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# taz.de -- Eine Golf-Kolumne? In der taz!?: Eben drum!
> Das ist ja schlimmer als Bundeswehranzeigen oder ein einzig lobend Wort
> für die Klimamörder von RWE. Ist Golf Schnöselsport, nur für Reiche?
Bild: Der kürzeste Branchenwitz lautet: „Ich kann’s jetzt.“ Golf kann ma…
Golf ist der absurde Versuch, viel zu kleine Bälle mit ungeeignetem
Werkzeug über viel zu weite Strecken in ein viel zu kleines Ziel zu
befördern.“ (Branchenweisheit) Mal angenommen, Deutschlands großer
Schlägerschwinger Bernhard Langer, 62 und immer noch so erfolgreich
unterwegs wie weltweit nie zuvor ein Senior, hätte seine Karriere nicht um
1980 sondern 20 Jahre früher gestartet. Dann wäre Golf womöglich schon zu
Zeiten der taz-Gründung längst Volkssport gewesen. Golf könnte längst die
selbstverständliche Freizeitbeschäftigung Millionen Deutscher sein – so wie
es in angelsächsischen Weltenecken mit ihren Idolen Ben Hogan, Harry
Vardon, Greg Norman oder Jack Nicklaus seit Langem der Fall ist. In diesem
Land aber quält sich Golf mit seinem Image, und es wird LeserInnen geben,
die sagen: eine Golfkolumne? Dafür wurde diese Zeitung nicht gegründet!
Das stimmt vermutlich sogar. Aber Dinge ändern sich, ab sofort gilt einmal
im Monat: taz goes Golf. Gut, Millionen werden ihr Abo kündigen: Golf?! Das
ist ja schlimmer als Bundeswehranzeigen oder ein einzig lobend Wort für die
Klimamörder von RWE. Wer dennoch durchhält, kann Vorurteile prüfen,
verblüffende Dinge erfahren und wird zum Durchatmen mit vielen golffreien
Ausgaben belohnt. Versprochen.
„Hast du noch Sex, oder spielst du schon Golf?“ Was nährt diesen
Schenkelklopfer, den alle kennen? Nur Betagte spielen Golf, denen man
vorurteilsprall keinen Sex mehr zutraut. Tatsächlich ist Golf vielfach
Ältereleutesport, nicht weil es so müßig wäre, dass man es auch jenseits
der 60 oder 70 mit verschlissenen Hüften und schwächelnder Pumpe noch
hinbekommt. Sondern weil es so zeitintensiv ist. Eine Runde dauert ohne
Anfahrt vier Stunden und mehr. Wer hat dafür als BerufstätigeR die Muße?
Eben.
Der kürzeste Branchenwitz lautet: „Ich kann’s jetzt.“ Golf kann man nie.
Der Golfschwung ist der komplizierteste Bewegungsablauf in der humanoiden
Sportwelt. 130 Muskelgruppen müssen im exakt perfekten Moment im fein
abgestimmten Tempo das Gewünschte tun. Minimale Abweichungen vom Soll haben
maximal desaströse Folgen. Den perfekten Hieb gibt es ohnehin nicht. Ein
passabler Hobbyspieler braucht im Schnitt 5 Schläge für eine Bahn. Schon
eine 8 oder 9 verschweigt man nachher beim Bier besser. US-Profi David
Duval, 2001 Sieger der British Open, spielte dort in diesem Juli an einem
Par 5 eine 14. Vierzehn! Golf egalisiert. Momentweise.
## Wer sind die GolfspielerInnen?
Golf ist Schnöselsport, nur für Reiche? Ja, das war in Deutschland mal so.
Seit gut 20 Jahren ist die Welt des Einlochens indes zweigeteilt: Es gibt
weiterhin die alten Clubs voller Nasehochträger, in denen man nicht wegen
des Sportelns Mitglied wird sondern um sich beim Netzwerken (früher:
Kungeln) gegenseitig seiner Bedeutung zu versichern. Anders die Investoren,
die eine Golfanlage bauen, um schnöde damit Geld zu verdienen – wie bei der
Badmintonhalle oder dem Freizeitpark: Die nehmen Mitglieder auch ohne
Doktortitel.
Da spielen dann, wie in meinem Club gleich hinter der belgischen Grenze:
Pauker, Hochschullehrer, Sonderpädagogin, Physiotherapeutin,
Krankenpfleger, Tankstellenpächter, Hausfrau, Rentner, ein Haufen
Fluglotsen (Eurocontrol Maastricht), ein Sozi-Stadtrat. Oder Aachener
Exprofikicker wie der Zweimeter-Zweizentner-Zweitligabriegel Günter
Delzepich, Thomas Stehle und Sascha Rösler – lauter ehrenwerte Menschen
jenseits von Anwälten, Miethaien und FDP-Politikern. Solche Leute treffen
sich vor Ort in ihrem Businessbiotop Aachener Golf-Club, einem
altehrwürdigen Nasebesondershochverein.
Was mache ich hier? Ich verteidige den schönen Sport als wäre ich im
Abwehrreflex. Gut, ich ordne ein wenig. Und gern preise ich den Moment,
wenn man den kleinen Ball ab und an exakt wie gewollt mittig und saftig
satt trifft und er Richtung Unendlichkeit aufsteigt, als wolle er in eine
Umlaufbahn um den großen starten. Dann denkst du „Ich kann’s jetzt“ und
weißt, dass das Quatsch ist.
## Ein Kleineleutesport?
Oder gibt es ihn doch, den perfekten Hieb? Ein Hole-in-One, also das
Versenken des Balles mit einem Schlag, ist ein sechsrichtigehafter
Glücksfall. Bernhard Langer schaffte sein erstes Turnier-Ass im Jahr 2007,
nach 30 Jahren Profidasein. Nun hat ein Hobbygolfer in Hot Springs,
Arkansas zwei Asse auf einer Runde geschlagen. Der Mann heißt Chuck Miller
und ist 81 Jahre alt. Ob er noch Sex hat, war seriös nicht zu
recherchieren.
„Golf ist richtiger Kleineleutesport geworden“, sagte hochnäsig im
Loriot-Sketch Evelyn Hamann bei einem Festessen. Der Sketch ist so alt wie
die taz. Wahrscheinlich bedeutet das nichts.
23 Aug 2019
## AUTOREN
Bernd Müllender
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