# taz.de -- Konflikte mit dem BDS: Geliebt, gehasst, ausgenutzt | |
> Die BDS ruft zum Boykott gegen den Leipziger Club Conne Island auf. An | |
> dem Club kann man politische Debatten unter dem Brennglas beobachten. | |
Bild: „Das Conne Island ist eine Projektionsfläche geworden für alles, was … | |
Mit Boykottaufrufen kennen sie sich inzwischen gut aus im Leipziger Club | |
Conne Island. [1][Der neueste kommt vom BDS]. Die antiisraelische Bewegung | |
(„Boycott, Divestment and Sanctions“) wirft dem soziokulturellen Zentrum – | |
genau wie dem Hamburger Golden Pudel und dem About Blank in Berlin – vor, | |
antipalästinensischen und -arabischen Rassismus zu beherbergen. Vor allem, | |
weil sie Künstler ausgeladen hätten, die sich für Palästina einsetzen. | |
Und ja, an den ersten großen Fall erinnert sich der ehrenamtliche Booker | |
Ben noch gut. 2016 sollte der US-Rapper Talib Kweli im Conne Island | |
auftreten. „Wir haben uns sehr auf ihn gefreut“, sagt Ben. Schließlich ist | |
der New Yorker einer der Größen des Conscious Rap. Doch auf Twitter las Ben | |
immer mehr Tweets von Kweli, in denen er Israel als „Apartheidstaat“ | |
bezeichnete und Zionisten als „Unterdrücker“ und ergo seine Feinde | |
bezeichnete. | |
Der Club schrieb ihm darauf einen Brief, wollte darüber mit ihm reden, | |
erhielt aber keine Antwort. Das Plenum des Clubs beschloss daraufhin, den | |
US-Künstler daher wegen antisemitischer Einstellungen auszuladen. Kweli | |
schrieb danach auf Instagram: „Faschismus ist zurück.“ Inzwischen werden | |
auch anderswo Konzerte mit Talib Kweli abgesagt. | |
Das Conne Island hat immer wieder Konflikte mit dem BDS, anders als diese | |
Organisation erkennt der Club schließlich das Existenzrecht Israels als | |
Grundprinzip an. „Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich linker | |
Antisemitismus häufig hinter einer vermeintlichen ‚Israelkritik‘ verbirgt, | |
genau wie das Agieren des BDS nichts Neues ist“, schrieben die | |
Conne-Island-Macher schon 2018 und formulierten die Hoffnung, dass es | |
Unterstützer dieser Lobby gebe, denen es nicht um die Auslöschung Israels | |
geht, sondern tatsächlich um eine Verbesserung der Menschenrechte in den | |
palästinensischen Autonomiegebieten. | |
„Wir sind deshalb bereit, uns mit Menschen auseinanderzusetzen, auch wenn | |
sie irgendwann mal unbedacht eine der unzähligen BDS-Listen unterschrieben | |
haben“, heißt das Diskussionsangebot, das aber begrenzt ist: „Allerdings | |
verlangen wir von den KünstlerInnen, denen wir eine Bühne geben, dass sie | |
den Antisemitismus der Kampagne erkennen und entsprechend auf eine | |
Unterstützung verzichten.“ | |
In seinem aktuellen Boykottaufruf verweist der BDS darauf, dass das Conne | |
Island auch von deutschen Linken boykottiert werde, weil dort angeblich | |
Leute auftreten, die die AfD feiern würden. Das stimmt nur insofern, dass | |
2018 der dem Umfeld der Zeitung Bahamas zugerechnete Autor Thomas Maul | |
aufgetreten ist, der auf Facebook leider die Bundestagsrede des | |
AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland zum 70. Jahrestag der Staatsgründung | |
Israels teilte und dazu kommentierte, die AfD erscheine angesichts des | |
„herrschenden Linkskartells“ immer wieder „als einzige Stimme der | |
Restvernunft im Deutschen Bundestag“. | |
Das zog wochenlange Diskussionen im Conne-Island-Plenum nach sich, aber | |
auch in einigen Medien gab es Haue. „Es war eine Zäsur“, sagt Ben. Auch | |
heute werde er noch darauf angesprochen, wenn Leute überlegen, ob sie | |
wirklich ins „Conne“ auf ein Konzert gehen sollten. | |
## Schwelende Wut | |
„Damals haben sich viele von uns distanziert“, sagt auch Robert, der die | |
Veranstaltungsreihe „70 Jahre Israel“ mitorganisiert hat und im Connewitzer | |
Club festangestellt ist. Er glaubt, dass die meisten Reaktionen eher | |
reflexartig kamen und die inhaltliche Auseinandersetzung leider erst | |
wesentlich später erfolgte. „Heute würde ich Maul wahrscheinlich nicht mehr | |
einladen“, sagt er. Das läge aber nicht an dem Restvernunft-Post, sondern | |
daran, dass man ihm zudem Sexismus und Antifeminismus vorwerfen könnte. | |
