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# taz.de -- Mit dem E-Bike auf den Berg: Lift unterm Hintern
> Natursportler haben einen neuen Feind ausgemacht: elektrisch betriebene
> Mountainbikes. Sie erregen Unmut und verursachen Unfälle.
Bild: Mit dem E-Bike in den Bergen. Schwierig wird es beim Bremsen
Der große Krieg ist eigentlich zu Ende. In den 90er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts wurden die letzten großen Schlachten geschlagen. Wanderer, die
sich von Kiefersfelden aus durch die wild-romantische Gießenbachklamm über
steile Asphalt- und Schotterrampen hochgequält haben zum Brünnsteinhaus,
wollten es lange nicht einsehen, dass die hochprozentigen Anstiege im
Mangfallgebirge von Radfahrern als ideales Terrain betrachtet wurden.
Wer seinerzeit mit dem Mountainbike in den bayerischen Voralpen unterwegs
war, der musste mit Beschimpfungen rechnen. Weil aber die Hüttenbetreiber
nichts gegen die neue Kundschaft hatten, wurden Fahrradständer in über
1.300 Metern Höhe zur Normalerscheinung in den Bergen.
Längst haben sich die Wanderer daran gewöhnt, die breiteren Wege durchs
Gebirge mit Radfahrern zu teilen. Dass Anfang August in einem Wandergebiet
über dem Schliersee im Oberland ein Biker von einem Fußgänger regelrecht
vermöbelt wurde, sodass er im Spital behandelt werden musste, darf man
getrost als Ausnahme bezeichnen. Es gibt ohnehin neue Konfliktlinien in den
bayerischen Bergen.
Michael Dürr kennt die Stimmung. Radlern, die sich ohne elektronische
Unterstützung den Berg hinaufquälen, bekommen seit ein paar Monaten
anerkennende Kommentare von Wanderern zu hören. „Bioradler“ nennt er sich,
wenn er auf sein Mountainbike steigt. Dürr, ein Mann in den Vierzigern, so
drahtig, wie man sich einen Bergfex im besten Sinne vorstellt, engagiert
sich im Deutschen Alpenverein. Für die Sektion Schongau leitet er
Mountainbike-Touren, gibt Techniktipps und führt Fahrtrainings durch. In
diesem Jahr beackert er ein neues Feld. Er bringt interessierten
Mitgliedern das Fahren mit dem E-Mountainbike bei.
## Auf dem Übungsparcours
Die sich angemeldet haben, waren alle schon mit dem E-Mountainbike
unterwegs. Sie kommen mit dem eigenen Rad zur Schulung. Kursleiter Michael
Dürr hat in einer Parkanlage einen kleinen Übungsparcours abgesteckt. Der
wird am Übungstag nicht verlassen. Die Ammergauer Alpen hinter der
malerischen Stadt im Pfaffenwinkel bleiben Kulisse an diesem Tag. Im Kurs
geht es um das Erlangen der Bergreife für das Fahren mit dem
E-Mountainbike.
Was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort feststellen: So richtig
beherrscht keiner sein schweres Gefährt. Zwar ist es leicht, den Motor
zuzuschalten, die kleinen Steigungen auf einem Grashügel zu überwinden,
aber wenn es darum geht, immer kleinere Kreise zu fahren, Hindernisse zu
überwinden, Geschicklichkeitsübungen mit einer Hand am Lenker zu
absolvieren, sieht es anders aus.
Ganz schwierig wird es beim Bremsen. Für Dürr das zentrale Element seines
Kurses. Die monströsen Räder mit den schweren Batterien so
herunterzubremsen, dass die Wege keinen Schaden nehmen. Er sei vor Kurzem
hochgefahren auf die Kenzenhütte, die auf gut 1.200 Metern Höhe über dem
Lechtal liegt. Da seien ihm die Bremsspuren aufgefallen. Er ist sich
sicher, dass sie von E-Mountainbikes stammen. „Es geht darum, schonend zu
fahren“, erklärt er. Die Übungsgruppe soll einen kleinen Schotterweg
herunterfahren, Tempo aufnehmen und am Ende so bremsen, dass die Laufräder
nicht blockieren. So richtig mag das niemandem gelingen.
Das passt zu den Geschichten, die Bergführer in den Alpen zu erzählen
wissen. Die Geschichte eines Paares aus Niedersachsen, das sich in Bad
Reichenhall nagelneue E-Mountainbikes ausgeliehen hatte und damit
hinaufgefahren war zum Müllnerhörndl in den Chiemgauer Alpen, hat
Medienkarriere gemacht. Es wurde viel berichtet über den Einsatz der
Reichenhaller Bergwacht. Die brauchte zwar das Paar nicht zu retten, doch
weil die Sommerfrischler schließlich zu Fuß ins Tal hinabsteigen mussten,
weil sie sich die steile Abfahrt nicht zutrauten, mussten die Bergretter
die Bikes der beiden bergen.
