# taz.de -- Feminist Futures Festival in Essen: Neue Brücken schlagen | |
> So viele Feminist*innen auf einem Fleck gab es lange nicht: 1.500 | |
> Menschen diskutieren in Essen über die Zukunft der Bewegung. | |
Bild: Zukunft für alle: Feminist Future Festival | |
Essen taz | „Eiffelturm des Ruhrgebiets“ nennen die Essener*innen jenen | |
Stahlkoloss, der schon von Weitem sichtbar die Klinkerbauten der Zeche | |
Zollverein überragt. Wo es früher stampfte und rumorte und die Kumpels aus | |
kohlegeschwärzten Gesichtern ins Tageslicht blinzelten, stehen an diesem | |
Samstagmittag hunderte Besucher*innen des Feminist Futures Festivals in | |
einer Schlange vor der Suppenküche. Mit dem Wetter haben sie Glück: Es ist | |
ein Spätsommertag, an dem die Sonne noch einmal ihre Reserven mobilisiert. | |
[1][Über 1.500 Teilnehmer*innen sind am Wochenende zusammengekommen], um | |
bei dem seit Jahrzehnten größten feministischen Vernetzungstreffen in | |
Deutschland über aktuelle Fragen der Bewegung zu diskutieren. Von | |
Donnerstag bis Sonntag fanden dazu mehr als 100 einzelne Veranstaltungen | |
auf dem Gelände des stillgelegten Untertagebaus statt. Organisiert wurde | |
das Festival von der Rosa Luxemburg Stiftung, dem Leipziger Konzeptwerk | |
Neue Ökonomie und dem Care-Revolution Netzwerk. | |
Dabei gaben sich die Veranstalter*innen Mühe, das Treffen möglichst offen | |
zu gestalten. So wurde auf klassische Vorträge verzichtet und stattdessen | |
eine Vielzahl von Diskussionen und Workshops angeboten, bei denen die | |
Teilnehmer*innen immer wieder die Möglichkeit bekamen, ihre Stimme | |
einzubringen und die Richtung der Debatte mitzubestimmen. Auch in der | |
Organisation des Festivals hatten die Besucher*innen Gelegenheit, selbst | |
tätig zu werden und sich etwa beim Kochen, am Infotisch oder als | |
Dolmetscher*innen zu beteiligen. | |
## Feministische Themen inklusiv gestalten | |
Das offene Konzept spiegelte sich auch im Programm wider. So gruppierten | |
sich die einzelnen Veranstaltungen lose um die fünf Schwerpunktthemen | |
Arbeit, reproduktive Gerechtigkeit, Gewaltverhältnisse, sozialökologische | |
Transformation und postkolonialer Feminismus, wobei die Grenzen dazwischen | |
vielfach verschwammen. Der internationalistische Ansatz des Festivals | |
bildete dabei eine Art Leitmotiv, das sich an den über 30 vertretenen | |
Nationalitäten zeigte und auch in den Veranstaltungen immer wieder | |
thematisiert wurde. | |
Beispielsweise wurde in einem Panel zur reproduktiven Gerechtigkeit auch | |
darüber diskutiert, inwiefern der Zugang weißer wohlhabender Frauen* zu | |
kostenintensiven Reproduktionstechniken neoliberale Züge trage und im | |
Gegensatz zu den Repressionen stehe, denen geflüchtete Frauen* ausgesetzt | |
seien. „Es geht um mehr als nur um unser individuelles Recht“, sagte Peggy | |
Piesche von der Heinrich Böll Stiftung. „Ein Recht bedeutet, wenn es als | |
singuläre politische Teilhabe gedacht ist, auch einen Zugewinn an | |
Privilegien. Aber wir müssen schauen, dass wir den gesamten Kontext von | |
Exklusion mitdenken. Wenn wir nur die Privilegien haben wollen, dann haben | |
wir noch nicht infrage gestellt, dass diese Privilegien Exklusion | |
verursachen“, sagte Piesche. | |
Die italienische Philosophin Cinzia Arruzza trat dafür ein, Feminismus als | |
eine transnationale Bewegung zu verstehen, die neue Räume für die Sammlung | |
linker Positionen öffne. „Der feministischen Bewegung ist es gelungen, eine | |
Tradition nicht nur der internationalen Solidarität, sondern auch der | |
transnationalen Zusammenarbeit und Koordination zu erneuern“, sagte | |
Arruzza. Die besondere Bedeutung dieser Internationalisierung liege darin, | |
dass sich linke Bewegungen im Laufe der letzten Jahrzehnte immer weiter | |
fragmentiert hätten, während das kapitalistische System in derselben Zeit | |
immer globaler geworden sei. | |
Aufgrund der transnationalen Mobilisierung könne der Feminismus als eine | |
Art Verstärker für verschiedene andere linke Bewegungen dienen, meinte | |
Arruzza. Zwischen diesen müssten nun neue Brücken geschlagen werden: „Wir | |
sollten die Idee von parallelen Bewegungen überwinden und stattdessen den | |
Feminismus als etwas begreifen, das alle anderen sozialen Bewegungen | |
durchdringt“, sagte die Philosophin. | |
Zwar müsse man sich vergegenwärtigen, dass Staaten weiterhin eine Rolle | |
spielten, gleichzeitig könnten aber umfassende Lösungen, beispielsweise für | |
den Klimawandel, nicht auf nationaler Ebene gefunden werden. In einem | |
ähnlichen Sinne äußerte sich auch Peggy Piesche: „Ein intersektionaler | |
Feminismus ist eine einschließende Bewegung“, sagte sie. Anstelle von | |
Konfrontation müsse daran gearbeitet werden, feministische Themen mit | |
inklusiven Begrifflichkeiten neu zu besetzen. | |
Wie könnte eine feministische Welt konkret aussehen? Der Plural im | |
Veranstaltungstitel deutet es an: Die eine Zukunft gibt es nicht, doch Wege | |
und Ideen stehen schon bereit. | |
16 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Feministisches-Festival/!5624046 | |
## AUTOREN | |
Jakob milzner | |
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