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# taz.de -- Golfer, die auf Golfer schauen: Ruhe bitte!
> Die Macher des Golfturniers European Open in Winsen wollen den Sport
> populärer machen. Aber Golfer bleiben gern unter sich. Ein Zielkonflikt.
Bild: Volle Konzentration: Max Schmitt und sein Porsche
Winsen taz | „Stillstehen, bitte“, ruft ein Ordner. Kein Grashalm darf
rascheln, keine Kamera klicken. Solange „QUIET“ auf den hochgehaltenen
Schildern steht, sind die ZuschauerInnen auf dem Golfplatz
mucksmäuschenstill. Das leiseste Flüstern könnte die Spieler aus der
Konzentration bringen.
Auf dem Rasen sucht Max Schmitt seine Position, wippt von einem Fuß auf den
anderen. Als er schlägt, drehen sich die etwa 20 ZuschauerInnenköpfe dem
Ball hinterher. Ein kollektives Aufatmen, als der Spieler den Schläger
sinken lässt. Als hätten die BeobachterInnen vor Spannung die Luft
angehalten.
Mit dem European Open-Turnier in Winsen wollen die VeranstalterInnen ein
breiteres Publikum erreichen. Sie richten sich nicht nur an Golf-Fans,
sondern an „alle Sport-Fans, Event-Interessierten und Familien“. Hoffnungen
weckt da ein junger Spieler wie Max Schmitt. Im vergangenen Jahr ist der
21-Jährige von der Amateur- in die Profiliga gewechselt, bei der
europäischen Tour ist er zum ersten Mal dabei. In Winsen behauptet er sich
in der zweiten Runde gegen den US-Amerikaner Matt Kuchar. Der steht in der
Weltrangliste mehr als 500 Plätze vor ihm. Schmitt gilt als
Hoffnungsträger, der eine internationale Karriere vor sich hat.
Auf dem Fairway, wo der Ball landen soll, tragen Caddies die Ausrüstung zum
nächsten Abschlag. Auch das gehört zum versnobten Image: Der Sportler
kümmert sich nicht selbst um seine Schläger. Neben den kräftigen Helfern
bewegen sich die Golfer, als trügen sie maßgeschneiderte Anzüge.
## Funktionshose mit Bügelfalte
Wenigstens hat die Funktionshose eine Bügelfalte. Für die Teilnehmer gilt
ein strikter Dresscode: Hemden haben einen Kragen und stecken in der Hose,
der Schirm der Kappe zeigt nach vorne. Erst vor wenigen Jahren hat die
European Tour kurze Hosen auf ihren Wettbewerben erlaubt.
Auch am Rand der Bahn sind Polohemden die Regel, Jeans die Ausnahme. Unter
ihren Kappen kneifen die ZuschauerInnen die Augen zusammen, um den Ball
gegen die Sonne noch zu erkennen. „Das klang dumpf, der Ball liegt ganz
sicher im Sandbunker“, behauptet ein Beobachter. Wie gut, dass sein
Begleiter ein Fernglas dabei hat, um ihm das zu bestätigen.
Eigentlich wollen die VeranstalterInnen das Turnier für alle öffnen. Karten
gab es schon ab 25 Euro, für unter 18-Jährige ist der Eintritt sogar frei.
Am Freitag kommt zudem kostenlos auf das Gelände, wer ein Fußballtrikot
trägt, denn am Abend spielt in Hamburg Deutschland gegen die Niederlande.
Die anwesenden Fußballfans sind aber vor allem auch Golfer: Unter den
meisten Trikots schaut der Kragen eines Polohemdes hervor. Die meisten
BesucherInnen kennen sich eben aus oder sind selbst Hobbygolfer.
Sie verstehen die komplizierte Zählweise: Für jede Bahn gibt es eine
Idealzahl von Schlägen bis zum Loch, das Par. Gewertet wird die Differenz
der tatsächlich benötigten Schläge zum Par. Ein Ergebnis von -5 ist
dementsprechend gut, eines von +5 eher schlecht. Dazu kommen etliche
Strafschlag-Regeln.
Vielleicht liegt es deshalb in der Natur des Spiels, dass Golfturniere
keine allgemeinen Publikumsmagneten sind. Eine Runde dauert im Schnitt mehr
als drei Stunden, die ZuschauerInnen müssen immer wieder warten. Manche
setzen sich zwischendurch auf einen einbeinigen Hocker, den sie mit sich
herumtragen.
## Künstliche Landschaft
In dem Labyrinth aus künstlichen Sandbunkern, Teichen und Rasenflächen
laufen sie bis zum letzten Loch mehr als acht Kilometer. Ordnung muss dabei
sein: Das Betreten der Grüns ist streng verboten, schließlich sind die
höchst empfindlich. Landet ein Ball im Sand, muss der Caddy den Bunker
sofort nach dem Schlag wieder glatt harken.
Für die Sportler ist das Turnier vor allem eine mentale Anstrengung. Bei
jedem Schlag müssen sie sich extrem konzentrieren. Lautes Jubeln ist
ausdrücklich nicht erwünscht.
Am letzten Loch gibt es trotzdem eine Zuschauertribüne. Eine Leinwand
überträgt abwechselnd, was auf den anderen Bahnen passiert. Gerade in der
VIP-Lounge sind die Gäste so bestens informiert – auch ohne über den
gesamten Golfplatz laufen zu müssen.
## Zahlungskräftige Kunden
Denn einerseits sollen sich die European Open öffnen, andererseits will man
die alten KundInnen nicht verlieren. Denn die zahlen gut. Für knapp 300
Euro am Tag erhalten die Gäste Zutritt zur exklusiven „Eagle Lounge“, die
Karte für den noch exklusiveren „Albatros Club“ darüber kostet mehr als
400 Euro. Der ideale Ort, „um Geschäftsverbindungen zu stärken oder neue
Partnerschaften aufzubauen“, heißt es auf der Webseite des Turniers.
Diese Gäste will wohl auch Hauptsponsor Porsche ansprechen. Den Start jeder
Bahn markieren Modellautos, ein orangener SUV in voller Größe schwimmt auf
einer Plattform im Wasser neben dem 18. Loch. Am Eingang gibt es die
Sportwagen auch zu kaufen – für alle, die mindestens 100.000 Euro übrig
haben. Gleich daneben können die BesucherInnen den nächsten Urlaub auf Sylt
buchen und ihr Konto bei einer Privatbank eröffnen.
## Leben in einer Blase
Auch die Golfer selbst leben häufig in dieser Blase. In Winsen bekommt der
Sieger Paul Casey 333.330 Euro, in den USA gibt es Gewinne in
Millionenhöhe. Das Programmheft vom Freitag stellt Sportler Max Schmitt in
einem Kurzinterview vor. Die dritte Frage: „Wenn Sie nur einen Porsche
fahren dürften, welcher wäre das?“ Er weiß es genau: den 991 GT2 RS.
Der 21-Jährige hat es am Wochenende nicht in die zweite Wettbewerbshälfte
geschafft. Aber selbst wenn er zum internationalen Golfstar wird und das
Turnier in Winsen fest zum europäischen Wettbewerb gehört: Die Golfer und
ihre reichen FreundInnen bleiben unter sich.
9 Sep 2019
## AUTOREN
Jana Hemmersmeier
## TAGS
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