## Naturschonendes Fahren
Auch Robert Zimmermann, der im Kenzengebiet bei Schongau in der dortigen
Bergwachthütte regelmäßig Dienst schiebt, kennt das Problem. Im vergangenen
Jahr hat er beobachtet, wie zwei Urlauber ihre Räder von der Kenzenhütte
heruntergeschoben haben. Ein Rad fand die Bergwacht im Wald, während vom
Besitzer keine Spur mehr zu finden war. Und in diesem Frühjahr habe er
etliche Schürfwunden von E-Mountainbikern behandelt, die auf der Abfahrt
gestürzt waren.
Zimmermann leitet die Sektion Schongau des Deutschen Alpenvereins. Er kennt
die Debatten über die elektronischen Aufstiegshilfen im Fahrradlook, die in
dem Verband geführt werden. Der wirkt einmal mehr ein wenig zerrissen,
wenn es um das Thema E-Mountainbike geht. Einerseits ist der DAV ein
Sportverband, der Bergsport ermöglicht und auch Wettbewerbe – etwa im
Klettern – organisiert. Auf der anderen Seite versteht er sich als
Umweltverband, der sich den Schutz der Bergwelt auf die Fahne geschrieben
hat.
Im Juni vergangenen Jahres hat die Sektion München des Alpenvereins
beschlossen, auf ihren neun Hütten in den Alpen keine Lademöglichkeiten für
E-Mountainbikes mehr anzubieten. Kurz darauf hat die Mitgliederversammlung
des DAV in Bielefeld eine Empfehlung an alle Sektionen ausgesprochen,
diesem Beschluss zu folgen. Gleichzeitig schult der DAV weiterhin
Übungsleiter wie Michael Dürr. Der tut nun sein Bestes, um den
Kursteilnehmern wege- und naturschonendes Fahren beizubringen.
Für Axel Döring ist das ein Spagat. Döring war über 40 Jahre lang
Revierförster in Garmisch-Partenkirchen und hat sich als Gegner von
Olympischen Winterspielen in seiner Heimatgemeinde profiliert. Im
BUND-Naturschutz kämpft er für den Erhalt des alpinen Lebensraums. Den
sieht er durch E-Mountainbikes massiv bedroht. Mit dem „Lift unterm
Hintern“ würden immer mehr Menschen auf schmalsten Pfaden die Berge
hinauffahren. Es gehe schon lange nicht mehr darum, älteren Menschen einen
Zugang zum Berg zu ermöglichen. Das E-Mountainbike sei zum Sport geworden,
bei dem es darum gehe, mit Motorunterstützung auch die abgelegensten Gipfel
der Alpen zu erreichen.
## Neureglung des Naturschutzgesetzes
Den Mountainbiker, der mit Muskelkraft unterwegs ist, halte die Schwerkraft
noch auf. Für die E-Mountainbiker sei sie indes kein Problem mehr. Neben
Flora und Fauna im Bergwald macht Döring noch ein weiteres „schützenswertes
Subjekt“ in den Alpen aus: den Wanderer. Während dieser als Naturgenießer
kontemplativ unterwegs sei, seien die E-Mountainbiker reine Naturbenutzer
und letztlich auch -zerstörer.
Sorgen bereiten ihm vor allem die hohen Zuwachsraten im Bereich
E-Mountainbike. Gut ein Viertel der 1 Million im Jahr 2018 verkauften
E-Bikes waren Geländefahrräder. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Absatz von
E-Mountainbikes um beinahe 60 Prozent gestiegen. Die Tourismusindustrie in
den Bergen hat den Trend längst entdeckt. Die ersten E-MTB Trails sind
eröffnet: In der Schweiz bezeichnet sich die Eiger-Region um Grindelwald
als E-MTB-Destination. Kitzbühel im österreichischen Tirol wirbt für sich
mit einem Angebot von 77 Akkuwechselstationen als größte E-MTB-Destination
der Welt. Bosch, der führende Hersteller von E-Bike-Antrieben, schiebt
diese Entwicklung an.
Mit einem aufwendig produzierten Clip wirbt Bosch für einen Bike-Park am
Geißkopf bei Bischofsmais im Bayerischen Wald. In dem Video könne man
sehen, wo der Trend hinführen werde, meint Döring. Es geht um Abenteuer in
der Bergwelt, um das Erschließen neuer Wege durch die alpine Landschaft.
Dörings Idee ist einfach. Zum Schutz all derer, die sich mit Muskelkraft
durch die Berge bewegen, solle man das Bayerische Naturschutzgesetz neu
anwenden. Darin sei geregelt, dass man sich durch Berge nur nicht
motorisiert bewegen dürfe. Dass E-Bikes aufgrund ihrer Emissionsfreiheit
als nicht motorisierte Fahrzeuge gelten, müsse man überdenken.
Handlungsbedarf sieht auch die bayerische Regierungspartei. In einem im
Juni vorgestellten Papier schlägt die CSU Oberbayern vor, in den Alpen
Schutzzonen auszuweisen, in denen Mountainbikes verboten wären. Das würde
allerdings auch die Bioradler treffen.
26 Aug 2019
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Mountainbike
Alpen
Unfälle
Elektrofahrrad
Tirol
Radsport
Bahn
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Hoffnungen setzt sie nun ins Elektrorad. Das Trendbike soll neue
Zielgruppen erreichen.
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