| # taz.de -- Provinzler in der Stadt: Payback time, Freunde | |
| > Im Sommer strömten die Städter aufs Land. Im Winter ist es genau | |
| > andersherum. Und wir wollen jetzt kein Gemaule hören. | |
| Bild: Der Herbst kommt – und mit ihm kommen die Provinzler | |
| Es sind dies die Tage des Jahreszeitenwechsels. Der Sommer klappt in den | |
| Herbst, man spürt es an der morgendlichen Kühle, dem Tau im Gras und der | |
| Wäsche, die nicht recht trocknen will. Schon wird [1][der Garten | |
| überprüft]: Was muss beschnitten werden, was kompostiert? Schaffen die | |
| Tomatenpflanzen noch ein paar Früchte? Und juhu, das Pfaffenhütchen ist | |
| auch wieder da – in Pink und Orange, wie es sich gehört. | |
| Abends, wenn es dunkel wird – und das tut es jetzt immer früher –, ziehen | |
| wir Dörfler die Strickjacken fest um unsere Schultern und schauen trübe in | |
| die Finsternis. Das war's jetzt schon wieder mit dem Sommer? Nicht mehr | |
| draußen plauschen und grillen und abends noch den Sprenger laufen lassen? | |
| Und dann fällt uns wieder ein, dass es da ja noch die Stadt gibt. Den Ort, | |
| der auch abends hell erleuchtet ist und wo sie in den Restaurants richtig | |
| gut kochen können und wo es [2][Theater gibt] und Kinos. Der Ort, an dem | |
| die Hunde beim Gassigehen keine blinkenden Halsbänder brauchen, damit sie | |
| nicht übersehen werden. Wir machen uns also auf in die Stadt. | |
| Die herbstliche und winterliche Gastro- und Kulturreise des Provinzlers in | |
| die Metropole ist gewissermaßen unser unangekündigter Gegenbesuch bei euch | |
| Städtern. | |
| ## Geben und nehmen | |
| Monatelang haben wir euch in unseren Wäldern, an unseren Stränden und in | |
| unseren Badeseen bei eurem Treiben zugeschaut. Wir haben getan, als hätten | |
| wir euch nicht bemerkt, als ihr indiskret und durchaus ein bisschen gierig | |
| über die Hecke in unseren Garten gestarrt habt. Haben nichts gesagt, wenn | |
| ihr stundenlang vor uns in der Schlange mit euren (sorry!) inkompetenten | |
| Kindern über die Eissorten sowie deren Darreichungsform (Waffel! – Nein, | |
| Becher!) verhandelt habt. Und an jedem Montag haben unsere Gemeindearbeiter | |
| eure Pfandflaschen, Pizzakartons und kaputten Luftmatratzen aus den | |
| Mülleimern gepolkt. Ja nee, klar. Kein Ding! | |
| Aber jetzt ist Payback time, Freunde. Achtung, wir kommen jetzt zu euch | |
| rein! Und wir wollen kein Gemaule hören, wenn wir nicht rechtzeitig vor | |
| euren sirrenden Falträdern vom Radweg springen. Auch nicht, wenn wir euch | |
| nach dem Weg fragen oder uns miteinander lautstark in der Straßenbahn | |
| unterhalten, während ihr unter euren Bose-Kopfhörern schmort. | |
| Ihr müsst das als ein Geben und Nehmen betrachten: Wir haben euch einen | |
| Sommer lang unsere Provinz geliehen, jetzt hätten wir über den Herbst und | |
| den Winter gern eure [3][Metropole zur Verfügung] gestellt. Und keine | |
| Sorge, ihr habt auch was davon. Wir marschieren in eure schönen Museen und | |
| subventionierten Theater und die schrillen Restaurants, und was wir dort | |
| sehen, nehmen wir mit und stecken unsere nagelneue kulturelle Kompetenz in | |
| eine noch schönere Provinz. Und wenn ihr nächsten Frühling wiederkommt, | |
| gibt's vielleicht, vielleicht endlich Hafermilch statt Sprühsahne auf den | |
| Cappuccino. Also, bis gleich in eurer Nähe! Wir sehen uns. | |
| 10 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
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