Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Grenzsteuer für Kohlenstoffdioxid: Von der Leyens Klimahandelskrieg
> Die neue EU-Kommissionspräsidentin kündigt an, die europäische Industrie
> vor Klimadumping zu schützen. Doch die Umsetzung dürfte kompliziert
> werden.
Bild: Von der Leyen vor dem Klimahandelskrieg?
Berlin taz | Die neue EU-Kommission wird in ihrer nächsten Legislatur dem
Welthandel neue Regeln verpassen. Das zumindest ist die Konsequenz aus dem,
was die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt hat.
Sie will die europäische Industrie vor Klimadumping schützen – [1][mit
einer Grenzsteuer].
[2][Bis zum Jahr 2030 will die EU nur noch halb so viele Klimagase wie 1990
ausstoßen]. Ein großes Problem dabei wird das sogenannte Carbon-Leakage:
Unternehmen, die ins Ausland abwandern, weil die Klimaschutzkosten zu hoch
werden. Oder Unternehmen wie die Autoindustrie, die lieber besonders
klimaschädlichen Stahl aus China statt aus Deutschland einsetzen, weil der
hier produzierte zu teuer wird.
Bisher löst die EU das Problem, in dem sie die Schwerindustrie einfach von
Klimakosten befreit: Zwar müssen Industriebetriebe in der EU für jede Tonne
CO2, die sie verursachen, ein kostenpflichtiges Zertifikat dafür vorweisen.
Also eine Art Müllgebühr dafür entrichten, die Atmosphäre als Deponie für
ihre Klimagase zu nutzen.
Die EU will ihre Klimaziele erreichen, in dem sie die Menge der Zertifikate
verringert. Doch dieses System des Emissionshandels gerate immer mehr unter
Druck, sagt Peter Liese, der für die CDU im EU-Parlament sitzt. Je höher
die Klimaziele, desto wenige Zertifikate gebe es, die kostenlos verteilt
werden könnten.
## Für das Wirtschaftsministerium ist die alte Idee neu
Die europäische Stahlindustrie wünscht sich mittlerweile eine
CO2-Grenzszteuer, weil sie hohe Investitionen in neue Technologien der
Stahlerzeugung stecken will – im Gespräch ist etwa, CO2 bei der Produktion
herauszufiltern und unterirdisch einzulagern. Die Idee der Steuer: Wenn
Waren in die EU eingeführt werden, wird dabei eine Gebühr fällig, die
steigt, wenn bei der Herstellung besonders viel CO2 emittiert wurde.
Andersherum könnten EU-Unternehmen, die wegen des Klimaschutzes teurer
Produziertes exportieren wollen, bei der Ausfuhr für ihre Klimakosten
kompensiert werden. Das ist es, was von der Leyen meinte, als sie [3][am
Dienstag bei ihrer Bewerbungsrede] vor dem EU-Parlament von einer „Carbon
Border Tax“ sprach. Die Idee ist vor zehn Jahren in der EU schon einmal
debattiert worden, damals schlug sie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy
vor.
Geschehen ist seither nichts. Für das Bundeswirtschaftsministerium scheint
die Idee offenbar neu: Dort heißt es, man könne noch keine Bewertung
vornehmen.
## Die Frage nach dem internationalen Handelsrecht
Die Wirtschaftsweisen in Deutschland analysierten die Idee vergangene Woche
in einem [4][Gutachten]. Eine CO2-Grenzsteuer sei „theoretisch attraktiv“,
aber schwer umzusetzen: Angenommen, ein Unternehmen baut ein und denselben
Toaster an zwei Standorten in China und Thailand. Wie will die EU genau
wissen, wie viel CO2 dabei emittiert wurde? Ansätze, diese Daten zu
erfassen, gibt es, etwa das Carbon Disclosure Project. Aber die Daten
reichten laut Wirtschaftsweisen noch nicht aus.
Peter Liese kennt die Diskussion. „Ich bin für eine ernsthafte und
wohlwollende Prüfung“, sagt er über die CO2-Grenzsteuer. Und er droht in
Richtung USA. „Wenn dort Donald Trump endgültig seinen angekündigten
Ausstieg aus dem Pariser Klimavertrag umsetzt, dann müssen wir über
Belastungen von Importen aus den USA reden“, sagt Liese.
Die Frage ist zudem, ob eine solche Steuer mit internationalem Handelsrecht
vereinbar wäre. Amandine Van den Berghe, Anwältin bei der
Umweltschutzorganisation ClientEarth schreibt: „Eine richtig designte
CO2-Grenzsteuer ist mit den Regeln der Welthandelsorganisation vereinbar.“
Richtig hieße, dass die Grenzabgabe für alle Länder und alle Produkte
gelten müsse, also niemand diskriminieren darf. Außerdem müsse die EU wohl
begründen, dass sie keine anderen Möglichkeiten hat, ihre Industrie vor
Klimadumping zu schützen.
ClientEarth glaubt, die Steuer sei mit den neuen Freihandelsabkommen der EU
vereinbar. Also etwa Ceta mit Kanada oder Jefta mit Japan. Weil die EU sich
dort das Recht auf eigene Richtlinien versichert habe – allerdings sei
diese Sichtweise sehr vage. Es könne durchaus sein, dass Investoren
versuchten, vor Schiedsgerichten gegen eine CO2-Grenzsteuer zu klagen.
Die Wirtschaftsweisen fürchten vor allem Gegenmaßnahmen der Handelspartner,
die politischen Folgen einer CO2-Grenzsteuer müssten berücksichtigt werden.
Sprich: Die EU muss womöglich einen Klimahandelskrieg beginnen, will sie
nicht einknicken.
17 Jul 2019
## LINKS
[1] /Debatte-um-Abgabe-auf-CO2/!5588212
[2] /Anhoerung-im-EU-Parlament/!5606351
[3] /Von-der-Leyens-Rede-im-EU-Parlament/!5612163
[4] https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutach…
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
CO2-Steuer
Stahlindustrie
Ursula von der Leyen
Stahlindustrie
AKK
EVP
Schwerpunkt Europawahl
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Studie zur Industrietransformation: Das Jahrzehnt des Stahls
Die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie liefert Grundstoffe für die
Wirtschaft. Sie kann jobverträglich CO2-neutral werden, zeigt eine Studie.
Hohe Positionen in der Politik: So geht weibliche Macht
Weniger laut, aber mit genialen Strategien: Drei Frauen haben es an
zentrale politische Stellen geschafft. Sie zeigen: Macht kommt von machen.
Von der Leyen als EU-Kommissionschefin: An der Macht und unter Druck
Ursula von der Leyen muss als Kommissionspräsidentin nun schnell an die
Arbeit. Die Frage ist, ob sie mit europafeindlichen Kräften paktieren
könnte.
Von der Leyens Rede im EU-Parlament: „Zückerchen“ für fast alle
Bei ihrer Bewerbungsrede als EU-Kommissionschefin setzt Ursula von der
Leyen auf Klimaschutz und Mindestlöhne. Ob das reicht, bleibt offen.
Preis für Kohlendioxidausstoß: Kompromiss-Vorschlag im CO2-Streit
Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums rät dazu, zwei
Instrumente zum Klimaschutz zu kombinieren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.