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# taz.de -- Evolutionsgeschichte des Menschen: Urzeitliche Inselbewohner
> Der Fund einer neuen hominiden Spezies gilt als eine der wichtigsten
> Entdeckungen der letzten Jahre. Er stellt die Evolutionsgeschichte
> infrage.
Bild: Armand Mijares mit den hominiden Knochenfunden aus der Callao-Höhle
Berlin taz | „Als mein Kollege Dr. Piper mich aus dem Labor anrief und mir
mitteilte, dass ich menschliche Überreste gefunden hatte, sind wir
rausgegangen und haben uns betrunken“, sagt [1][Armand Salvador Mijares],
Leiter des internationalen Forschungsprojekts, das für den Fund einer neuen
menschlichen Spezies auf den Philippinen verantwortlich ist.
Mijares promovierte in Archäologie und Paläoanthropologie an der Australian
National University (ANU) und ist Professor an der University of the
Philippines. Bereits 1998 begannen seine Ausgrabungen in der Callao-Höhle
in der Region Peñablanca auf Luzon in den Philippinen. Das Team war klein,
aber international. Mijares wurde unterstützt von Florent Détroit,
Paläoanthropologe am Muséum national d’histoire naturelle in Paris, Rainer
Grun, Professor der Geochronologie an der Griffith University Queensland,
und Philip Piper, Archäozoologe und Paläoökologe an der ANU.
Zunächst fanden sie nur tierische Überreste von Rehen, Mäusen,
Wildschweinen und Wasserbüffeln, die über 60.000 Jahre alt waren. Doch das
menschliche Leben war in ihre Knochen eingeschrieben, denn die Fossilien
wiesen klare, v-förmige Schnittstellen auf, die nur durch den Gebrauch
menschlicher Werkzeuge entstanden sein konnten. Sie fanden zwar keine
Steinwerkzeuge, aber Hornsteinsplitter, die als solche genutzt werden
konnten. Also grub das Team weiter.
## Inspiration aus Indonesien
Es waren nicht die ersten philippinischen Ausgrabungen. In den 1970er
Jahren entdeckte der amerikanische Historiker Robert B. Fox menschliche
Überreste mehrerer Individuen in der Tabon-Höhle auf der Insel Palawan.
Damals war es unüblich, weiter als zwei Meter tief zu graben, da dies sehr
kostspielig und mit erhöhten Sicherheitsrisiken verbunden war.
In den 90er Jahren begann der australische Anthropologe Mike Moorwood
Ausgrabungen auf der [2][indonesischen Insel Flores,] auf der schon seit
den 50er Jahren immer wieder Werkzeuge und tierische Fossilien entdeckt
worden waren. 2003 grub er tiefer als gewöhnlich und beförderte in der
Höhle Liang Bua eine menschliche Schädelkappe und diverse Knochen zutage.
Der Fund war eine Sensation. Bisher hatte man geglaubt, dass erst der Homo
sapiens die Insel Flores besiedelt haben konnte, da sie nie Teil der
asiatischen Kontinentalplatte gewesen war und man seinen Vorgängern eine
Seeüberfahrt nicht zugetraut hatte. Der über 60.000 Jahre alte Homo
floresiensis widersprach dieser Theorie.
## Eine neue Spezies?
Auch Luzon war nie Teil des asiatischen Festlandes und stets von Wasser
umgeben. 2007 kehrte Mijares, inspiriert von den indonesischen Funden, in
die Callao-Höhle zurück, um tiefer zu graben. Es war in diesem Jahr, als
Piper ihn während der Analyse der tierischen Fossilien anrief und ihm
mitteilte, dass er den dritten Mittelfußknochen eines menschlichen
Lebewesens gefunden hatte.
Ein Rätsel, denn er ließ sich mit keiner bisher bekannten hominiden Spezies
vollständig vergleichen. Mijares veröffentlichte den Fund, doch die
Wissenschaft wies ihn zurück. Ein einzelner Knochen war noch nicht genug.
