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# taz.de -- Der Vormittag des Klimastreiks in Berlin: Warm Greetings from Berlin
> Aktivisten blockieren Kreisverkehre und Kreuzungen, die Sympathien für
> den Klimastreik sind groß.
Bild: Aktivis:innen entrollten am Freitagvormittag ein Transparent über der Be…
Berlin taz | An der Warschauer Straße steigen Kinder mit ihren Eltern in
die U-Bahn. „Kinder an die Macht“ steht auf ihren Plakaten, oder „Es gibt
keinen Plan B“. Sie fahren zum großen Klimastreik am Brandenburger Tor.
Damit können sie sich der Sympathie vieler Berliner:innen sicher sein: „Ich
finde die ganze Aktion cool“, sagt ein Brillenhändler in der Krossener
Straße in Friedrichshain. Sein Laden ist am Freitag aber geöffnet, den
ganzen Tag. „Ich streike dann ab 16 Uhr.“ Er lacht. Dann stutzt er. „Nein,
Moment, heute ist Freitag. Ich streike ab 20 Uhr.“
Er müsse ja schließlich Geld verdienen, sagt er und zeigt sich skeptisch,
ob viele Gewerbetreibende in Berlin dem Streikaufruf folgen werden. Damit
schätzt er seinen Kiez gut ein. Die Apotheke: geöffnet. Der Backshop, der
Blumenladen, das Bio-Café: geöffnet. „Wir müssen leider arbeiten“, sagen
die beiden Mitarbeiterinnen, während sie eine Süßkartoffel schneiden, um
damit Bagels zu belegen. „Zu streiken, das wäre eine Entscheidung unserer
Chefinnen gewesen.“
Der Klimastreik ist kein Streik im Sinne des Arbeitskampfs – und deshalb
müssen Arbeitnehmer:innen mit Konsequenzen rechnen, wenn sie sich
beteiligen. Der Postbote, der gerade von seinem Lastenfahrrad steigt,
arbeitet noch aus einem anderen Grund: „Ich muss da schon ein bisschen
weiter denken“, erklärt er. „Ich bin kein Kollegenschwein. Wenn ich heute
streike, hat der arme Mensch, der morgen mit dem Fahrrad hier unterwegs
ist, die doppelte Menge an Briefen auszuliefern.“
Drei Mütter stehen vor einer Kita in der Nähe der Modersohnbrücke. Sie hole
ihre Tochter heute früher aus der Betreuung ab, sagt eine der drei stolz.
Ihr Mann mache extra Home Office, damit die Familie später zur Demo gehen
könne. Die Erzieherinnen der Kita aber müssen arbeiten, statt zu streiken.
„Das hätten sie vorher mit den Chefs absprechen müssen, schätze ich“, sa…
die Mutter und zuckt mit den Schultern.
## Kreuzung mit Absperrband abgeriegelt
Eine UPS-Fahrerin hetzt von Haus zu Haus, mit Paketen unterm Arm. Prekäre
Bezahlung lässt keine Zeit fürs Streiken. Auch die Müllabfuhr ist
unterwegs. „Ich finde die Aktion voll okay“, sagt einer der Männer in
orangefarbener Arbeitskleidung. „Aber ich habe einen Auftrag, ich soll
Berlin sauber halten. Wenn ich meinen Job nicht mache, kann ich nächste
Woche die doppelte Menge an Dreck einsammeln. Sonst macht es ja keiner.“
An einzelnen Orten in der Stadt ist der Klimastreik aber sehr wohl auch
schon am Vormittag zu spüren. Ungefähr 150 Radfahrer:innen haben bereits
morgens um 8 Uhr den Kreisverkehr am Ernst-Reuter-Platz für den Autoverkehr
blockiert – durch beständiges Im-Kreis-Fahren. Später bewegt sich der Pulk
nach Kreuzberg, um dort den Moritzplatz lahmzulegen.
Etwa zeitgleich ist auch an der Jannowitzbrücke für Autofahrer:innen
Schluss: Mit massenweise rot-weißem Absperrband machten Aktivist:innen hier
die Kreuzung dicht. „Warm Greetings from Berlin“ steht auf einem quer über
die Straße entrollten Transparent, daneben die Zeichnung eines in Flammen
stehenden Erdballs. Mitglieder der Organisation Robin Wood haben sich am
Morgen in Tempelhof über der Stadtautobahn A100 abgeseilt und ein
Transparent an der dortigen Brücke befestigt.
## Parkplätze werden zu Nachbarschafstreffs
Der ökologische Verkehrsclub (VCD) sowie der Radfahrerverband ADFC hatten
parallel zum Klimastreik in Berlin den Parking Day ausgerufen, im Zuge
dessen Aktivist:innen in der ganzen Stadt Parkplätze besetzen. Mit
mitgebrachten Sitzmöbeln, Topfpflanzen und Teppichen entstehen dort, wo
sonst Autos stehen, temporäre Nachbarschaftstreffs auf der Straße.
Vor dem Finanzministerium sammeln sich am Vormittag die klimabewussten
Unternehmer*innen. „Bester Arbeitsplatz der Welt: Die Welt“, steht auf
einem Schild. „Ein toter Planet ist auch schlecht für die Wirtschaft“ hei�…
es auf einem anderen. Katharina Osbelt vom Social Entrepreneurship Netzwerk
Deutschland findet, dass die Politik sozial engagierte Unternehmen zu wenig
unterstützt. „Das sind Unternehmen, die nicht gewinnbringend verkaufen
können, aber trotzdem keine klassischen NGOs sind.“
Die Belegschaft des Kreativkaufhauses Modulor ist fast komplett erschienen
– 100 von 180 Mitarbeitenden, inklusive Chef, stehen heute vor dem
Finanzministerium. „Wir müssen mit dem Spagat zwischen Unternehmertum und
Klimaschutz leben“, sagt einer von ihnen. Noch schlechter, als sich als
profitorientiertes Unternehmen am Klimastreik zu beteiligen, sei, sich gar
nicht zu positionieren. „Wir haben im Unternehmen aber schon einiges
verändert: Zum Beispiel sind wir dabei herauszufinden, was die CO2-Bilanz
unserer Transportwege ist.“
Die Belegschaft der Berliner Hypobank ist weniger gut vertreten: Zwei
Mitarbeitende widmen ihre verlängerte Mittagspause dem Protest und halten
ein Schild mit „Bankers for Future“ in die Luft. „Wir wussten nicht, ob w…
dafür mehr Zuspruch oder mehr Ablehnung bekommen“, sagen sie. Die Hypobank
sei zwar eine „grüne“ Bank, das heißt, sie investiert in klimafreundliche
Immobilien. Die Belegschaft habe sich heute Morgen trotzdem über
Verkehrsblockaden geärgert, anstatt sich mit den Zielen zu solidarisieren,
erzählen sie. Die beiden finden: „Eine grüne Politik würde der Wirtschaft
nicht schaden.“
20 Sep 2019
## AUTOREN
Anina Ritscher
Lukas Waschbüsch
Malene Gürgen
## TAGS
Schwerpunkt Fridays For Future
Ziviler Ungehorsam
Schwerpunkt Klimaproteste
Hausbesetzer
Autoverkehr
Greta Thunberg
Grüne Berlin
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