 250 Millionen Euro Subventionen zulässig gewesen. | |
Bulgarien hat sich an diese Vorgaben halten müssen, Erdoğan hat sie | |
ignoriert. | |
Die Subventionen, die immerhin ein Drittel der Kosten für den Bau des | |
Werkes ausmachen sollen, sind allerdings nicht der einzige Grund, warum VW | |
sich für die Türkei als neuer Produktionsstandort entschieden hat. | |
Dazu kommen noch die niedrigen Löhne, ein De-facto-Streikverbot im Land und | |
die aus Unternehmersicht erfreulichen Behinderungen der Gewerkschaften. Die | |
im linken Gewerkschaftsdachverband DISK beheimatete | |
Metallarbeitergewerkschaft Metal Is hat in der Vergangenheit bereits häufig | |
beklagt, dass sich ausländische Konzerne, auch die aus Deutschland, | |
skrupellos der Vorteile bedienen, die die Repression gegen Gewerkschaften | |
für sie mitbringen. | |
Der Sprecher von Metal Is, Eyüp Özer, sagte unlängst, es dürfe „nicht | |
passieren, dass in der neuen VW-Fabrik internationale Rechte und Normen der | |
Internationalen Arbeitsorganisation ILO und der EU verletzt werden, wie wir | |
das in der Türkei immer wieder erleben“. | |
## Niedrige Löhne, weniger Rechte für Arbeitnehmer | |
Streiks werden in der Türkei seit Jahren mit dem Argument verboten, sie | |
würden „die nationale Sicherheit“ gefährden. Ein EU-Bericht aus dem letzt… | |
Jahr stellte fest: „Friedlich arbeitende Gewerkschaftsmitglieder sehen sich | |
Bedrohungen und Festnahmen ausgesetzt.“ Eine freie Wahl, in welcher | |
Gewerkschaft man Mitglied wird, wird in vielen Firmen verhindert. | |
Das Ergebnis dieser Repression sind niedrige Löhne auch bei gut | |
ausgebildeten Leuten. In vergleichbaren Autowerken wie dem des neuen | |
VW-Werks werden laut Metal Is im Schnitt 2,40 Euro Stundenlohn bezahlt. Neu | |
eingestellte Arbeiter erhalten häufig sogar nur den Mindestlohn von rund | |
1,40 Euro. Auch wenn die Arbeitskosten nicht mehr der wichtigste Faktor | |
ist, sind das doch paradiesische Zustände für Unternehmen. | |
[1][Da kann man die Repression gegen Regimekritiker schon mal | |
verschmerzen.] In den Ohren türkischer Gewerkschafter klingt es jedenfalls | |
wie Hohn, wenn VW- Produktionsvorstand Andreas Tostrmann behauptet: „Wir | |
werden unsere Standards auch in der Türkei einhalten.“ | |
8 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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