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# taz.de -- Gegen das Vorurteil des Dünkels: Golfen in der Industriestraße
> Sind Schlägerschwinger wirklich alle Schnösel, die ihren Sport nur an den
> feinsten Adressen ausüben? Eine Recherche widerlegt das Klischee.
Bild: Vor Dubai entspricht der Golfplatz eher den Klischeevorstellungen über d…
„Golf und Sex sind die einzigen Dinge, die Spaß machen, selbst wenn du
nicht wahnsinnig gut darin bist.“ Behauptet eine Branchenweisheit. Darüber
kann mein Freund Tom nur mild lächelnd den Kopf schütteln. Tom ist ein
leidenschaftlicher Bespötter jedweden Schlägerschwingens. Neulich lästerte
er mal wieder: „Na, du hast wieder sexartig auf einem neuen Platz gespielt?
Wahrscheinlich auf Gut Hochmut in der Schlossallee von Bad
Burg-Mühlengrund. Haben der gastgebende hochwohlgeboren Herr Baron denn
auch partizipiert am höfisch-edlen Bälleschubsen …“ So was in der Art. Tom
sieht im Golfsport ein Synonym für Dekadenz und Schnöseltum.
So manche Anlage trägt tatsächlich einen hochherrschaftlichen Namen. Da hat
man leicht stänkern. Aber: Sind besonders edel scheinende Namen und
Adressen Ausnahme oder Mehrheit? Und: was wollen sie uns sagen? Tom und ich
durchforsteten die rund 800 Namen und Anschriften deutscher Clubs. Tom
jauchzte, als er einen Fürstlichen Golfclub entdeckte oder die Adresse
Wasserschlossweg. „Siehste!“, sagte er triumphierend, „und sieh mal – n…
so ein Edelgehöft!“ Was, antwortete ich, ist an Mergelhof schlimm oder an
Velderhof? Früher wurde da geackert, jetzt wird eben gelocht.
Wir erstellten Strichlisten. Einer halben Hundertschaft ist das schlichte
Golfclub als Name zu wenig: Den Golf- & Landclub gibt es 18-mal, den Golf-
& Countryclub sogar 35-mal, einmal Golf & Health, einmal Golfsportclub. Tom
verpasste den gemeinen Umkehrschluss, dass in all den anderen Clubs kein
Sport getrieben würde. Hofgut im Namen findet sich 12-mal, einmal taucht
der Gutshof auf und woanders als Adresse Gutshofallee. Burg im Namen gibt
es 5-mal, die Mühle 7-mal, dazu 4 Rittergüter. Viel ist das bei 800 nicht,
musste Tom zugeben.
Bei den Höfen kommen fast alle Bäume ins Spiel: Birkenhof, Buchenhof,
Lindenhof, Tannenhof. Tom punktete grinsend bei den Schlössern. Satte
33-mal wird an Schloss Sowieso gespielt, darunter ein westfälisches
Wasserschloss, ein Jagdschloss und das besonders klangreiche Schloss
Klingenburg. Tom muss indes zugeben: Wo früher Seine Durchlauchtlichkeit,
Fürst Kaltherz sein Volk knechtete, ist Golf [1][ein kleiner demokratischer
Fortschritt.]
## 40 Jahre DDR überstanden
Als Adresse gibt es die Schlossstraße fünffach, je einmal: Schlossberg,
-platz, -weg, -hof und zwei Schlossalleen. Die beiden fand Tom gleich
typisch: „Golf als Monopoly, sehr witzig.“ Mehr als 80 Prozent aller
deutschen Golfclubs kommen ohne auffällige Bezeichnung daher. Richtig
kleinlaut wurde Tom bei diesen Club-Anschriften: Hohlacker, Eselspfad,
[2][Industriestraße] (gleich 2x), Am Hirschfuß oder Im Tellergrund.
Und Opelstraße als Anschrift ausgerechnet für Dietmar Hopps Renommierclub
St. Leon-Rot ist fast schon proletarisch. Potsdam bietet ein besonderes
Kuriosum. Seit Ende der 1920er Jahre gibt es dort die Straße Am Golfplatz,
obwohl rundum nirgends gegolft wird. Der namensgebende Golfklub Nedlitz
existierte nur ein paar Jahre vor fast einem Jahrhundert. Der Straßenname
aber überlebte den Faschismus, 40 Jahre DDR und die Wiedervereinigung.
Freund Tom darf staunen: Golf ist so universell, dass es sogar da ist, wo
es nicht ist.
Aus dem Abc der Vorurteile – heute D wie Dünkel: „Dieses Feine-Leute-Getue
ist doch fürchterlich, immer Nase hoch, edel angezogen, nur Schnösel …“
Wahr ist: Eklige Schnösel gibt es wie überall. Viel bemerkenswerter ist das
Chamäleon-Phänomen: Manche tun feiner, als sie sind, dem vermeintlichen
Edelgehöftdasein geschuldet und einer Fremderwartung. Und: Golfer grüßen
schon vor dem Platz immer jeden, auch völlig Unbekannte. Könnte ja jemand
Wichtiges sein. Schön albern.
1 Feb 2020
## LINKS
[1] /Golf-ohne-Club/!5091842
[2] https://www.golfclub-habichtswald.de/content/
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
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Klischee
Golf
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