# taz.de -- ExpertInnenkommission Fracking: Bohrende Fragen | |
> Das Gremium, das die Frackingtechnologie untersuchen soll, veröffentlicht | |
> seinen ersten Bericht. Darin ignoriert es kritische Stellungnahmen. | |
Bild: Schöner als Windräder? Geschmackssache | |
BERLIN taz | Vor einigen Jahren war das Thema Fracking allgegenwärtig: | |
Vielerorts gab es Proteste gegen die umstrittene Gasfördertechnik, bei der | |
unter hohem Druck Wasser, Sand und Chemikalien in die Tiefe gepresst | |
werden, um Gesteinsschichten aufzubrechen und damit Gas freizusetzen. Die | |
Politik in Bund und Ländern stritt monatelang erbittert über das Thema. | |
Doch seit ziemlich genau drei Jahren ist es ruhig geworden ums Fracking. | |
Denn damals, im Juni 2016, beschloss der Bundestag ein [1][Gesetz], das | |
Fracking in Deutschland massiv beschränkte. In Sandstein darf die Technik | |
seitdem nur mit verschärften Auflagen angewendet werden, in Ton und | |
Schiefer, die als „unkoventionelle Gesteinsschichten“ bezeichnet werden und | |
bei denen mehr Chemie und Druck erforderlich sind, gar nicht – abgesehen | |
von bis zu vier sogenannten Erprobungsbohrungen. Diese sollten | |
wissenschaftlich begleitet werden durch eine sechsköpfige | |
ExpertInnenkommission, deren Mitglieder aus verschiedenen Behörden und | |
Forschungseinrichtungen kommen. 2021 soll der Bundestag dann unter anderem | |
auf Grundlage der Ergebnisse der Kommission entscheiden, ob es beim Verbot | |
des Frackings in den unkonventionellen Gesteinsschichten bleibt. | |
Doch erst zwei Jahre nach der Verabschiedung des Fracking-Gesetzes hat die | |
Bundesregierung die Mitglieder der Kommission tatsächlich ernannt. Ein | |
weiteres knappes Jahr verging, bis sie dann im Mai dieses Jahres zu ihrer | |
ersten Sitzung zusammentraten. Von den fünf Jahren, die der Kommission für | |
ihre Arbeit zur Verfügung standen, ist also schon mehr als die Hälfte um, | |
bevor sie überhaupt beginnt. | |
Und gleich mit der ersten Aktivität – der Veröffentlichung eines | |
[2][Berichts] zur bisherigen Tätigkeit und der weiteren Planung – hat das | |
Gremium nun großen Unmut auf sich gezogen. Denn das Wasserhaushaltsgesetz | |
verpflichtet die Kommission dazu, der breiten Öffentlichkeit die | |
Möglichkeit zu geben, Stellungnahmen zum Bericht abzugeben. Schon dass | |
dafür nur drei Wochen Zeit zur Verfügung standen und es vorab keinerlei | |
Hinweis auf das Vorliegen des Entwurfs gab, sorgte bei Umweltverbänden für | |
Empörung. Noch lauter wurde die Empörung, als die trotz der kurzen Frist | |
eingereichten Stellungnahmen in der Endfassung des Berichts komplett | |
ignoriert wurden. „Das ist das genaue Gegenteil eines Dialogs auf | |
Augenhöhe“, kritisiert Oliver Kalusch vom Vorstand des Bundesverbands | |
Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). | |
Streit um Eingang der Stellungnahmen | |
Das Bundesforschungsministerium, das für die inhaltlich unabhängig | |
arbeitende Kommission formal zuständig ist, bestreitet sogar, dass es | |
überhaupt Stellungnahmen zum Bericht gegeben habe. „Nach Kenntnis der | |
Bundesregierung gingen im Zeitraum für öffentliche Stellungnahmen zum | |
Berichtsentwurf 2019 (3. bis 25. Juni 2019) keine Stellungnahmen bei der | |
Expertenkommission ein“, schreibt CDU-Staatssekretär Michael Meister Ende | |
Juli in der Antwort auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Hubertus | |
Zdebel, die der taz vorliegt. | |
Das ist offensichtlich verkehrt. Der taz liegen [3][Stellungnahmen vom BBU] | |
und dem Umweltverband BUND vor. Beide wurden am 25. Juni über das | |
vorgesehene Formular auf der Webseite und im Fall des BBU zusätzlich per | |
E-Mail eingereicht. Am Mittag dieses Tages – also vor Ablauf der offiziell | |
kommunizierten Frist – verabschiedete die Kommission aber schon ihren | |
finalen Bericht. „Zu diesem Zeitpunkt lagen uns die Stellungnahmen nicht | |
vor“, sagte die Kommissionsvorsitzende Charlotte Krawczyk vom | |
Geoforschungszentrum Potsdam der taz. | |
Auch im Nachhinein wurden die Stellungnahmen nicht veröffentlicht; | |
lediglich in einem [4][Dokument mit Fragen und Antworten] wird auf einige | |
der Kritikpunkte eingegangen. Für Hubertus Zdebel ist der Umgang mit den | |
Umweltverbänden „ein Stück aus dem Tollhaus“. Der Linken-Abgeordnete | |
fordert: „Die undurchsichtige Praxis der Fracking-Kommission muss sich | |
unverzüglich ändern.“ | |
Mit ihrer Hauptaufgabe, der wissenschaftlichen Begleitung von | |
Versuchsbohrungen, hat die Kommission derweil noch gar nicht begonnen – | |
denn bisher hat noch kein Gasunternehmen eine solche auch nur beantragt. | |
Während die Kommission auf Anträge der Unternehmen wartet, sehen diese die | |
Verantwortung bei der Kommission. „Über mögliche Anträge für Probebohrung… | |
kann erst entschieden werden, wenn die Expertenkommission ermittelt hat, | |
welche Anforderungen sie hieran stellt, was also konkret nachgewiesen | |
werden soll“, teilte der US-amerikanische Mineralölkonzern Exxon Mobil der | |
taz mit. „Diese Kriterien liegen noch nicht vor.“ | |
Diese Aufgabe kommt in der Arbeitsplanung im Bericht der Kommission bisher | |
aber nicht vor. Dort heißt es nur, die Kommission werde „Erfahrungen | |
anderer Staaten auswerten“ und auf dieser Grundlage einen Bericht für den | |
Bundestag erstellen. Aus Sicht von BBU-Sprecher Kalusch gibt es ohne | |
Probebohrungen hingegen keinerlei Grundlage für eine neue Entscheidung über | |
Fracking. „Die Kommission kann ihre zentrale Aufgabe nicht mehr erfüllen“, | |
sagte er der taz. „Sie sollte darum schon jetzt klar machen, dass der | |
Bundestag das Fracking-Verbot in unkonventionellen Lagerstätten im Jahr | |
2021 keinesfalls aufheben darf.“ | |
1 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Bundestag-beschliesst-Fracking-Gesetz/!5316476 | |
[2] https://expkom-fracking-whg.de/lw_resource/datapool/systemfiles/elements/fi… | |
[3] https://bbu-online.de/Stellungnahmen/Jahresbericht%20_Fracking_OK_oU.pdf | |
[4] https://expkom-fracking-whg.de/faq | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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