Mit internationaler Finanzierung setze er seine Ausgrabungen fort und hatte
Glück. 2011 fand das Team zwei Handknochen, zwei Fußknochen, mehrere Zähne
und Teile des Oberschenkelknochens eines Kindes, 2015 einen weiteren
Backenzahn.
Die Funde ließen auf mindestens drei menschliche Individuen schließen. Mit
einem Alter von rund 67.000 Jahren sind dies die ältesten menschlichen
Überreste, die bisher auf den Philippinen entdeckt wurden. Doch die
Sammlung dieser insgesamt 13 Fossilien lässt sich keiner bisher bekannten
Spezies zuordnen. Die Fußknochen sind zu kurz für einen Homo sapiens, die
Handknochen zu lang für einen Australopithecus und generell scheint dieser
Urmensch eher so klein wie der Homo floresiensis gewesen zu sein und konnte
womöglich sehr gut klettern.
## Parallele Evolution
Mijares ist sich sicher. Er hat eine neue menschliche Spezies entdeckt: den
Homo luzonensis. Nicht nur seine morphologischen Merkmale machen diesen
Menschen einzigartig, sondern auch die Frage, wie er nach Luzon gekommen
ist.
In der [3][Evolutionstheorie] wird davon ausgegangen, dass der Ursprung der
Menschheit in Afrika liegt. Neuere archäologische Funde negieren, dass es
eine einzige Wiege der Menschheit gab; stattdessen legen sie nahe, dass die
verschiedenen Urmenschen sich parallel zueinander entwickelt und sich
miteinander gepaart haben. Der Homo erectus soll der erste aufrecht gehende
Mensch gewesen sein, der Afrika verließ und Richtung Asien zog. Bisher
trauten Forscher ihm jedoch nicht zu, Flöße oder gar Boote zu bauen. Die
Funde in Indonesien und auf den Philippinen sind Gegenbeweise dieser
Theorie und erfordern eine völlig neue Verhandlung der menschlichen
Evolution.
War der Homo erectus schlauer als bisher angenommen und ist der Homo
luzonensis wirklich mit ihm verwandt? Oder haben sich die kleinwüchsigen
Inselbewohner unabhängig von den Hominiden entwickelt, die gleichzeitig auf
dem asiatischen Kontinent lebten?
DNA-Analysen sollen Aufschluss über diese Zusammenhänge liefern, doch
fehlen noch die wichtigsten Schlüsselelemente, wie ein vollständiger großer
Knochen oder ein Schädel.
## Die Quelle des Lebens
Die Callao-Höhle befindet sich im waldigen Flachland von Luzon. Die
Mäuseknochen, die Mijares und sein Team in der Höhle fanden, stammen jedoch
zum Teil von einer Mäuseart, die im bergigen Hochland der Insel heimisch
ist. Was hatte sie in der Höhle zu suchen? Mikromorphologische
Untersuchungen verweisen auf eine hohe Einwirkung von Wasser. Außerdem
stellte sich heraus, dass der Höhleneingang einst verschlossen gewesen sein
musste, da die größeren Felsbrocken nicht, wie zunächst angenommen, von der
Decke, sondern von der Höhlenwand stammten.
Die Urmenschen hatten also gar nicht in dieser Höhle gelebt. Stattdessen
waren ihre Überreste durch einen unterirdischen Fluss hier angespült
worden. Durch Erosion waren die leichtesten Teile, wie Zähne und kleine
Knochen, der Oberfläche am nächsten gekommen.
„Wir haben das Ende des Flusses gefunden“, sagt Mijares aufgeregt, „nun
müssen wir die Quelle finden.“ Daran wird er weiterarbeiten. Er wird tiefer
graben und hoffentlich eines Tages den ersehnten Schädel finden, um ihn der
Welt zu präsentieren, als der erste philippinische Archäologe, der eine
neue menschliche Spezies entdeckt hat.
5 Oct 2019
## LINKS
[1] https://www.up.edu.ph/index.php/up-led-international-team-discovers-new-hum…
[2] /Indonesiens-Inseln/!5068582
[3] /Der-Mensch-und-seine-Vorfahren/!5041170
## AUTOREN
Lea Ebeling
## TAGS
Evolution
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