# taz.de -- Umstellung der Altglassammlung: Tonne raus und rein ins Iglu | |
> Außerhalb des S-Bahnrings werden bis November die Altglastonnen aus | |
> Hinterhöfen abgezogen. Nicht nur die Opposition übt daran Kritik | |
Bild: Wenn das Glas-Iglu voll ist, landet das gute Recyclingmaterial auch mal a… | |
„Also ich hätte mein Logo nicht zur Verfügung gestellt für eine Sache, | |
hinter der ich nicht voll und ganz stehen kann.“ Daniel Buchholz, | |
umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion ist ziemlich unzufrieden mit | |
der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, er spricht von | |
einem „falschen Signal“. | |
Das Logo gehört der , und es ziert ein Informationsschreiben, das in den | |
kommenden Wochen an die Vermieter von mehreren tausend Mehrfamilienhäusern | |
geschickt wird. Inhalt: Die Altglastonnen in den Höfen sollen abgezogen | |
werden. „Damit“, so heißt es in dem Brief, „tragen wir den Anforderungen… | |
eine zukunftsorientierte, umweltgerechte Stadt mit weniger Emissionen und | |
mehr Lebensqualität Rechnung.“ | |
Es handelt sich um die Umsetzung einer vor genau zwei Jahren getroffenen | |
Vereinbarung zwischen dem Senat, der BSR und den im „Dualen System“ | |
organisierten privaten Entsorgern. Sie besagt, dass die derzeit rund 94.400 | |
klassischerweise im Hinterhof aufgestellten Glastonnen bis Anfang 2020 auf | |
62.000 Stück reduziert werden. Betroffen sind fast ausschließlich Häuser | |
außerhalb des S-Bahnrings. Im Gegenzug werden mehr „Glas-Iglus“ im | |
öffentlichen Straßenland aufgestellt, ihre Zahl wächst von derzeit 1.500 | |
auf 1.900. | |
Das Thema hatte seit Ende 2013 für viel Ärger gesorgt, als die Glastonnen | |
im Südosten der Stadt – einem von insgesamt vier Entsorgungsbezirken – | |
quasi über Nacht abgezogen wurden. Die Regierungsfraktionen im | |
Abgeordnetenhaus reagierten auf den geballten öffentlichen Unmut und | |
machten sich für die Rücknahme der Entscheidung stark: Der Gang zu den | |
Iglus sei gerade älteren Menschen nicht zuzumuten, es sei aber auch die | |
ökologisch betrachtet die schlechtere Lösung, weil viel Altglas dann aus | |
Bequemlichkeit einfach in der Restmülltonne lande. | |
Dagegen wird das Duale System nicht müde zu betonen, die Altglasqualität | |
aus den Hoftonnen – das sogenannte „Holsystem“ ist übrigens eine Berliner | |
Spezialität – sei miserabel: Die Leute würden zu viel anderen Müll | |
hineinwerfen, vom Keramikteller bis zur Babywindel. KritikerInnen wiederum | |
vermuten, dass es dem Entsorgerverbund lediglich um Kosteneinsparungen | |
geht, denn das Abfahren der zentral aufgestellten Iglus („Bringsystem“) ist | |
mit weniger Personal zu bewältigen. | |
## Senat am kurzen Hebel | |
Eine komplexe Gemengelage also. Tatsache ist, dass der Senat an einem sehr | |
kurzen Hebel sitzt: „Das Verpackungsgesetz bietet für Politik und | |
Verwaltung keine rechtliche Handhabe, die Systembetreiber zu einer | |
bestimmten Form des Sammelsystems zu verpflichten“, bestätigt Jan Thomsen, | |
Sprecher der Senatsumweltverwaltung. Eine weitere Veränderung des | |
ausgehandelten Kompromisses, also ein nochmaliger Angriff auf die Zahl der | |
Hoftonnen, sei aber „nicht geplant und nicht zu erwarten“, so Thomsen. | |
Von der Opposition kommt Kritik, der umweltpolitische Sprecher der | |
Christdemokraten, Danny Freymark, verweist auf Untersuchungen in den | |
Südostbezirken, wo der Abzug der Tonnen zu einem 20-prozentigen Rückgang | |
der getrennt erfassten Altglases ergeben habe: „Umweltpolitisch ein | |
Desaster.“ Die Glas-Iglus hingegen würden schnell zu „Orten der | |
Vermüllung“. Und Henner Schmidt (FDP) findet, Umweltsenatorin Regine | |
Günther (Grüne) hätte „engagierter und entschiedener verhandeln müssen“. | |
Aber eben auch Sozialdemokrat Daniel Buchholz kann sich mit dem Kompromiss | |
nicht richtig abfinden. Der Senat habe Teile des Parlamentsbeschlusses | |
einfach ignoriert – unter anderem die Forderung, durch abschließbare Tonnen | |
oder spezielle Deckelöffnungen die „Fehlwürfe“ zu minimieren und damit die | |
Altglas-Qualität in den Hoftonnen zu verbessern. | |
Was Buchholz besonders enttäuscht: Der Tonnenabzug soll laut Vereinbarung | |
eigentlich freiwillig geschehen, also nur bei Zustimmung der Vermieter. | |
„Das Freiwilligkeitspruinzip ist in den Briefen aber ganz verschwurbelt | |
ausgedrückt und kaum zu erkennen.“ In den Infoblättern für die | |
Hausgemeinschaft, die den Vermietern zum Aushang mitgeschickt werden, wird | |
die Wahlmöglichkeit noch nicht einmal erwähnt. | |
Georg Kössler von der Grünenfraktion findet, dass sein SPD-Kollege es mit | |
der Kritik etwas übertreibt: Mit dem Kompromiss sei dieser doch auch | |
einverstanden gewesen. „Zufrieden sind wir auch nicht, aber wir haben | |
versucht, das Beste herauszuholen“, so Kössler zu taz. Jetzt müsse man der | |
BSR „auf die Finger schauen“, die vom Dualen System mit der Umstellung des | |
Systems betraut wurde. | |
29 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
## TAGS | |
Regine Günther | |
Duales System | |
Recycling | |
Recycling | |
Bildung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Altglas-Recycling in Berlin: Scherben bringen Geld | |
Nachdem Anfang 2014 in einigen Ostberliner Bezirken Tausende Altglastonnen | |
abgezogen wurden, streiten sich Politiker, Aktivisten und Entsorger über | |
die Abwicklung des Verpackungsmüllgeschäfts. | |
Glasrecycling: Systemkonfrontation der Flaschen | |
Das Duale System Deutschland dirigiert in Berlin die Altglas-Entsorgung und | |
würde das seit langem bewährte System am liebsten umkrempeln. Warum? |