| # taz.de -- Klimapolitik der CDU: Furcht vor dem Wähler | |
| > Union und SPD versprechen den großen Wurf beim Klimaschutz. Zentrale | |
| > Fragen wie Kosten und Emissionshandel bleiben umstritten. | |
| Bild: Will die CDU unterstützen: E-Auto | |
| BERLIN taz | „Das ist heute die Aufforstung der CDU“, sagt Andreas Jung, | |
| als er ans Rednerpult des Konrad-Adenauer-Hauses tritt. Es ist Montagmittag | |
| – und der einzige offen ökologisch denkende CDU-Bundestagsabgeordnete | |
| stellt den Beschluss seiner Partei zum „klimaeffizienten Deutschland“ vor: | |
| 34 Seiten, um „eine Flanke zu schließen“, wie Jung sagt, und um der Großen | |
| Koalition zu zeigen, was die Christdemokraten wollen, [1][wenn am Freitag | |
| das Klimakabinett die großen Entschlüsse fassen will], wie es mit der | |
| CO2-Reduzierung weitergehen soll: viel Geld für Förderung, keine Verbote | |
| und einen deutschen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude. Ein Förster | |
| würde sagen: Düngen mit der Gießkanne, aber bloß keine Kettensäge. | |
| Das Papier der Union, geschrieben von Jung und seinem Kollegen vom | |
| Wirtschaftsflügel Georg Nüßlein, will „nicht immer mehr Verbote und | |
| Verzicht“, sondern einen „Innovationsturbo“: die EEG-Umlage für Ökostrom | |
| abschaffen, den Kauf von E-Autos unterstützen, Bahntickets billiger | |
| machen, Förderungen für Forschung, für neue Treibstoffe, für die | |
| energetische Sanierung von Häusern. Nichts soll verboten, untersagt oder | |
| gedeckelt werden: weder der Verbrennungsmotor noch die Ölheizung oder die | |
| Massentierhaltung. Eine Mischung aus „verschiedenen Konzepten, die zusammen | |
| einen nachhaltigen Mischwald ergeben“, hofft Jung. | |
| Das Konzept kommt, vier Tage bevor in der Regierung die Bäume in den Himmel | |
| wachsen sollen. Derzeit ringen die Unterhändler von Union und SPD um das | |
| Paket, über das die Groko entscheiden will. Es werde einen „sehr großen | |
| Wurf, kein Klein-Klein“ geben, verkündet zwei Stunden vor der CDU der | |
| SPD-Finanzminister Olaf Scholz. Die Sozialdemokraten erinnern daran, dass | |
| noch nichts entschieden sei. | |
| Umweltministerin Svenja Schulze kämpft für „Verbindlichkeit“ der Regeln im | |
| geplanten Klimagesetz: Regelmäßig müsse kontrolliert werden, ob die | |
| zuständigen Ressorts auch genug CO2 senken – bisher liefert das | |
| CSU-Verkehrsministerium nicht mal verlässliche Daten für ein Gutachten. | |
| Dann pocht die SPD auf „Ordnungsrecht“, verweist bei Nachfrage aber nicht | |
| etwa auf ein Verbot von Ölheizungen oder spritschluckenden SUVs, sondern | |
| auf EU-Regeln zum Benzinverbrauch bei Autos, auf eine andere Festsetzung | |
| der Kfz-Steuer und auf ein Ende der Methangase aus Mülldeponien. | |
| Wer Klimaschutz will, kann ihn verordnen. Das lehnen beide Parteien ab, | |
| auch weil sie weiteren Unmut der Wähler fürchten. Er kann den Menschen noch | |
| die letzte Ölheizung aus dem Keller kaufen. Das ist teuer, und zu Kosten | |
| will niemand etwas sagen. Die Vermutung, für die kommenden vier Jahre | |
| stünden jedes Jahr 10 Milliarden Euro auf der Rechnung, zerstreut aber auch | |
| niemand. Bisher stehe in den Verhandlungen der Koalition in den Papieren da | |
| ein X, heißt es. | |
| ## Preis versus Steuer | |
| Der nächste große Unbekannte: der Preis für eine Tonne CO2 im neuen | |
| deutschen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude. Auf den hat die Union | |
| sich festgelegt. Die SPD will lieber eine Steuer, könnte sich aber | |
| überzeugen lassen, etwa für die ersten Jahre mit einem Festpreis pro Tonne | |
| CO2. | |
| Der Emissionshandel, wie das CDU-Papier ihn vorsieht, würde die Verkäufer | |
| von Benzin, Diesel, Gas und Heizöl zwingen, Zertifikate zu kaufen. Deren | |
| Menge sollen über die Jahre sinken und so die CO2-Emissionen reduzieren. | |
| Für die Verlässlichkeit sollte der Handel einen Maximal- und einen | |
| Minimalpreis haben. Allerdings schlägt die Union vor, den Handel gleich | |
| wieder zu entschärfen: sollten die Zertifikate für ein Jahr verbraucht | |
| sein, könnten neue „generiert“ werden – etwa durch Aufforstung oder den | |
| Schutz der Moore in Deutschland. | |
| Das klingt öko, hat aber für Experten gleich mehrere Haken. Statt Knappheit | |
| im Markt zuzulassen, die Preise bildet, würde der Markt aufgebläht. Dann | |
| ist unklar, wie Deutschland solche Zertifikate EU-konform überhaupt | |
| ausgeben könnte – möglicherweise würde Brüssel sie nicht anerkennen, | |
| Deutschland würde doppelt zahlen, für Waldschutz und für die Brüsseler | |
| Strafen. | |
| Das wichtigste X ist allerdings die Frage nach einem Maximalpreis, findet | |
| Brigitte Knopf vom Thinktank MCC. „Der Mindestpreis müsste beim Einstieg im | |
| Jahr 2020 bei 35 Euro, der Maximalpreis bei 70 Euro liegen“, so die | |
| Expertin, die an dem Gutachten zum CO2-Preis fürs Kanzleramt mitgeschrieben | |
| hat. „Das müsste dann bis 2030 auf mindestens 70 und höchstens 180 Euro | |
| steigen.“ | |
| Auch über dieses X wird geschwiegen. Ab und zu heißt es, für den | |
| Maximalpreis könne der europäische Emissionshandel für Kraftwerke eine | |
| Orientierung sein – da liegt die Tonne derzeit bei etwa 26 Euro. „Dafür | |
| bräuchte man den Aufwand eines Emissionshandels aber nicht“, warnt Knopf. | |
| Aus der Aufforstung würde der nächste Kahlschlag. | |
| 16 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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