Nicht nur, aber auch wegen des Maul-Vortrags haben sich einige langjährige | |
Unterstützer aus der aktiven Arbeit des Veranstaltungsortes zurückgezogen. | |
Ben, der wie Robert nur mit Vornamen genannt werden will, spricht von einer | |
„schwelenden Wut“ gegen das Conne Island im Szenebezirk Connewitz – auch | |
wegen eines offenen Briefes, den das Conne-Island-Plenum im Herbst 2016 | |
veröffentlichte, um bekannt zu machen, dass sich sexuelle Übergriffe | |
häuften, seitdem Geflüchtete für 50 Cent in den Club dürfen. „Wir hatten | |
das Problem, dass weniger Frauen gekommen sind“, erklärt Robert. „Und wenn | |
fast nur Männer im Club sind, kippt die Stimmung.“ | |
Von anderen Leipziger Clubs und Konzertlocations gab es viel positives | |
Feedback auf den Text, leider hat sich den offenen Brief auch Beatrix von | |
Storch zu eigen gemacht, andere AfD-Politiker und Rechte haben ihn weiter | |
verbreitet. Man sei von allen Seiten instrumentalisiert worden, klagt | |
Robert. Selbst die Leipziger Polizei hat ihnen schon mal Rassismus | |
vorgeworfen, als ein übergriffiger Gast mit Migrationshintergrund | |
rausgeworfen wurde. Robert: „Das Conne Island ist eine Projektionsfläche | |
geworden für alles, was in der Linken schlecht läuft.“ | |
Wenn man von den heftigen, [2][mitunter schwierigen politischen | |
Diskussionen] der letzten Jahre absieht, läuft aber auch vieles gut – vor | |
allem im soziokulturellen Bereich. Es gibt einen Infoladen mit einem großen | |
Archiv an Magazinen und Literatur sozialer, linker und alternativer | |
Bewegungen. Es gibt einen DJ-Proberaum für Frauen und Mädchen, einen | |
Trainingsraum, in dem sowohl Selbstverteidigung als auch Yoga geübt wird. | |
Neuerdings öffnet auch eine Schweißerwerkstatt und bald entstehen dringend | |
benötigte neue Bandproberäume. Neben Konzertsaal und Café stehen ein | |
Skatepark und der Biergarten, in dem mittwochs zur „Half Time“ manchmal | |
1.000 Leute vorbeikommen, um Tischtennis mit DJ-Begleitung zu spielen oder | |
einfach abzuhängen. | |
## Diversität und Frauenquote | |
Das alles weiß auch die Stadt Leipzig zu schätzen. Sie erhöhte sogar die | |
Förderung für das Jahr 2019 auf 197.000 Euro. Auch als nach den | |
[3][Krawallen beim G20-Treffen in Hamburg] der damalige CDU-Innenminister | |
de Maizière forderte, eine Förderung für soziokulturelle Zentren in | |
Connewitz zu überdenken, stellten sich sowohl Oberbürgermeister Burkhard | |
Jung (SPD) als auch Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Die Linke) hinter | |
das Conne Island. | |
Auch heute betont die Kulturdezernentin auf taz-Anfrage: „Das Conne Island | |
versorgt seine Besucher mit einem vielfältigen Angebot an Kunst und Kultur | |
und ist Veranstaltungshaus, Ort der kulturellen Bildung und offener | |
kommunikativer Treff.“ | |
Die größte Strahlkraft über den Leipziger Süden hinaus haben die Konzerte, | |
die von HipHop über Hardcore und Punk bis zu Elektroniknächten diverse | |
Genres abbilden. „Unser Fokus liegt mehr auf Kultur als auf Politik“, sagt | |
Robert. Nach der Diskussion um die sexistischen Übergriffe von Migranten | |
wurde das Einlasskonzept gründlich überdacht: Inzwischen gibt es eine | |
eigene Security, Begrüßungsgespräche mit Gästen, und wer für 50 Cent | |
reinkommen will, muss sich vorher anmelden. Sowieso versuchen sie auf | |
Diversität, Frauenquote und Ausgewogenheit zu achten. | |
Und auf faire Eintrittspreise. Da wird es allerdings immer schwerer, | |
Einfluss zu nehmen. Der Ticketmarkt wird zunehmend monopolisierter. Doch | |
wer sich ein Konzert nicht leisten kann, darf mithelfen und kommt dann | |
umsonst rein. „Viele Konzertgäste wissen aber gar nicht, dass man sich hier | |
ehrenamtlich engagieren kann“, glaubt Ben. | |
Ob die Boykottaufrufe noch nachhallen? Von denen sei kaum etwas zu spüren, | |
sagt Robert. „Nur die Vorband einer Punkband hat deswegen mal abgesagt.“ | |
13 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /BDS-boykottiert-drei-deutsche-Clubs/!5616154 | |
[2] /Fluechtlinge-im-Conne-Island/!5344474 | |
[3] /G20/!t5028527 | |
## AUTOREN | |
Juliane Streich | |
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