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# taz.de -- Nachfolge von Theresa May: Boris Johnson wird Premierminister
> Der nächste britische Premierminister heißt Boris Johnson. Der ehemalige
> Brexit-Wortführer will zur Not auch einen No-Deal-Austritt in Kauf
> nehmen.
Bild: Boris Johnson beim einen Rugby-Spiel mit Kindern in Tokio 2015
London dpa | Der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson hat das
Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May haushoch
gewonnen. Er setzte sich bei der innerparteilichen Wahl mit 92.153 Stimmen
gegen seinen Rivalen Jeremy Hunt durch, der 46.656 Stimmen erhielt. Johnson
ist damit Chef der Konservativen Partei und soll am Mittwoch von Königin
Elizabeth II. zum Premierminister ernannt werden. Mit Spannung wird
erwartet, wen der umstrittene Politiker zu sich ins Kabinett holt.
Die etwa 160.000 Parteimitglieder – das sind nach Angaben der Zeitung
Independent 0,34 Prozent aller Wahlberechtigten – [1][hatten mehrere Wochen
Zeit, um sich zwischen Johnson und Hunt zu entscheiden.]
Johnson will das Abkommen über den EU-Austritt seines Landes mit Brüssel
neu verhandeln. May war mit dem Deal im Parlament dreimal gescheitert. Die
Europäische Union lehnt aber jegliche Änderung an dem Abkommen ab.
[2][Johnson will daher notfalls am 31. Oktober ohne Austrittsvertrag
ausscheiden]. Das dürfte erhebliche negative Folgen für die Wirtschaft und
viele weitere Lebensbereiche haben.
Der Brexit-Hardliner wird wahrscheinlich viele Regierungsposten neu
besetzen. Zeitungen spekulierten etwa über ein Comeback der früheren
Brexit-Minister Dominic Raab und David Davis. Kritiker halten Davis für
inkompetent und faul. Am vergangenen Wochenende hatten bereits
Finanzminister Philip Hammond und Justizminister David Gauke die Aufgabe
ihrer Ämter im Falle eines Wahlsiegs Johnsons angekündigt. Es wird mit
Rücktritten weiterer EU-freundlicher Minister gerechnet.
Johnson kündigte bereits an, die vereinbarte Schlussrechnung für den
EU-Ausstieg in Höhe von 39 Milliarden Pfund (rund 44 Milliarden Euro)
vorerst zurückzuhalten. Eine deutliche Senkung der Einkommenssteuer für gut
verdienende Briten stellte er ebenfalls in Aussicht.
## Wortwitz, Tollpatschigkeit und Ignoranz
Viele Tory-Abgeordnete trauen Johnson zu, enttäuschte Brexit-Wähler, die
sich von den Konservativen abgewendet haben, wieder zurückzugewinnen. Der
einst auch unter liberalen Wählern populäre frühere Bürgermeister von
London ist für seinen Wortwitz, aber auch für seine Tollpatschigkeit und
teilweise Ignoranz bekannt.
Seine Zeit als Außenminister ist in keiner guten Erinnerung geblieben. Wohl
deshalb erwähnte er sie während des Wahlkampfs kaum. Johnson, der dafür
bekannt ist, über die eigenen Füße zu stolpern, hielt sich im gesamten
Auswahlverfahren stark zurück.
Sein Erscheinungsbild hatte sich in den vergangenen Wochen auffallend
geändert. Statt verwuschelter, blonder Haarmähne ließ Johnson sich einen
richtigen Haarschnitt verpassen. Außerdem nahm er deutlich ab. Johnson lebt
seit Monaten von seiner Frau getrennt und ist mit einer über 20 Jahre
jüngeren Medienexpertin liiert.
Johnson war der Frontmann der konservativen Brexit-Befürworter im Wahlkampf
vor dem Referendum vor drei Jahren. Auch damals provozierte er: So verglich
er die Ambitionen der EU mit dem Großmachtstreben Hitlers und Napoleons.
[3][Den Briten versprach er, im Falle eines Brexits 350 Millionen Pfund]
(rund 390 Millionen Euro) an EU-Beiträgen pro Woche in das
Gesundheitssystem zu stecken. Er verschwieg jedoch, dass London auch viel
Geld von der EU bekommt.
## Unterstützung einiger moderater Abgeordneter
Trotzdem gilt Johnson als pragmatisch, wenn es für ihn von Vorteil ist. Das
dürfte ihm auch die Unterstützung einiger moderater Abgeordneter
eingebracht haben. Fraglich ist, ob er all seine vollmundigen
Versprechungen zum Brexit einhalten kann.
Am Mittwoch gibt May ihr Amt ab. Sie wird sich mittags ein letztes Mal den
Fragen der Abgeordneten im Unterhaus stellen. Anschließend hält sie vor dem
Regierungssitz Downing Street eine Abschiedsrede und reicht dann bei der
93-jährigen Queen im Buckingham-Palast ihren Rücktritt ein. Die Königin
wird direkt danach Johnson zum neuen Premier ernennen und ihn mit der
Regierungsbildung beauftragen. Auch von ihm wird dann eine Rede vor seinem
Amtssitz erwartet.
Die Briten hatten im Juni 2016 nur mit knapper Mehrheit für eine Loslösung
von der Europäischen Union gestimmt. Das Parlament ist seitdem heillos
zerstritten. Hinzu kam, dass May nach einer verpatzten Neuwahl im Sommer
2017 eine Minderheitsregierung anführte, die die Unterstützung der
nordirischen Partei DUP benötigte.
Größter Streitpunkt ist der Backstop – eine im Austrittsabkommen
festgeschriebene Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat
Irland und dem britischen Nordirland. Die Regelung sieht vor, dass
Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere
Lösung gefunden ist. Brexit-Hardliner befürchten, dies könnte das Land
dauerhaft an die Staatengemeinschaft fesseln und eine eigenständige
Handelspolitik Großbritanniens unterbinden. Für Johnson ist das Problem
„fundamental“ – er lehnt den Backstop rundweg ab.
23 Jul 2019
## LINKS
[1] /Grossbritanniens-Torys-waehlen-Premier/!5605761
[2] /TV-Duell-um-Nachfolge-von-Theresa-May/!5611384
[3] /Kampagne-im-Brexit-Wahlkampf/!5596552
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