| # taz.de -- Rassismus bei Stadtverwaltung: Weißabgleich beim Blitzer | |
| > Ein Schwarzer fährt zu schnell durch eine Radarfalle. Das Amt vermerkt: | |
| > „Fahrer hat kein deutschstämmiges Aussehen.“ Nun herrscht Empörung. | |
| Bild: Warum interessiert Braunschweigs Verwaltung, welche Hautfarbe Verkehrssü… | |
| Berlin taz | Dass der Schleichweg, auf welchem er von seiner Arbeitsstelle | |
| in Wolfsburg nach Hause nach Braunschweig fuhr, eine Tempo-30-Zone ist, | |
| wusste Simon nicht. Er hat 55 km/h auf dem Tacho, wird geblitzt – und kurz | |
| darauf trudelt die Buße bei ihm ein. Simons Anwalt beantragt Akteneinsicht | |
| bei der Braunschweiger Stadtverwaltung und schickt ihm die PDF. Bei einem | |
| Vermerk wird er stutzig: „Fahrer hat kein deutschstämmiges Aussehen“. | |
| Simon wurde vor 35 Jahren geboren, deutsche Mutter, englischer, Schwarzer | |
| Vater. Er wuchs bei seiner deutschen Familie in Hannover auf. | |
| [1][Rassistische Situationen] habe er leider sein ganzes Leben erfahren, | |
| erzählt er. Überrascht sei er daher nicht gewesen, als er den Vermerk las, | |
| aber verärgert. Es sei nicht notwendig, bei einer Verkehrskontrolle auf | |
| sein Aussehen hinzuweisen und über seine „Deutschstämmigkeit“ zu | |
| spekulieren. „Sowas ist herabwürdigend und unangenehm“, findet er. | |
| Simons bester Freund, der Migrationssoziologe Cihan Sinanoğlu, [2][teilt | |
| das Erlebnis auf Twitter mit dem Hashtag #vonhier]. Gerade wenn offizielle | |
| Behörden des Landes auf diese Art und Weise rassistische Bemerkungen | |
| gegenüber Nichtweißen machen, sei es wichtig, das zu thematisieren. „Was | |
| hätte man jetzt geschrieben, wenn der Fahrer ein blonder, blauäugiger | |
| Schwede gewesen wäre? Hätte man dann genauso darüber gemutmaßt, dass er | |
| nicht deutsch aussehe?“, fragt sich Simon. | |
| Der Tweet findet viel Beachtung, die Bemerkungen wird scharf kritisiert. | |
| Twitter wäre nicht Twitter, wenn sich nicht auch Kommentaren finden würden, | |
| dass das Foto eben „keinen Deutschstämmigen zeige“. Nach der massiven | |
| Kritik [3][antwortete der Twitteraccount der Stadt Braunschweig] am | |
| folgenden Tag mit einem Statement. Es sei ein Fehler passiert und man wolle | |
| sich ausdrücklich für diese Formulierung entschuldigen. | |
| ## Stadt Braunschweig rudert zurück | |
| Gleichermaßen wird in dem Twitter-Statement versucht, zu rechtfertigen, wie | |
| es zu dem Fehler kommen konnte: „Wenn nicht einwandfrei geklärt werden | |
| kann, wer der Mensch auf einem „Blitzerfoto“ ist, ermittelt die Verwaltung | |
| die Fahrerin bzw. den Fahrer.“ | |
| Dazu werde die Aufnahme des Blitzers mit dem Foto des Fahrzeughalters aus | |
| dem Melderegister abgeglichen und das Ergebnis in einem Vermerk | |
| festgehalten. Für Simon ist das keine vernünftige Begründung. „Es wäre do… | |
| ausreichend gewesen, wenn man geschrieben hätte, dass die Idenitifkation | |
| bestätigt sei.“ Die Stadtverwaltung räumt allerdings auch ein, dass die | |
| Begründung in dem Vermerk „natürlich völlig unangemessen“ sei. | |
| Wie es denn nun dazu kommen konnte, dass die Frage nach dem Aussehen und | |
| damit zusammenhängend der „Deutschstämmigkeit“ des Fahrers in einer | |
| Verkehrskontrolle vermerkt wird, lässt die Stadt Braunschweig dennoch | |
| offen. | |
| Auf Anfrage der taz erklärt eine Pressesprecherin, dass die Stadt | |
| „unverzüglich nach Bekanntwerden des Tweets die interne Aufklärung in | |
| dieser Angelegenheit begonnen habe“. Abgeschlossen habe man diese | |
| Aufklärung noch nicht, die zuständige Sachbearbeiterin befinde sich im | |
| Urlaub. | |
| ## Sprach-Schulung für MitarbeiterInnen | |
| Im Twitter-Statement der Stadt wird zudem erwähnt, dass nun alle | |
| MitarbeiterInnen der Abteilung „noch einmal für dieses Thema sensibilisiert | |
| werden“. Die Pressesprecherin konkretisiert auf Anfrage, dass die | |
| Bußgeldstelle mit den MitarbeiterInnen besprechen will, wie die Vorgaben an | |
| solche Vermerke „angemessen und sachdienlich“ umgesetzt werden können – | |
| dabei solle es auch um eine „angemessene Sprache“ gehen. Mit Rat und Tat | |
| soll das städtische Büro für Migrationsfragen zur Seite stehen. | |
| Simon jedenfalls ist froh, dass der Tweet diese Debatte über | |
| Alltagsrassismus und Ausgrenzung ausgelöst hat. „Hätte ich mich mit einem | |
| Beschwerdebrief an die Behörden gewandt, wäre vielleicht nicht mal eine | |
| Antwort gekommen.“ Dank Social Media und der Öffentlichkeit, die dadurch | |
| generiert wird, fühle sich die Stadtverwaltung zumindest zum Umdenken | |
| gezwungen – obwohl für ihn unklar ist, ob aus öffentlichem Druck oder aus | |
| ehrlicher Einsicht. | |
| 12 Aug 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rassistische-Ausfaelle-im-Fussball/!5616915 | |
| [2] https://twitter.com/icancan22/status/1158800011041411076 | |
| [3] https://twitter.com/Stadt_BS/status/1159042654279221248 | |
| ## AUTOREN | |
| David Rutschmann | |
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