# taz.de -- Todesfall im Frankfurter Hauptbahnhof: Direkt ins Herz | |
> In Frankfurt wurde ein Kind vor den Zug gestoßen. Die Tat ist auch | |
> deshalb so schrecklich, weil wir erkennen und begreifen, dass sie nicht | |
> uns getroffen hat. | |
Bild: Schock und Trauer am Frankfurter Hauptbahnhof | |
JedeR kennt dieses klamme, bange Gefühl. Ein Porsche, der mit Lichthupe und | |
230 Sachen von hinten herangerast kommt. Der verwirrte Mann, der aggressiv | |
schreiend durchs Stadtbild läuft, scheinbar auf der Suche nach einem | |
leichten Opfer. Zugedröhnte Jugendliche in der U-Bahn, die sich | |
provozierend laut über die Fuckability von Mitreisenden austauschen. Es | |
sind Momente, in denen man an ein Wunder glauben möchte, dass diese | |
Gesellschaft trotz all dem Stress, der Verachtung und ja, dem Hass, | |
funktioniert. Dass wir uns nach wie vor und unumstößlich aufgehoben fühlen | |
können in einer Gemeinschaft der Besonnenen. | |
[1][In Frankfurt hat ein Mann ein Kind getötet. Er hat versucht, auch | |
andere umzubringen, darunter die Mutter.] Die Tat ist unter anderem deshalb | |
so schrecklich, weil sie die dünner werdende Haut unserer Angst ritzt. Weil | |
wir erkennen und begreifen, dass sie nicht uns getroffen hat. Unsere | |
Lieben, unser Kind. Uns. | |
Davongekommen – so fühlt sich das an. Obwohl wir wissen, dass es | |
statistisch extrem unwahrscheinlich ist, selbst Opfer einer solchen Tat zu | |
werden: In derlei Momenten hebt die so tapfer wie mühsam ruhig gehaltene | |
Angst ihr schläfriges Lid und starrt uns direkt ins Herz. Die traurige | |
Wahrheit ist: Das acht Jahre alte Kind am Gleis ist nicht davongekommen. Es | |
ist gestorben. | |
Schreckliche Ereignisse wie dieses sind ein Anlass, mal wieder zu schauen, | |
wie es dem Sitznachbarn im Bus geht, sich zu fragen, ob der Obdachlose ein | |
Gespräch nötiger hat als den täglichen Euro, ob die Rentnerin nebenan | |
unsere Hilfe braucht. Das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die für | |
uns einsteht, stellt sich nur dort ein, wo auch wir für sie einstehen. | |
All der Hass, die Verachtung und das schnelle Urteil füttern nur die Angst. | |
Dem raschen Reflex zu widerstehen, dem hasserfüllten Kopf-ab-Gefasel der | |
Eskalierer – das ist jetzt die Aufgabe. Diese Gesellschaft, dieses Land | |
sollte sich die Fähigkeit nicht nehmen lassen, Vertrauen zu wagen, immer | |
wieder aufs Neue. Alles andere lähmt uns. | |
30 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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