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# taz.de -- Altglas-Recycling in Berlin: Scherben bringen Geld
> Nachdem Anfang 2014 in einigen Ostberliner Bezirken Tausende
> Altglastonnen abgezogen wurden, streiten sich Politiker, Aktivisten und
> Entsorger über die Abwicklung des Verpackungsmüllgeschäfts.
Bild: Ein wertvoller Rohstoff: Altglas.
Im Osten doch nichts Neues: Die Forderung von Senat und
Umweltorganisationen, dass in den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf
und Treptow-Köpenick die Altglastonnen in die Höfe zurückkehren sollen, ist
folgenlos verhallt. Anfang 2014 waren Tausende Hoftonnen abgezogen worden,
viele Anwohner wurden so gezwungen, ihre Flaschen und sonstigen
Glasverpackungen zum nächsten „Depotcontainer“ – vulgo: Glas-Iglu – zu
schleppen. Auf mindestens drei Jahre war dieser Versuch angelegt, nun geht
es für weitere drei Jahre weiter.
Hintergrund ist ein seit Jahren schwelender Streit um die Vorzüge der
beiden unterschiedlichen Sammelmethoden: dem „Holsystem“, bei dem man das
Gurkenglas im eigenen Hof entsorgt, und dem „Bringsystem“ mit dem Glas-Iglu
am Straßenrand. Während Letzteres deutschlandweiter Standard ist, gibt es
das Holsystem praktisch nur in Berlin. Kurioserweise behaupten beide
Konfliktparteien – Politiker und Umweltaktivisten auf der einen Seite, die
sogenannten Dualen Systeme auf der anderen –, die von ihnen favorisierte
Lösung sei ökologischer als die jeweils andere.
Den privaten Dualen Systemen, die das Verpackungsmüll-Recycling
organisieren, ist das Holsystem seit Langem ein Dorn im Auge – angeblich,
weil es „ökologisch und ökonomisch nachteilig“ ist. Die Argumentation:
Durch die direkte Nachbarschaft der Hoftonnen zu den übrigen Müllbehältern
und die mangelhafte Disziplin der BerlinerInnen gelangten zu viele
Fremdstoffe ins Altglas (besonders problematisch: Porzellan und Keramik).
Die ließen sich nur mit hohem energetischem Aufwand aussortieren, teilten
die Unternehmen in einem Schreiben den Anwohnern der verwaisten Höfe mit.
Verschärft werde das Problem dadurch, dass die Sammelfahrzeuge mit ihren
Pressen die Scherben zu stark zerkleinerten. In der Folge habe die
Glasindustrie große Probleme mit dem Berliner Altglas und verweigere
teilweise die Annahme.
Beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hält man das für vorgeschoben:
In Wirklichkeit gehe es den kriselnden Dualen Systemen darum, durch das
billigere Bringsystem die Kosten zu minimieren. Was die ökologischen Folgen
der bereits erfolgten Teilumstellung angeht, verweisen sie auf ein
begleitendes Gutachten zu der Maßnahme in den drei genannten Bezirken – dem
Berliner Vertragsgebiet 104, dem östlichsten von insgesamt vier, die im
Dreijahresturnus an Entsorgungsunternehmen vergeben werden. Das Ergebnis:
Im ersten Jahr sank die gesammelte Altglasmenge um fast 20 Prozent.
Politiker der damaligen Opposition aus Grünen, Linken und Piraten
prangerten das als Ressourcenvergeudung an. Sie entstehe, weil viele
Menschen – gerade ältere – den Weg zum Iglu scheuten und ihr Altglas
stillschweigend in der schwarzen Restmülltonne verschwinden ließen. Auf
Antrag der Linken forderte das Abgeordnetenhaus den Senat geschlossen auf,
sich für die Rückkehr zum alten Zustand einzusetzen, und im Sommer 2015
versprach der damalige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), genau
das zu tun. Wegen der privatwirtschaftlichen Abwicklung des
Verpackungsmüllgeschäfts kann die Landesregierung aber nur indirekt auf
dessen Ausgestaltung Einfluss nehmen.
Wie jetzt feststeht, ist ihr auch das nicht gelungen: Nach Angaben der
Senatsumweltverwaltung ändert sich vorerst nichts. Zwar betont Matthias
Tang, der Sprecher von Senatorin Regine Günther (parteilos), es sei „in
intensiven Gesprächen gelungen, den weiteren Abzug von haushaltsnahen
Altglastonnen im Gebiet 104 zu verhindern und in weiteren Sammelgebieten
den Status quo aufrechtzuerhalten“. Das bedeutet aber, dass das zuständige
Duale System – die RKD Recycling Kontor Dual GmbH – nicht nur nicht gewillt
ist, den Menschen im Osten ihre Hoftonnen zurückzugeben, sie will sie
offenbar auch denen im Rest der Stadt wegnehmen.
Der „Sturm der Entrüstung sei ausgeblieben“, heißt es im Management von
Berlin Recycling angesichts der um drei Jahre verlängerten Hoftonnen-Pause.
Allerdings haben es die direkt Beteiligten auch nicht an die große Glocke
gehängt: Selbst beim BUND wusste man auf taz-Anfrage noch nichts von der
erfolgten Vergabe. Der Umweltverein hatte im vergangenen November eine
E-Mail-Kampagne gestartet, bei der Betroffene ihre Tonne mit einem
vorgefertigten Schreiben vom Dualen System zurückfordern und alle anderen
den Abzug ihrer Tonnen prophylaktisch ablehnen können.
Die TeilnehmerInnen der Kampagne erhielten von den Dualen Systemen
postwendend Antwort. In einem ausführlichen Schreiben begründen die
Unternehmen den vermeintlichen ökologischen Nutzen ihrer Maßnahme,
allerdings mit Zahlen, die bei den Abfallexperten vom BUND den Verdacht der
„bewussten Täuschung“ hervorrufen: Was den Rückgang der Sammelquote angeh…
wird eine viel niedrigere Zahl genannt – bei der es sich freilich um den
Durchschnitt aus dem Vertragsgebiet mit dem eingeschränkten Holsystem und
den drei anderen mit unveränderten Bedingungen handelt.
Und noch einen anderen Aspekt beklagt BUND-Mitarbeiter Tobias Quast: Die
Dualen Systeme hätten angekündigt, die Zahlung der sogenannten
Nebenentgelte zu kürzen. Dabei handelt es sich um Zahlungen an die
Kommunen, mit denen nicht nur Miete und Reinigung der Iglu-Standorte,
sondern auch Maßnahmen wie Abfallberatung oder Müllvermeidungskampagnen an
Schulen finanziert werden. Auch wenn die Kürzungen noch nicht formal
umgesetzt seien, stünden die Gelder schon jetzt nur eingeschränkt zur
Verfügung, so Quast.
15 Feb 2017
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Recycling
Regine Günther
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