| # taz.de -- Todesfall im Frankfurter Hauptbahnhof: Die gefühlte Sicherheit | |
| > Spezielle Sperren an Bahnhöfen könnten verhindern, dass Reisende auf | |
| > Gleise stürzen. Aber der Aufwand, sie einzubauen, wäre immens. | |
| Bild: Glaswände zur Sicherheit: am Bahnhof Salah Daeng in Bangkok, Thailand | |
| Berlin taz | Statistisch gesehen ist Bahnfahren in Deutschland extrem | |
| sicher – viel sicherer als mit dem Auto oder Rad zu fahren. Doch nach | |
| [1][Ereignissen wie im Frankfurter Hauptbahnhof], wo ein sogenannter | |
| Bahnschubser einen achtjährigen Jungen getötet hat, ist das subjektive | |
| Unsicherheitsgefühl vieler Reisender stärker als die Statistik. | |
| Aber auch mehr Sicherheitsmaßnahmen können solche Taten nicht verhindern. | |
| Davon überzeugt ist zumindest die Vorsitzende der | |
| VerkehrsministerInnenkonferenz, die saarländische Verkehrsministerin Anke | |
| Rehlinger (SPD). „Eine solche Tat offenbart keine Sicherheitslücke, sondern | |
| eine Menschlichkeitslücke“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. | |
| Tatsächlich können mehr Sicherheitskräfte, Kontrollen oder Videoüberwachung | |
| Fahrgäste nicht vor BahnschubserInnen schützen. Aber sie erhöhen das | |
| Sicherheitsempfinden der BürgerInnen. | |
| Nicht simulierte, sondern echte Sicherheit an Bahnsteigen vor Stürzen ins | |
| Gleisbett ist aber durchaus möglich: Trennmauern oder -gitter am Bahnsteig | |
| können dafür sorgen, dass Fahrgäste nicht ins Gleisbett fallen oder | |
| geschubst werden können. | |
| ## Sperren an den Wagontüren | |
| In Japan sind in den vergangenen Jahren an etlichen Bahnhöfen Sperren | |
| zwischen Gleise und Bahnsteige gebaut worden. Ist der Zug eingefahren, | |
| öffnen sich die Sperren an den Türen der Wagons, so dass Reisende ein- oder | |
| aussteigen können. Danach schließen sie sich wieder, so dass niemand auf | |
| die Gleise fallen oder geschubst werden kann. | |
| Der Fahrgastverband Pro Bahn steht solchen Maßnahmen skeptisch gegenüber. | |
| Denn der Aufwand, die mehr als 5.600 Personenbahnhöfe in Deutschland mit | |
| diesen Sperren auszustatten, wäre immens. „Das wäre höchstens an den groß… | |
| Bahnhöfen möglich“, sagt Detlef Neuss von Pro Bahn. | |
| Und dann müssten die Anlagen einige hundert Meter lang sein, um den ganzen | |
| Bahnsteig zu schützen. Aber nicht nur an den großen Verkehrsknotenpunkten | |
| wie Frankfurt am Main oder Berlin gibt es BahnschubserInnen. | |
| Am 20. Juli ist im niederrheinischen Voerde eine 34-jährige Frau gestorben, | |
| nachdem sie von einem unter Drogen stehenden Mann ins Gleis gestürzt und | |
| von einem Zug überrollt wurde. | |
| ## „Nicht flächendeckend praktizierbar“ | |
| Eine Alternative zu Sperren wäre, den Bahnsteig für Fahrgäste erst | |
| zugänglich zu machen, wenn der Zug eingefahren ist. Die Reisenden warten | |
| bei diesem System in einem abgetrennten Gebiet oder Raum. | |
| Das gibt es etwa in China. Dort steigen die PassagierInnen an der einen | |
| Seite ein und an der anderen aus, so dass sich nicht gegenläufige | |
| Menschenströme begegnen. Punktuell gibt es solche Anlagen auch in | |
| Deutschland, zum Beispiel im Brandenburgischen Wünsdorf. | |
| „In Deutschland sind solche System nicht flächendeckend praktizierbar“, | |
| sagt Neuss. Vor allem bei großem Fahrgästeandrang an Verkehrsknotenpunkten, | |
| etwa im Berufsverkehr, könnte diese Lösung sogar gefährlich werden, | |
| fürchtet er. Denn durch großes Gedränge entstehen neue Risiken, vor allem | |
| für Menschen mit Handicap, die etwa einen Rollator oder Krücken brauchen. | |
| Um die Sicherheit für sich selbst zu erhöhen, rät Neuss Reisenden, nicht | |
| nahe an den Bahnsteigrand zu gehen – nicht nur wegen möglicher | |
| Bahnschubser, sondern auch wegen anderer Gefahren wie dem Sog ein- oder | |
| vorbeifahrender Züge. Ein Mindestabstand von 1,5 Meter bis 2 Meter ist | |
| sinnvoll, sagt er. | |
| ## Mehr Personal und mehr Geld | |
| Generell fordert der Fahrgastverband Pro Bahn mehr Personal an Haltepunkten | |
| und Bahnhöfen – auch, aber nicht nur wegen des Sicherheitsempfindens der | |
| Fahrgäste. „Das ist schon für die Information wichtig“, sagt Neuss. „Das | |
| kann die Bahn aber nur leisten, wenn sie mehr Geld bekommt.“ | |
| Anders als im Fernverkehr hält Neuss bauliche Maßnahmen zum Schutz vor | |
| Stürzen und SchubserInnen im U-Bahn-Verkehr für möglich. Anders als bei den | |
| Zügen der Deutschen Bahn werden hier oft die gleichen Waggons eingesetzt. | |
| Das erleichtert den Einbau der Schutzanlagen, denn die Bahnen können mit | |
| den Türöffnungen stets an der gleichen Stelle vor den Öffnungen der Sperren | |
| halten. | |
| 30 Jul 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
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