# taz.de -- Direktkandidatin in Dresden: Sie hatte „Ostweh“ | |
> Uta Gensichen war mal Journalistin. Zur Wahl in Sachsen will sie von | |
> Dresden aus linke Politik mit Ökothemen verbinden. | |
Bild: Uta Gensichen | |
DRESDEN taz | Uta Gensichen muss sich noch an ein paar Dinge gewöhnen. Etwa | |
daran, ihr Bild auf Plakaten zu sehen. Oder dass sie jetzt an Infoständen | |
steht, um mit allen möglichen Menschen zu quatschen. „Neulich habe ich | |
länger mit zwei Briefzustellern geredet – furchtbar, die arbeiten oft | |
12-Stunden-Schichten“, sagt sie in einem Café in der Dresdner Neustadt, | |
nicht weit entfernt vom Bürger*innenbüro der Linken. | |
Gensichen ist Direktkandidatin im Dresdner Wahlkreis 47, der sich über | |
beide Seiten der Elbe erstreckt. Ein Wahlkampfslogan lautet: „Gusche auf | |
für höhere Löhne und gute Arbeit.“ „Gusche“ ist im sächsischen Raum e… | |
saloppe Bezeichnung für den Mund. Und wenn Gensichen die Gusche aufmacht, | |
dann klingt es so, als würde sie laut denken. Auf die Frage, warum die | |
38-Jährige entschieden hat, vor vier Jahren nach Dresden zu ziehen, sagt | |
sie: „Ich habe etwas Heimweh gehabt. Obwohl ‚Heimat‘ – das ist ein | |
schwieriger Begriff. Vielleicht Ostweh?“ | |
Geboren wurde sie 1981 in Rostock, sie hat Punkzeiten in der Jugend hinter | |
sich, entschied sich, Politik zu studieren, putzte nebenbei und arbeitete | |
in einer Studikneipe. | |
Gensichen war noch jung, als die Mauer fiel. Aber der Umbruch, „der harte | |
Transformationsprozess, der hat mich geprägt“. Ihre Mutter verlor ihren | |
Job als medizintechnische Angestellte. Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, | |
wechselnde Jobs, das kennt sie aus ihrem Elternhaus. Auch ihr Vater schlug | |
sich durch mit verschiedenen Berufen, arbeitete als Seemann, Kraftfahrer, | |
als Hausmeister. Gensichen sagt: „Ich komme aus einem | |
Arbeiter*innenmilieu.“ | |
Wenn sie das Wort ausspricht, macht sie an der Stelle, wo das Sternchen | |
steht, beim Sprechen eine kurze Pause. Die perfekte Melange für das | |
Arbeiterkind, das studiert hat und heute bei Verdi aktiv ist. „Bio oder | |
nicht bio war mir eigentlich lange egal, bis ich eine Dokumentation über | |
Monsanto gesehen habe.“ | |
Nach ihrem Politikstudium in Rostock und Münster geht sie nach Hamburg – | |
[1][volontiert] bei der taz, zieht aber bald weiter. Sie arbeitet beim | |
Verbrauchermagazin Ökotest in Frankfurt am Main, pendelt zwischen Dortmund | |
und Aschaffenburg, dem Sitz des Naturkostmagazins Schrot und Korn. | |
## Aktiv bei Verdi | |
Gensichen tingelte als Journalistin durch den Westen der Republik. „Ich | |
hasse es, von Ost und West zu sprechen“, sagt sie. „Ich möchte | |
gegenseitiges Verständnis und einen differenzierten Blick, aber ohne diese | |
Worte kann ich manches nicht richtig ausdrücken.“ Im Ruhrpott habe sie | |
durchaus Parallelen gesehen. | |
Dann erzählt sie aber auch, wie sie „Lieblingsossikollegin“ genannt wurde, | |
dass sie tolle Menschen getroffen habe, aber immer wieder das Gefühl hatte, | |
nicht verstanden zu werden, sich erklären zu müssen. „Im Osten hat sich | |
vieles nach der Wende radikal verändert – das Land war weg, Betriebe haben | |
dichtgemacht, Menschen wurden arbeitslos, die einen gingen in den Westen, | |
andere blieben. Und dann treffe ich auf Menschen, deren Städte seit dreißig | |
Jahren gleich aussehen. Wie soll ich so jemandem erklären, was dieser | |
Transformationsprozess mit einem macht?“ | |
2015 geht sie nach Dresden. Auch weil die Rechte erstarkt. Über die AfD | |
möchte sie nicht reden: „Es gibt wichtigere Themen. Die sächsischen Löhne | |
sind im Vergleich zum Westen sehr niedrig. Arbeiter*innen organisieren sich | |
kaum.“ | |
Lieber konzentriert sie sich auf Dinge, die ihr wichtig sind. Sie ist aktiv | |
bei Verdi, 2018 initiiert sie das Jane’s Walk Festival, bei dem | |
Bürger*innen kostenlos durch die Stadt führen. Sie träumt von einer | |
autofreien Innenstadt, arbeitet seit 2016 als wissenschaftliche | |
Mitarbeiterin für die Landtagsabgeordnete Sarah Buddeberg. | |
Nun möchte sie es selbst probieren: Sie ist auf Listenplatz 27. | |
Aussichtsreich ist das nicht. Und bei der Landtagswahl 2014 holte die Linke | |
nur ein Direktmandat. Sie aber sagt: „Es ist nicht chancenlos. Und wenn es | |
klappt, dann will ich linke Gewerkschaftspolitik mit Ökothemen verbinden.“ | |
1 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Gleichstellung/!5137856 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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