# taz.de -- Polizeigewalt in Deutschland: Tausende Übergriffe | |
> „Das ist doch nur die Ausnahme“? Von wegen! Ein Medienbericht kommt auf | |
> mindestens 12.000 Fällen von Polizeigewalt im Jahr. | |
Bild: Polizeigewalt kommt auch ohne Waffe aus | |
BERLIN epd | Unrechtmäßige Polizeigewalt kommt Medienberichten zufolge in | |
Deutschland deutlich häufiger vor als bisher bekannt. Demnach gebe es | |
jährlich mindestens 12.000 mutmaßlich rechtswidrige Übergriffe durch | |
Polizeibeamte – und damit fünf Mal mehr als angezeigt. Das hätten | |
Forschungen an der Universität Bochum ergeben, über die das | |
ARD-Politikmagazin Kontraste und Der Spiegel [1][gemeinsam berichten], wie | |
der RBB am Samstag mitteilte. | |
Die Hochrechnung basiere auf der bislang größten Untersuchung zur | |
Polizeigewalt in Deutschland unter Leitung des Kriminologen Tobias | |
Singelnstein an der Ruhruniversität Bochum. An der Befragung nahmen demnach | |
mehr als 1.000 Betroffene teil. „Nach unseren bisherigen Befunden kann man | |
davon ausgehen, dass das Dunkelfeld mehr als fünfmal so groß ist wie das | |
Hellfeld, das wir in der Statistik sehen“, sagte Singelnstein gegenüber | |
Kontraste und dem Spiegel. | |
Bislang seien in Deutschland pro Jahr mindestens 2.000 mutmaßlich | |
rechtswidrige Übergriffe durch Polizeibeamte bekanntgeworden, die von den | |
Staatsanwaltschaften bearbeitet werden. Strafrechtlich geahndet würden sie | |
nur selten. Weniger als zwei Prozent der Fälle kämen vor Gericht, weniger | |
als ein Prozent endeten mit einer Verurteilung, so der Professor für | |
Kriminologie. Oft stehe das Wort der Bürger gegen das der Beamten. | |
Verantwortlich für die geringe Aufklärungsquote seien vor allem die | |
Staatsanwaltschaften, die ihr Verhältnis zur Polizei nicht belasten | |
wollten, so Singelnstein. Außerdem gebe es in den Staatsanwaltschaften die | |
Grundannahme, dass Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt in der Regel | |
unberechtigt seien. Das führe dazu, dass man eher selten Anklage erhebe. | |
Weitere Ergebnisse der Untersuchung sollen demnach im September präsentiert | |
werden. | |
Ein Beispiel übermäßiger Polizeigewalt war das Vorgehen von Einsatzkräften | |
gegen die bundesweit als „Polit-Putze“ bekannte Aktivistin Irmela | |
Mensah-Schramm am Rande einer AfD-Demonstration im Mai in Berlin. Weil sich | |
die 73-Jährige weigerte, einen Platz für ihren Protest gegen die AfD zu | |
verlassen, den sie zuvor mit zwei Polizisten des „Anti-Konflikt-Teams“ | |
vereinbart hatte, wurde die Seniorin nach eigenen Aussagen fünf Stunden in | |
Gewahrsam genommen und erkennungsdienstlich behandelt. | |
Bei der Festnahme durch drei Polizisten sei sie geschubst worden, ihr seien | |
beide Arme verdreht worden, sie sei dabei zu Boden gegangen und „brutal“ | |
hochgezerrt worden und ihr wurden Handschellen angelegt, [2][berichtet | |
Mensah-Schramm in einem Gedächtnisprotokoll]. Die Polizei bestätigte damals | |
nur die Festnahme. Mensah-Schramm entfernt seit rund 30 Jahren unter | |
anderem rassistische und antisemitische Aufkleber von Pfeilern und Laternen | |
und übermalt Nazi-Graffiti-Sprüche sowie andere Hass-Botschaften in der | |
Öffentlichkeit. | |
27 Jul 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/kriminologe-hohe-dunkelziffer-bei-po… | |
[2] /Festnahme-von-Anti-AfD-Demonstrantin/!5508548 | |
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