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# taz.de -- Zigarettenindustrie unterstützt Ermittler: Fragwürdige Zusammenar…
> Im Kampf gegen Zigarettenschmuggel etablieren sich Tabakfirmen als
> Partner der Behörden. Das stößt zunehmend auf Kritik.
Bild: Ein internationales Geschäft: Gefälschte Zigaretten kommen zum Beispiel…
Eine freundlich lächelnde Messehostess vor einem Tisch voller
Zigarettenschachteln – so weit nichts Besonderes. Ungewöhnlich jedoch: Die
junge Frau ist umringt von [1][Polizeibeamten]. Seit mittlerweile acht
Jahren leistet sich Camel-Hersteller Japan Tobacco International (JTI) eine
Vertretung auf dem Europäischen Polizeikongress – einem der größten
Polizistentreffen in Europa –, der jedes Jahr in Berlin stattfindet. Auch
Marlboro-Produzent Philip Morris International (PMI) ist dort regelmäßig
vertreten.
Seit Jahren bastelt „Big Tobacco“ an seinem Image. Von der Öffentlichkeit
bisher kaum bemerkt, haben die vier größten Konzerne mit viel Geld auch
Ermittlungsbehörden für ihre Interessen gewinnen können. Nicht wenige
ehemalige Polizei- und Zollbeamte wurden eingestellt.
Hintergrund ist die enorme Bedeutung des Zigarettenschmuggels: Der Deutsche
Zigarettenverband rechnet in einer Studie vor, dass pro Jahr in der
Bundesrepublik etwa 4,2 Milliarden Schmuggelzigaretten geraucht werden. Der
größte Teil stammt aus Osteuropa. Das geht zulasten des legalen Handels.
Legal werden jährlich nach Zahlen des Statistischen Bundesamts knapp 75
Milliarden Zigaretten verkauft.
Der „PMI Impact“, ein bisher kaum bekanntes Programm des Tabakkonzerns,
sponsert sowohl die Arbeit von Wissenschaftlern als auch von staatlichen
Ermittlern. Die „weltweite Initiative zur Förderung von Projekten gegen
Schmuggel und damit verbundene Verbrechen“ startete im Jahr 2016 mit einem
Budget von 100 Millionen US-Dollar. Sie macht es dem Tabakkonzern möglich,
indirekt wissenschaftliche Studien zu finanzieren. Ebenso indirekt
finanziert Philip Morris in diesem Rahmen aber auch die Arbeit von
Ermittlern: Im Jahr 2017 gab PMI Impact unter anderem Geld für
Ausrüstungsteile der rumänischen Polizei. Im vergangenen Jahr bekamen
Polizeibeamte im Grenzraum Brasilien/Paraguay/Argentinien einen Kurs
spendiert und der ungarische Zoll neue Röntgengeräte.
## Deals laufen nach wie vor
Dass solche Finanzspritzen durchaus problematisch sein können, zeigt das
Beispiel Montenegro. Die EU-Kommission gab im April 2018 bekannt, dass ihr
der Zigarettenschwarzhandel über Montenegro Sorgen bereite. Als Mitglied
eines Verbands südosteuropäischer Polizei- und Zollbeamter hatte
EU-Mitgliedskandidat Montenegro ebenfalls eine Förderung von PMI Impact
erhalten. Bei einem so finanzierten Treffen der „Einsatzgruppe zur
Bekämpfung von Betrug und Schmuggel“ vor Kurzem saßen neben den Ermittlern
wie selbstverständlich auch Vertreter der Tabakfirma. Zufall oder nicht: Im
jüngsten Jahresbericht des Ermittlerverbands standen zum ersten Mal keine
konkreten Zahlen zum Zigarettenschwarzmarkt.
Die Kooperation wird zunehmend infrage gestellt. Nach massiver Kritik unter
anderem der Tabakexperten der Weltgesundheitsorganisation verlängerte
Interpol eine 15 Millionen Euro teure Sponsoringvereinbarung mit dem
Tabakmulti nicht mehr. Auch die EU-Kommission ließ jetzt auf Druck des
EU-Parlaments ein 2004 mit Philip Morris geschlossenes
Antischmuggelabkommen auslaufen. Deals mit den anderen drei großen
Herstellern laufen aber nach wie vor. Bis 2030 sollen alle vier insgesamt
1,9 Milliarden US-Dollar an die EU-Kommission und die teilnehmenden
Staaten, darunter Deutschland, überweisen.
