# taz.de -- Türkei-Pläne für Nordsyrien-Offensive: Erdoğans verhängnisvoll… | |
> Der türkische Präsident Erdoğan lässt seine Armee für einen Einsatz in | |
> Nordsyrien auffahren. Er riskiert ein Gemetzel und internationale | |
> Isolation. | |
Bild: Besessen vom Kampf gegen YPG-Milizen: Präsident Erdoğan bei Militärzer… | |
Niemals werde die Türkei einen „Terrorstaat“ an ihrer Grenze dulden. Mit | |
dieser Feststellung wies der türkische Vizepräsident Fuat Oktay am Montag | |
die Aufforderung von US-Präsident Trump zurück, die Kurden in Nordsyrien | |
nicht anzugreifen. Er beharrte darauf, dass sein Land gegen die | |
„Terroristen“ an der gemeinsamen Grenze vorgehen werde. | |
Woher rührt diese Obsession der türkischen Regierung, die kurdischen, mit | |
den USA verbündeten YPG-Milizen zur nationalen Gefahr für die Türkei | |
hochzustilisieren? Warum will Erdoğan unbedingt [1][den Einmarsch in | |
Nordsyrien], auch wenn er sich damit praktisch gegen die ganze Welt stellt? | |
Ist die YPG wirklich eine Bedrohung für die Türkei? | |
Tatsächlich hat es bislang keinerlei Angriffe syrischer Kurden auf | |
türkisches Territorium gegeben. Dennoch sind die Ängste in Ankara, die von | |
einem großen Teil der türkischen Bevölkerung geteilt werden, nicht völlig | |
abwegig: Die syrische Kurdenorganisation PYD, deren bewaffneter Arm die YPG | |
darstellt, gehört zur türkisch-kurdischen PKK – auch wenn das Pentagon | |
diese Zugehörigkeit kleinredet. Sie sind ein Ableger der PKK und verehren | |
den PKK-Gründer Abdullah Öcalan geradezu kultisch. Insofern könnte ein von | |
der PYD kontrolliertes kurdisches Autonomiegebiet entlang der Grenze zur | |
Türkei tatsächlich potenziell eine Bedrohung darstellen. Allerdings nur | |
dann, wenn Präsident Erdoğan weiterhin darauf besteht, die PKK mit allen | |
Mitteln auf Leben und Tod zu bekämpfen. | |
Das sah vor ein paar Jahren noch ganz anders aus. Im Jahr 2014 schickte | |
derselbe Erdoğan Emissäre zum inhaftierten Öcalan auf die Gefängnisinsel | |
İmralı und zur PKK-Führung im Nordirak, um über ein Ende des bewaffneten | |
Kampfes zu verhandeln. Als diese Gespräche ein Jahr später scheiterten, | |
setzte Erdoğan ganz auf die militärische Karte und schwor, die PKK zu | |
vernichten. | |
Seitdem wirft die türkische Regierung den USA vor, ihre Zusammenarbeit mit | |
den syrischen Kurden im Kampf gegen den IS stärke die PKK und sei deshalb | |
völlig unannehmbar. Auf den Vorschlag von US-Diplomaten, doch erneut | |
Gespräche mit der PKK aufzunehmen, da die syrischen Kurden sofort zu | |
Gesprächen bereit wären, reagierte der türkische Präsident bislang mit | |
strikter Ablehnung. | |
Doch das liegt nicht an den Kurden. Erdoğans derzeitige | |
islamo-nationalistische Koalition macht Verhandlungen unmöglich; er müsste | |
sich andere innenpolitische Bündnispartner suchen, wenn er erneut mit den | |
Kurden reden wollte. Stattdessen lässt er nun die Armee auffahren – und | |
riskiert ein blutiges Gemetzel und die völlige internationale Isolation der | |
Türkei. | |
9 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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