# taz.de -- Neues Ressort für Debatten in der „Zeit“: Welchen „Streit“… | |
> Die Wochenzeitung hat ein neues Ressort mit dem Titel „Streit“. Für eine | |
> bessere Debattenkultur. Und was meinen die damit? | |
Bild: Charlotte Parnack und Jochen Bittner leiten das Ressort „Streit“ | |
Ob wir überhaupt noch miteinander reden können, fragt man sich seit ein | |
paar Jahren auf Podien. Ein Riss gehe durch die Gesellschaft, es gebe keine | |
[1][produktiven Debatten] mehr. Das finden so einige, auch | |
Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der im Branchenportal Meedia das | |
neue Zeit-Ressort „Streit“ bewirbt. | |
Di Lorenzo findet die Debatte in Deutschland [2][„vergiftet“], der Diskurs | |
werde „von den Rändern her bestimmt“ und sei „geprägt vom unbedingten | |
Vorsatz, die jeweils andere Seite misszuverstehen“. Dagegen soll es nun | |
„Zeit Streit“ geben, um „den Begriff Streit wieder positiv zu besetzen und | |
ihm eine kleine, feine Bühne zu bieten, auf der man hart in der Sache, aber | |
verbindlich im Ton diskutieren kann“, sagt Lorenzo. | |
Eine spannende Frage ist, ob es hier überhaupt etwas zu reparieren gibt. | |
Das kann man aus Shitstorms und erhitztem Schlagabtausch auf Social Media | |
natürlich schließen. Ob Menschen außerhalb ihrer Netz-Avatare und | |
Autor*innen-Personae wirklich nicht mehr miteinander sprechen können, ist | |
derweil ungeklärt. Möglicherweise bleibt etwas ganz anderes unerfüllt: Das | |
Bedürfnis der bürgerlichen Mitte, im Streit nett und freundlich zu bleiben. | |
Aber nehmen wir mal an, es stimmt und die Debattenkultur muss besser | |
werden, dann ist die Frage, wie. | |
Die Zeit zum Beispiel hat für ihr neues Ressort den US-Kolumnisten Bret | |
Stephens eingekauft, der künftig sechsmal im Jahr über ein Thema seiner | |
Wahl schreiben wird. Bret Stephens ist seit 2017 Kolumnist der New York | |
Times und schrieb vorher beim Wall Street Journal über Außenpolitik. | |
Berühmt ist Stephens auf zweierlei Art. Einerseits dafür, dass er sich als | |
Konservativer gegen US-Präsident Trump positioniert. Und zweitens, weil er | |
sich in Sachen Klimawandel um eine provokante Position bemüht. | |
## Jeder denkbare Standpunkt | |
So erkennt Stephens zwar den wissenschaftlich nachgewiesenen Klimawandel an | |
– auch als menschgemachten –, bezieht aber trotzdem regelmäßig Stellung | |
gegen die Klimabewegung. So kritisierte er 2017 in der New York Times die | |
„Gewissheit“, mit der politische Bewegungen vor verheerenden Auswirkungen | |
des Klimawandels warnen. [3][Stephens Argument]: „Wenn weniger Gewissheit | |
über die Zukunft des Klimas bestünde, dann hätten vielleicht mehr | |
Amerikaner ein Interesse daran, vernünftig darüber zu diskutieren.“ | |
Einige sehen darin eine industriefreundliche Strategie, um den Klimawandel | |
zwar nicht zu leugnen, aber doch das Thema politisch wirksam | |
herunterzuspielen. Andere vermuten, dass Stephens einfach die „unbeliebte | |
Meinung“ als Nische für sich kultiviert – entsprechend der im US-Diskurs | |
typischen ultraliberalen Vorstellung, dass jeder auch nur im Entferntesten | |
vorstellbare Standpunkt von jemandem eingenommen und vertreten werden muss. | |
Kürzlich äußerte sich Stephens dann noch zur aktuellen Streitkultur in den | |
USA und [4][rückte sie in die Nähe des Deutschlands der 1930er]. | |
Auf Nachfrage, welche Debattenkultur Bret Stephens in die Zeit tragen soll, | |
teilt Ressortleiter Jochen Bittner mit: dieser Standpunkt sei hoffentlich | |
von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das stimmt. Aber es stimmt nicht gerade | |
hoffnungsvoll bezüglich der Zeit-Streitkultur. | |
5 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Anleitung-fuer-eine-bessere-Streitkultur/!5529794 | |
[2] https://meedia.de/2019/09/04/der-diskurs-im-land-ist-unglaublich-vergiftet-… | |
[3] https://www.nytimes.com/2017/04/28/opinion/climate-of-complete-certainty.ht… | |
[4] https://www.nytimes.com/2019/08/30/opinion/world-war-ii-anniversary.html | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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