Die Industrie sieht kein Problem in dieser Form der Zusammenarbeit, ganz
im Gegenteil. Die Zivilgesellschaft müsse mit der Wirtschaft „transparent“
nach den Prinzipien der Good Governance zusammenarbeiten, teilte ein
Sprecher von PMI mit.
Der Konzern setze auf eine sichere Transportkette, unterstütze das
Antitabakprotokoll der WHO, kooperiere, wie bei PMI Impact, aber auch mit
privaten und staatlichen Akteuren. Deren Projekte würden von einem „Beirat
unabhängiger Experten“ ausgewählt und könnten in „völliger Unabhängigk…
zu PMI“ umgesetzt werden, so der Sprecher.
## „Ressourcen und Fachinformationen“
Auch ein JTI-Sprecher bestätigte, dass sein Unternehmen im Kampf gegen den
Zigarettenschmuggel mit Regierungen und staatlichen Ermittlungsbehörden
zusammenarbeite. Der Einsatz von ehemaligen Zoll- und Polizeibeamten
ermögliche es, den staatlichen Behörden eine „größere Expertise“ zu dem
Thema bieten zu können. In diesem Zusammenhang stelle JTI den Ermittlern
„Ressourcen und Fachinformationen“ zur Verfügung. JTI halte sich dabei
stets an geltende Verordnungen und Gesetze.
Ein Sprecher von British American Tobacco (BAT) sagte: „Als
verantwortungsvoller Konzern kooperieren wir, tauschen Informationen und
Ideen aus mit Regierungen, Ermittlungsbehörden und internationalen
Organisationen, damit Anliegen rund um unsere Produkte und unsere Branche
Gehör finden.“ Tabakschmuggel könne nur durch eine „gut koordinierte
gemeinsame Lösung“ aus staatlichen und privaten Akteuren bekämpft werden.
Auch BAT beschäftige „zahlreiche ehemalige Ermittler“.
Ein Sprecher von Imperial Tobacco antwortete auf die Fragen der taz, dass
sein Unternehmen ebenfalls schon lange mit Behörden kooperiere. Dabei
arbeite die Firma mit unabhängigen Instituten, Regulierungsbehörden und
Technologiekonzernen zusammen. In begrenztem Umfang gebe es auch Sponsoring
für Forschung. Dieses diene aber nicht dem Zweck, deren Ergebnisse zu
beeinflussen.
## Kritiker fordern Abgabe statt Sponsorings
Die Industrie dürfe „niemals Partner“ der Ermittler werden, sagte dagegen
Vinayak Mohan Prasad, Leiter der Tobacco Free Initiative der WHO, der taz.
Immerhin sei das Gros des Tabakschmuggels organisiert, und das sei kaum
möglich ohne eine „direkte oder indirekte Beteiligung der Industrie“. Wenn
Ermittler oder Wissenschaftler nun, wie im Falle von PMI Impact, Gelder von
der Industrie erhielten, würden sie „vereinnahmt oder wenigstens in ihrer
Unabhängigkeit beeinträchtigt“. Prasad appellierte deshalb an die
Unterzeichnerstaaten, derartige Kooperationen künftig zu unterbinden.
Zwar sei es durchaus sinnvoll, die Zigarettenindustrie im Kampf gegen den
Schmuggel zur Kasse zur bitten, kommentierte Sebastian Meyer von der
Transparenzinitiative LobbyControl auf Anfrage der taz. Das müsse jedoch
über verpflichtende Abgaben geschehen und dürfe nicht über Sponsoring
geregelt werden. „Sponsoring ist eine bewusste Lobbystrategie der Industrie
und kann zu schweren Interessenkonflikten führen.“
9 Aug 2019
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## AUTOREN
Robert Schmidt
Mathieu Martiniere
## TAGS
Tabakindustrie
Polizei
Zigaretten
Schmuggel
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Razzien
Zigaretten
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