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# taz.de -- Tourismus in Tunesien: Trotz Rekordjahr droht Hotelpleite
> Tunesien leidet schon lange unter dem Massentourismus. Die
> Thomas-Cook-Pleite wirbelt die Branche durcheinander. Jetzt kämpfen
> Hotels ums Überleben.
Bild: Die Pleite von Thomas Cook wird die Tourismusbranche in Tunesien und dami…
Tunis/Enfidha taz | Am Flughafen Enfidha ist man Kummer gewöhnt. Nach den
Anschlägen auf Touristen vor drei Jahren stand die riesige
Abfertigungshalle oft wie ein leerer Fremdkörper zwischen den Olivenfarmen
südlich des Touristenortes Hammamet. Doch dieser Sommer hat dem
Charterflughafen eine Rekordsaison beschert, 7 Millionen Touristen kamen
dank massiver Investitionen in Sicherheit und Infrastruktur wieder nach
Tunesien, so viele wie noch nie. Der Kurs des Dinars erholte sich nach
einer dreijährigen Talfahrt wieder.
Die Pleite eines der drei großen Reisemonopolisten trifft das
11-Millionen-Einwohner-Land in der wichtigsten Umbruchphase seit der
Revolution vor acht Jahren. Am 6. Oktober wird ein neues Parlament gewählt.
Und demnächst steht auch die Stichwahl für das Präsidentenamt an. Die
Kandidaten wollen vor allem die armen Regionen umkrempeln. Aus Orten wie
Sidi Bou Said oder Kasserine kommen viele der Hotelangestellten, die sich
mit schlecht bezahlten Saisonverträgen zumindest ein halbes Jahr lang aus
der Arbeitslosigkeit retten.
Vor dem Check-Schalter in Enfidha stehen britische Botschaftsbeamte und
organisieren die größte Rückholaktion der zivilen Luftfahrt seit dem
Zweiten Weltkrieg. „Wir wissen noch nicht genau, wie die nächsten Tage
ablaufen werden“, sagt einer der beiden der taz. Am Montag läuft alles nach
Plan, auch wenn niemand weiß, wer den Flieger aus Manchester eigentlich
geschickt hat.
Mindestens 25 Hotels in Tunesien sind von den Gästen des größten britischen
Reiseveranstalters abhängig. Sechs Hotels der Sentido-Gruppe, Jet Tours-
und Tui-Hotels werden von den Thomas-Cook-Bussen vom Flughafen Enfidha aus
angefahren. Einigen droht trotz Rekordsaison die Pleite.
## Monatelang auf den Lohn warten
Denn die Zusammenarbeit mit großen Reiseveranstaltern beruht auf einem
Kreditgeschäft: Jeden März erhalten die Hotels eine Anzahlung, um sich die
nötigsten Anschaffungen leisten zu können. Die erste Zahlung für die
gebuchten Gäste erfolgt dann im Juli, so lange müssen auch viele
Hotelangestellte auf ihren Lohn warten.
Kredite gewähren tunesische Banken meist nur mit den entsprechenden
Verbindungen in den Präsidentenpalast. „Viele Hoteliers können wegen der
von den großen Veranstaltern knallhart berechneten Preise im
All-inclusiv-Segment keine Kredite bedienen und sind froh, dass die Banken
stillschweigend auf die Rückzahlung der Kredite verzichten“, sagt der
Manager des Dar-El-Marsa-Hotels in Tunis.
Nach Schätzung von Branchenkennern schuldet Thomas Cook seinen
Vertragspartnern mindestens 60 Millionen Euro, die zweite Tranche, die
üblicherweise für den Zeitraum Juli bis Oktober jetzt überwiesen werden
muss.
Vielleicht war es die Angst um seinen eigenen Lohn, der den Rezeptionschef
des 5-Sterne-Hotels „Les Orangers Beach Resort“ an einem der schönsten
Strände am Samstagabend dazu brachte, drastische Maßnahmen zu ergreifen.
Nachdem drei hünenhafte Hotelwächter die Außentore und dann die Lobby
abgeriegelt hatten, forderte er die abreisenden britischen Urlauber auf,
ihre über Thomas Cook gebuchten Zimmer selbst und sofort zu zahlen.
Rund 3.000 Euro waren offen, eine ältere Urlauberin gab dem Druck nach und
zahlte mit ihrer Kreditkarte, berichtet Ryan Farmer aus Leicester. Die
Britin sprach gegenüber der Zeitung Daily Mail von einer Art Geiselnahme.
## Aufgebrachte Urlauber
Die mit Mobiltelefonen gedrehten Aufnahmen der aufgebrachten Urlauber
wurden schnell zur Ikone des Tsunamis, der mit der Cook-Pleite über Länder
mit einem großen Pauschaltourismus wie Tunesien schwappt. „Vor allem die
Macht über den Charterflugmarkt durch Thomas Cook, Tui und anderen macht
uns Sorgen“, sagt Fahrhat Tanfous, der Manager des Apartment-Hotels Jardin
de Toumana auf Djerba.
Individuelle Hotels wie das Jardin de Toumana sind abhängig von den
Charterflügen der Reiseveranstalter, da Tunesien noch nicht dem
Open-Sky-Abkommen beigetreten ist, weil die staatliche Airline Tunis Air
die Konkurrenz von Billiglinien fürchtet.
„Die Pleite von Thomas Cook könnte das Ende des Massentourismus einläuten�…
sagt Hotelmanager Fahrhat Tanfous. Der Individualtourismus wäre für
Touristen und Einheimische ohnehin besser. „Doch Tunesien ist auf dieses
Erdbeben nicht vorbereitet.“
24 Sep 2019
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Reiseland Tunesien
Insolvenz
Reisen
Tourismus
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Islamismus
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