# taz.de -- Seenotrettung im Mittelmeer: Eine humanitäre Pflicht | |
> Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und der Kirche fordern: Eine | |
> politische Lösung für die Aufnahme von aus Seenot Geretteten muss | |
> dringend her. | |
Bild: Seenotrettung im Mittelmeer wird durch EU-Politik erschwert – und Rette… | |
BERLIN taz | Die Evangelische Kirche in Deutschland will sich in der | |
Seenotrettung engagieren und mit anderen Organisationen ein eigenes | |
Rettungsschiff ins Mittelmeer schicken. „Die Not hat keine Nationalität“, | |
sagte der EKD-Ratsvorsitzende Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bei | |
einer Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin. | |
Die Kirche habe eine humanitäre Verpflichtung, Menschen in Seenot zu | |
unterstützen und zu retten, so Bedford-Strohm. Das Engagement sei | |
exemplarisches Handeln dafür und Teil einer Gesamtstrategie, die auch | |
humanitäre Hilfe in Afrika und Unterstützung bei der Aufnahme von | |
Geflüchteten in Deutschland umfasse. Für das Rettungsschiff gebe es bisher | |
noch keine konkreten Kaufverhandlungen und der Prozess werde wohl noch | |
einige Monate dauern. | |
Vertreter*innen von mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen | |
forderten am Donnerstag eine politische Lösung zur Aufnahme von im | |
Mittelmeer geretteten Geflüchteten. „Wir sind über 500 Millionen | |
Europäer*innen. Wie kann es sein, dass Europa es nicht schafft, sich auf | |
einen Verteilungsmechanismus zu einigen?“, fragte Barbara Held, Ärztin und | |
Einsatzleiterin der Seenotretter von Sea-Eye. „Das Feilschen um ein paar | |
hundert Menschen nach jeder Rettung ist unwürdig. Die sogenannte | |
‚Flüchtlingskrise‘ ist in Wirklichkeit eine Krise der Menschenrechte.“ | |
Deutschland und andere EU-Staaten könnten sich nicht länger hinter dem | |
ehemaligen italienischen Innenminister Matteo Salvini verstecken, so Held. | |
Die Dublin-Reformen würden blockiert und nach wie vor würden mehr Menschen | |
von Deutschland nach Italien zurückgeschoben als aufgenommen. „Wenn ein | |
Verteilungsmechanismus funktionieren soll, muss er bedingungslos sein“, | |
sagt Held. Viele Geflüchtete steckten trotz Zusagen anderer Länder noch | |
immer in italienischen Aufnahmelagern. | |
## „Koalition der Willigen“ | |
„Die EU und ihre Mitgliedstaaten halten an ihrer Politik der Abschreckung | |
und Abschottung fest“, sagte Tareq Alaows von der [1][Seebrücke-Bewegung], | |
die bundesweit immer wieder Tausende auf die Straße bringt. „In der Folge | |
sterben noch immer jeden Tag Menschen bei dem verzweifelten Versuch, nach | |
Europa zu fliehen.“ | |
Das Sterben im Mittelmeer könne sofort beendet werden, wenn sich die | |
EU-Mitgliedstaaten auf eine Verteilung der Geflüchteten einigen würden, so | |
Alaows. Die europäischen Regierungen blockierten aber, obwohl es eine | |
Aufnahmebereitschaft in den Städten und Gemeinden gebe. | |
Im Juni hatten zwölf deutsche Städte das [2][Bündnis „Städte Sicherer | |
Häfen“] gegründet und damit ihre Bereitschaft, aus Seenot Gerettete | |
aufzunehmen, zum Ausdruck gebracht. „Es geht nicht um reine Symbolpolitik“, | |
sagte Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert. „Wir meinen das, was wir da | |
beschlossen haben, tatsächlich ernst.“ Potsdam ist Teil des Bündnisses. Die | |
Bürger*innen der Stadt seien für die Aufnahme. „Wenn man uns ignoriert, ist | |
es so, als würde man unsere Bürgerinnen und Bürger ignorieren.“ | |
Bisher hätten die Städte des Bündnisses allerdings noch keine Möglichkeit | |
gehabt, tatsächlich Menschen aufzunehmen, weil es keine Zuweisungen seitens | |
der Bundesregierung und der Länder gegeben habe. „Der nächste Schritt | |
fehlt“, gab Schubert zu. „Sich an einen Tisch zu setzen und zu sehen, wie | |
ein Verteilungsschlüssel oder eine Maßnahme sein kann, damit wir das, was | |
wir zugesagt haben, auch umsetzen können.“ | |
Für eine politische Lösung zur Verteilung der Geflüchteten auf EU-Ebene | |
könne es eine „Koalition der Willigen“ geben, sagte Landesbischof | |
Bedford-Strohm. 7 bis 8 EU-Mitgliedstaaten hätten schon fest zugesagt, an | |
einem Verteilungsmechanismus teilzunehmen, insgesamt 15 wären womöglich | |
bereit dazu. Sie sollten jetzt handeln, betonten die Teilnehmer*innen | |
mehrfach. „Es muss eine Lösung geben – und kein gegenseitiges | |
Aufeinander-Warten“, so Oberbürgermeister Mike Schubert. | |
12 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Belinda Grasnick | |
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